Literatur

The Surviving Sky – Die Rages-Trilogie 1

Dank der Fähigkeiten der Architekten, Pflanzen zu manipulieren, können die Menschen in fliegenden Städten, den Aschrams, den verheerenden Erdstürmen entgehen. Doch die Aschrams werden schwächer, die Manipulationen schwerer und die Erdstürme zahlreicher. Inmitten dieser Situation steckt die Beziehung von Ahilya, einer Nichtarchitektin, und ihrem Mann Iravan, einem leitenden Architekten und Ratsmitglied von Nakshar, in einer Krise.

Denn Architekten werden in den fliegenden Städten wie Könige verehrt. Durch ihre angeborene Fähigkeit der Trajektion halten sie den Aschram nicht nur in sicherer Entfernung zu den auf der Erde wütenden Erdstürmen, sie formen und erschaffen aus den Pflanzen lebendige Architektur, die Grundlage für das Überleben der Zivilisation ist. Gespeist aus dem Rudra-Baum, Nakshars Zentralbaum, der es der Stadt erst ermöglicht, zu fliegen, hängt das Überleben an den Fertigkeiten der Architekten. Die Nichtarchitekten ohne Fähigkeiten, stellen die normale Bevölkerung eines Aschrams dar.

Obwohl es die Aufgabe der Architekten ist, sie zu schützen, hat die Schicht der Nichtarchitekten unter der Herrschaft der Architekten zu leiden. Dieser Auffassung ist Ahilya, Nichtarchitektin und einzige Historikerin Nakshars. Ihr Ehemann Iravan ist jedoch anders als die anderen Architekten, oder ist es zumindest gewesen, bis er vor 5 Jahren zum leitenden Architekten aufgestiegen ist und in den Rat berufen wurde. Ein Rat, der nur aus Architekten und einer Solgenieurin, deren Stand sich Trajektionskräfte für die Herstellung alltäglicher Gegenstände zu nutzen macht, besteht. Somit ist die Mehrheit der Nichtarchitekten nicht repräsentiert und der Rat hegt zahlreiche Geheimnisse. Dieser Umstand belastet auch die Ehe von Ahilya und Iravan so stark, dass sie seit Monaten nicht mehr miteinander gesprochen haben.

Ahilya hat es sich zur Aufgabe gemacht, das Ungleichgewicht in Nakshar aufzuweichen, sie möchte für einen vakanten Platz im Rat aufgestellt werden. Mit den Erkenntnissen, die sie sich von einer Expedition auf die Erde über die Erdstürme und Yakshas (gewaltige Tiere, die nicht auf der Existenzebene spürbar sind) erhofft, will sie ihre Chancen auf den Sitz verbessern. Doch die Geschehnisse auf ihrer Expedition verschlimmern nicht nur die Kluft zwischen den Ehepartnern, sie scheinen den ganzen Aschram dem Untergang zu weihen.

Komplexe und futuristische Sci-Fi-Fantasy

Die Autorin Kritika H. Rao wartet mit einem fantastischem Worldbuilding auf, dass sich nicht nur originell, sondern auch äußerst komplex darstellt und viele Aspekte der Hindu-Philosophie einbindet. Es ist kein Buch, das man „nebenher“ lesen sollte, die Komplexität und auch der Schreibstil der Autorin fordern bisweilen die gesamte Aufmerksamkeit, um der Handlung in ihrer Gesamtheit folgen zu können. Als hilfreich erweist sich im Buch auch ein Glossar, bis man sich vollständig in der sehr faszinierenden Welt zurecht gefunden hat, die weitaus mehr zu bieten hat, als der Klappentext oder meine vorangegangene Zusammenfassung erahnen lassen.

Dreh- und Angelpunkt von The Surviving Sky sind Ahilya und Iravan, zwischen ihren Perspektiven wechseln wir kapitelweise hin und her, lernen ihre unterschiedlichen Seiten kennen, was die Aspekte der Beziehung und Geschichte aus verschiedenen Blickwinkeln beleuchtet und das Geschehen kontinuierlich vorantreibt. Zwar haben beide Charaktere ihre Schwächen, die sie mal mehr mal weniger sympathisch oder nachvollziehbar erscheinen lassen. Rundum würde ich sie als gelungen und schlicht menschlich charakterisieren, denn auch im richtigen Leben macht nicht jede Entscheidung einer Person zu 100% Sinn.

Die Ehe-Krise, die schon auf dem Klappentext thematisiert wurde, war dabei jedoch „erfrischend anders“, als ich es erwartet habe. Sie ist nicht geprägt von üblichen Standard-Dramen, auch bedingt durch das Alter der Protagonist*innen und ihren 11 Jahren Ehe. Ihre Probleme sind erwachsener und komplex. Was insgesamt eine spannende Dynamik zwischen den beiden und ebenso für den Plot bedeutet. Beispielsweise ist die Frage nach einem Kind ein zentraler Punkt, denn ein Part der Beziehung ist bereit für die Elternrolle, während der andere es nicht ist. Neben der privaten Ebene dieser Entscheidung ist der Nachwuchs auch Bestandteil der materiellen Bindung, die direkt mit dem Architektendasein verbunden ist, um einer Exstase, also dem Zustand unkontrollierbarer Macht, entgegenzuwirken. An diesem Aspekt zeigt sich auch schön, wie die Autorin Ahilya und Iravan nicht nur mit ihren Eheproblemen allein in den Fokus stellt, sondern dass private Themen eine gesamtgesellschaftliche Relevanz im Roman abbilden. Eine sehr schön gestaltete Symbiose, die beiden Charakteren Raum einräumt für sich und zeitgleich auch die Geschichte um die fliegenden Städte.

Die Entwicklungen zum Ende des ersten Teils der Trilogie entfernen sich überraschend vom Ursprungsvibe von The Surviving Sky, was mich aktuell etwas unschlüssig zurücklässt, inwieweit sich das auf meine bisherige Lesebegeisterung dann im zweiten Teil auswirken wird. Die Ebene war mir, so blöd das bei einem phantastischen Buch klingt, etwas sehr phantastisch im Vergleich zur „Grundphantastik“ des Buchs. Aber da lasse ich mich gerne überraschen, wie sich alles weiterentwickeln wird und bin sehr gespannt auf den zweiten Band. Der hoffentlich bald einen deutschen EVT bekommt, der den aktuellen Platzhalter vom 1.1.2099 mit einem realistischen Datum ersetzen wird.

Fazit

Hinter The Surviving Sky von Kritika H. Rao versteckt sich ein überraschend komplexes und spannendes Buch, das kunstvoll eine phantastische Welt zeichnet, die durch die Augen von Ahilya und Iravan zum Leben erweckt wird. Das Konzept der Aschrams, der Trajektion und der Gesellschaft sind eng miteinander verknüpft, greifen tief ineinander und sind mit der Grund dafür, dass ein starkes Worldbuilding zum Vorschein kommt und begeistern kann. Die Geheimnisse und Erkenntnisse, die mit dem Fortschreiten der Geschichte zu Tage gebracht werden, sind bemerkenswert gut ins Gesamtkonzept eingeflochten.

Auch wenn die Entwicklungen zum Ende des ersten Teils der Trilogie vom ursprünglichen Pfad der Geschichte abzuweichen drohen, so überwiegt bei mir dennoch die Spannung, wie es mit den fliegenden Städten, den Erdstürmen, Yakshas und natürlich Ahilya wie auch Iravan wohl weitergehen wird. The Surviving Sky ist für mich von einem Zufallsfund zu einem Highlight avanciert, das trotz ein paar Schwächen einen richtig guten und vielschichtigen futuristischen Sci-Fi-Fantasy-Roman darstellt, den ich nicht nur ohne Unterbrechung gelesen habe, sondern auch gerne weiterempfehle.

Dieser Artikel ist erschienen bei: Zauberwelten-Online.de

The Surviving Sky - Die Rages-Trilogie 1

Nadine Kaiser

Text

Nadine ist in der Science-Fiction-Literatur zu Hau...

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