Der Weltraum fasziniert schon seit Beginn der Menschheit und übt schon auf unseren kleinen Nachwuchs eine große Faszination aus. Ebenso wie Piraten und das Erkunden endloser Weiten. Was läge näher als Raumschiffe und Piraten zusammenwerfen und ein schnelles Kinderspiel daraus zu entwickeln? Wenn dann auch noch umwerfendes Artwork wie das von Beatrix Bohony hinzukommt, ist der Spielehit doch eigentlich garantiert, oder?
Gerade im Kinderspielberech ist es oft eine Handvoll an Mechaniken, die immer wiederholt werden. Eine der bekanntesten ist wohl, dass ein Farbwürfel angibt, welche Bewegung ausgeführt wird. Tempo kleine Schnecke dürfte hierzulande so ziemlich jede*r einmal gespielt haben. Space Pirates greift diese Mechanik auf und versetzt sie nicht nur in den Weltall, sondern kehrt sie gewissermaßen um: Der Farbwürfel entscheidet nicht, welche Schnecke (oder welches Raumschiff) bewegt werden darf, sondern welche Farbverbindung zwischen den Planeten geflogen werden darf. Anstatt gemeinsam zu schauen, welche Schnecke zuerst ins Ziel kommt, spielen wir hier gegeneinander und versuchen jeweils die meisten Planeten anzufliegen. Denn diese haben – wie es sich für ein Weltraumpiratensetting so gehört – jeweils einen Schatz auf sich liegen, der beim erstmaligen Anfliegen eingesammelt wird. Sind alle Planeten leergeräumt endet das Spiel und vergleichen wir, wer am meisten Schätze sammeln konnte.
Die Regeln sind also schnell erklärt und ähnlich wie beim bereits genannten Schneckenspiel sind unsere Entscheidungen stark eingeschränkt. Es gibt je Planet nur eine Verbindung der passenden Farbe (manchmal sogar gar keine) und so müssen wir meist nehmen, was wir erwürfeln. Hier kommen aber die Schätze ins Spiel. Diese sind nicht nur Siegpunkte, sondern verfügen meistens über Spezialeffekte, die darin bestehen, den Farbwürfel in eine andere Farbe oder manchmal sogar eine Farbe der Wahl umzuwandeln. Da diese nur einmal genutzt werden können, folgen wir meist immer noch dem Würfelglück, können aber an entscheidenden Stellen einen Richtungswechsel vollziehen und so das Spiel ein bisschen kontrollieren.
Das aufgebaute Spielmaterial
Bereit zum Entern?!
Wer es bissiger mag, der*die darf anderen Spieler*innen auch die mühsam erbeuteten Schätze abluchsen: Wenn wir auf dem gleichen Feld landen wie ein anderes Schiff, wird je ein Sechseiter gewürfelt und wenn wir höher würfeln als das verteidigende Schiff, dürfen wir einen Schatz wählen und stibitzen. Ganz schön piratig!
Bei uns ist der Überfall jedoch sehr schnell abgeschafft worden, da bei unseren Spielen der Frust größer war als die Freude über das Erbeuten. Und das ist eine der Stärken des Spiels: Regelelemente lassen sich recht leicht hinzufügen oder wegnehmen. So kommt für erfahrene Spieler*innen etwa noch die Möglichkeit hinzu, auf manchen Planeten statt des gewürfelten Farbpfades eine Hängebrücke zu wählen, die zwei Planeten verbindet. Dann platzieren wir unsere Raumfahrerfigur auf dem angesteuerten Planeten und müssen diese in der folgenden Runde zurücknehmen. Wir verzichten also auf einen Zug, haben dafür aber etwas mehr Entscheidungsspielraum.
Bunter Kosmos
Am auffälligsten ist die großartige Aufmachung des Spiels. Beatrix Bohony gelingt es mit ihrem originellen Stil ein kindgerechtes Spiel zu gestalten, das auch Erwachsene anspricht. Wer keine Lust mehr auf quietschbunte Kinderspiele hat, findet hier eine gelungene Abwechslung. Und im besten Fall lädt die detailliert gestaltete Weltraumkarte sogar zum Phantasieren ein.
Auch das wiederum auf Plastik verzichtet wurde und großformatige Pappaufsteller mit eingeklebten Holzfüßen zum Einsatz kommen, ist eine willkommene Abwechslung zu oft plastikintensiven Kinderspielen.
Dellen in der Außenhülle
Dennoch habe ich wiederum an der Gestaltung kleine Kritikpunkte. So fallen die doch sehr großen Pappfiguren zu schnell um und erschweren die Übersicht über den eh schon etwas chaotischen Spielplan. Außerdem sind wiederum einige der Farben zu eng beieinander gewählt worden, was jedoch deutlich weniger ins Gewicht fällt als in der Geheimnisvollen Bibliothek und durch die Strichelung zweier Farben etwas gemildert wird. Auch schade ist die Tatsache, dass die Raumfahrer allesamt männlich sind. Gerade bei einem Kinderspiel fände ich jedoch wichtig, dass sich möglichst viele angesprochen fühlen.* Durch die recht humorvollen Zeichnungen ist die Identifikation mit einer der Figuren zwar kein großes Problem, es ist aber eine kleine vertane Chance, die ich gerade von einem so artworkintensiven Produkt erhofft hatte.
Die Spielfiguren in Nahaufnahme
Und auch ein weiterer Kritikpunkt der Bibliothek trifft auf die Raumpiraten zu: Die Regelbeschreibung ist unnötig kompliziert strukturiert und vergisst sogar eine zentrale Regel zu erklären. Die Kernregel, dass uns ein Schatz erlaubt, den Würfel in die aufgedruckte Farbe zu verwandeln, kann nur aus dem Kontext erschlossen werden. Laut Regelbuch gibt es einfach nur Joker. Und auch die Tatsache, dass wir die Raumfahrerfiguren nur in der erweiterten Variante brauchen, wäre zumindest einen kurzen Satz im Grundspiel wert gewesen. Solche kleinen Schludrigkeiten sind nach einer halben Partie ausgeräumt, machen den Einstieg aber unnötig kompliziert. Auch hier habe ich jedoch berechtigte Hoffnung, dass Shades of Home hier mit einer deutschsprachigen Regel zum Download nach hilft und vielleicht sogar noch eine Variante mehr mit an die Hand gibt.
Fazit:
Ich kann die Space Pirates für Weltraumfans, ab etwa 4 Jahren klar empfehlen. Auch wenn das Spiel kleinere Macken hat, überzeugt mich, dass wir hier überschaubare Entscheidungen treffen können, sowie die Modularität, mit der das Spiel komplexer gemacht werden kann. Es ist außerdem zweifelsohne ein Hingucker, der das Spiel auch ästhetisch von vielen anderen Kinderspielen abhebt. Space Pirates ist kein Geniestreich, aber ein solides Kinderspiel in ungewöhnlichem Setting, das allen kleinen Sci-Fi-Fans (und die es noch werden wollen) zu empfehlen ist. Sicherlich auch geeignet als etwas anderes Geschenk für brettspiel-affine Kinder.
*Nachträgliche Anmerkung: Tatsächlich ist die Coverfigur der Künstlerin zufolge weiblich, was die Kritik mildert. Wir haben sie jedoch nicht als solche wahrgenommen.
Das Produkt wurde kostenlos für die Besprechung zur Verfügung gestellt.
Dieser Artikel ist erschienen bei:
Zauberwelten-Online.de