In der goldenen Ära der Brettspiele, in der wir uns momentan befinden, ist es meist nur eine Frage der Zeit, bis sich populäre Marken aus Filmen und Videospielen über eine Brettspiel-Adaption freuen dürfen. Der Gedanke dahinter ist offensichtlich: Die Beliebtheit des Ursprungswerkes wird auf das Brettspiel übertragen und verleiht “Nicht-Brettspiel-Fans” einen ersten Einstieg in die haptische Spielewelt. So auch bei “Skyrim®: Das Abenteuerbrettspiel”. Einige der bekanntesten Fantasy-RPGs der Videospiele stammen aus den Computerspielreihen des US-amerikanischen Computerspielherstellers Bethesda Softworks. Sie entwickelten die “The Elder Scrolls” -Reihe, welche 1994 mit The Elder Scrolls: Arena begann. 2011 feierte sie mit dem fünften Teil, The Elder Scrolls V: Skyrim, einen noch nie zuvor dagewesenen Höhepunkt. Das Action-RPG gewann hunderte Preise und wurde auf etlichen Veranstaltungen zum “Spiel des Jahres” gekürt.
Das Original
Im originalen Videospiel Skyrim verkörpern die Spielenden das “letzte Drachenblut”, (im Original “Dragonborn”) - eine sagenhafte Gestalt, die die Fähigkeit besitzt, Drachen zu bezwingen und deren Kräfte zu absorbieren. Diese vom Schicksal auserkorene Figur geht auf eine epische Reise durch die titelgebende Provinz Skyrim, konfrontiert in etlichen Quests Mitglieder verschiedener Fraktionen und wird in einen Bürgerkrieg verwickelt. Selbst heute, über ein Jahrzehnt nach der Veröffentlichung, ist Skyrim für viele Computerspielende etwas Besonderes. Es gibt kaum Gamer, die dieses Spiel noch nicht gespielt oder nicht wenigstens davon gehört haben. Fans spielen es weiterhin und entwickeln immer neue Modifikationen (sogenannte Mods).
Entsprechend groß war die Vorfreude, als Ende 2021 Modiphius Entertainment ein (Brettspiel-)Abenteuerspiel zu Skyrim ankündigte. Obwohl dieser Spieleverlag vielen vor der Bekanntgabe kein Begriff war, wurde die folgende Crowdfunding-Kampagne über Gamefound ein voller Erfolg. Über 1,25 Millionen Pfund kamen so für Modiphius Entertainment zusammen.

Der Inhalt von Skyrim (ohne die Weltkarte, die es weiter unten zu sehen gibt)
Adaption als Brettspiel
Im Rahmen von Asmodées “Key New Releases” soll Skyrim®: Das Abenteuerbrettspiel bereits Anfang des zweiten Quartals 2024 im regulären Handel erscheinen. Werfen wir einen Blick auf die Adaption des epischen Computer-Rollenspiel Skyrim. Bietet es ebenfalls hunderte Stunden Spielspaß? Skyrim®: Das Abenteuerbrettspiel ist ein kooperatives Experten-Brettspiel für 1-4 Spielende. Für einen Vorbestellerpreis von etwa 120 Euro erhält man sechs Spielfiguren, ein großes Spielbrett, über 500 Karten, neun Würfel, zwei Ablagen, vier Charaktertafeln, fünf Schachteln sowie etliche Plättchen, Marker und Steine.
Die Spielenden verkörpern darin die Mitglieder des legendären Ordens der Klingen, welche einst das Reich Tamriel lange beschützten. Für eure Figuren wählt ihr eine von sechs Fraktionen aus: Orks, Hochelfen, die katzenartigen Khajiit, Kaiserliche aus der Mitte des Kontinents, Nord-Krieger aus den kalten Regionen oder Dunkelelfen. Durch das Besiegen von Feinden in Verliesen und das Meistern von Quests sammelt ihr Gegenstände wie neue Waffen oder mächtige Ausrüstung. Diese können im Anschluss verbessert oder verzaubert werden. In einer mitreißenden Geschichte rekrutiert ihr loyale Gefolgsleute und vereitelt die Machenschaften böser Wesen, die ganz Skyrim unterwerfen wollen.
Das Herzstück dieses Spiels sind die zwei Kampagnen, die euch in die Vergangenheit des Kontinents Tamriel führen. Denn die Handlung dieses Brettspiels setzt etwa 25 Jahre vor den Ereignissen des Videospiels an. Jede der beiden Kampagnen besitzt drei Kapitel, die jeweils etwa zwei Stunden dauern werden. Zudem gibt es einen “freien Modus”, in dem man ohne die bestimmte Zeitlinie der Kampagne Tamriel erkunden kann. Ferner bietet der “Wettkampfmodus” die Möglichkeit, gegeneinander um den Titel des wahren Helden von Skyrim zu streiten.
Bevor man einen beliebigen Modus annimmt, wird empfohlen, die kurzweilige Einführungsmission zu spielen. Dort werden die wesentlichen Regeln beim Spielen erklärt. Online kann man diese Mission zudem über den Tabletop Simulator auf Steam testen. Das Regelbuch dieses Abenteuerspiels ist, im Vergleich zur Einführungsmission, mit seinen 56 Seiten ziemlich lang ausgefallen. Der generelle Spielablauf dagegen ist recht simpel. Zunächst zieht eine Person eine Ereigniskarte. Nachdem dieses ausgeführt wurde, dürfen die eigenen Spielfiguren bewegt werden. Im Anschluss führt man am aktuellen Ort eine Aktion durch, dabei kann es sich zum Beispiel um Kämpfe in einem Verlies oder das Besichtigen einer Festung handeln…

Zwei bewaffnete Heldinnen in blauem Licht
Welchen Eindruck hinterlässt Skyrim®: Das Abenteuerbrettspiel nach dem Spielen?
Zuallererst muss vorangestellt werden, dass Skyrim® ein Spiel für den PC bleibt. Der Hype für die Umsetzung in ein Brettspiel war allzu verständlich und dennoch ist es nicht besonders einfach, ein Spiel für den PC in ein physisches Exemplar umzuwandeln. Sofern das erfolgreich gelingt, kann schon mal ein Titel “Spiel des Jahres” warten - wie es zuletzt das Brettspiel Dorfromantik erleben durfte (“Spiel des Jahres 2023”)! Wie also ist die Umsetzung bei Skyrim® ausgefallen? Wo gibt es Überschneidungen mit dem PC-Spiel und wo nicht?
Wer bisher nur das PC-Spiel kennt, für den wird der Einstieg in das Brettspiel nicht allzu leicht fallen. Das liegt an den Regeln, welche sehr ausführlich und damit lang sind, aber dennoch nicht alle Fragen beantworten. Hier hilft jedoch ein Blick auf gängige Spieleplattformen, wo sich bereits andere Spielende (meist auf Englisch) über die Auslegungen der Regeln ausgetauscht haben, sowie ins offizielle FAQ. Wer gerne Hausregeln entwirft oder bei Unklarheiten einfach selbst entscheidet, sollte mit diesem ersten Manko jedoch keine Probleme haben.

Von Nord bis Dunmer - eine vielfältige Charakterauswahl
Gut gelungen ist dagegen das Design der Charakterfiguren. Die sechs grauen Plastikminiaturen und die rote Verbündetenminiatur beleben den riesigen Spielplan. Dagegen wirken die Gegner winzig, denn anders als in der Kickstarter-Variante liegen hier keine weiteren Plastikminiaturen bei. Die Gegner, wie die Trolle, die Daedra, die Vampire und auch die Drachen, werden alle durch kleine Papierchips dargestellt. Das ist nicht so episch wie das PC-Spiel.
Auch an anderen Stellen darf man sich wundern: Skyrim besitzt eine große Schachtel, die jedoch nicht bis zum Rand gefüllt wurde, sondern Luft für die separat verfügbaren Erweiterungen bereithält. Die vielen Marker für das Brettspiel lassen ebenfalls zu wünschen übrig. So sind beispielsweise die Gold- und Pflanzenmarker farblich nur schwer zu unterscheiden und auf deren Rückseite sind andere Werte drauf, weshalb man es tunlichst vermeiden sollte diese versehentlich umzudrehen, da sonst eine falsche Zahl zum Vorschein kommt.

Die sechs spielbaren Figuren sowie die etliche Marker
Kann das Brettspiel mit dem PC-Klassiker mithalten?
Hat man sich mit diesen Kritikpunkten abgefunden, stellt sich die entscheidende Frage, wie das Spielgefühl ist. Denn darum sollte es neben all den Spielmaterialien hauptsächlich gehen, oder? Die erste der beiden Kampagnen ist ein gelungener Einstieg in die Welt. Das Schwierigkeitslevel ist nicht besonders hoch, sodass man auf keine großen Probleme stößt. Dankenswerterweise gilt in Skyrim ein “Fail-Forward”-System. Das heißt, dass man selbst beim Scheitern vorankommt. Verliert man ein Kapitel, so kann man dennoch mit dem nächsten Kapitel weiterspielen, jedoch ändern sich die Grundvoraussetzungen dafür.
In kleinerer Gruppe kommt man schneller voran, ist aber meist den Gefahren ohne Unterstützung ausgesetzt. Anders dagegen sieht es aus, wenn man in einer größeren Gruppe spielt. Denn das Spiel wird immer einfacher, je mehr Charaktere sich der Kampagne annehmen - die Schwierigkeit skaliert nicht mit der Anzahl der Spielenden. Wer sich nicht ausreichend gefordert fühlt, findet Regeln, um die Schwierigkeit anzuheben. Die spielerische Komplexität ist aber bei Skyrim (welches zwar als “Expertenspiel” beworben wird) nur zweitrangig. Die einzelnen Spielzüge erfordern keine große Mathematik und müssen meist vorher nicht optimiert oder abgesprochen werden. Vielmehr steht die Lust, neue Karten - insbesondere Feinde, Verbündete und Gegenstände - zu entdecken und Dungeons zu meistern, im Vordergrund.
Überhaupt lässt sich bei diesem Brettspiel viel erkunden. Neben persönlichen Quests spielen die sogenannten Welt-Quests eine Rolle. Diese sind für alle Spielenden zugänglich und bedürfen zum Lösen wenig Absprache. Gerade die persönlichen Quests erinnern an die PC-Vorlage. Das Erfüllen dieser Quests bereitet dann auch die meiste Freude. Die Standard-Belohnungen und Schätze für die Kämpfe sind sehr unterschiedlich und mitunter nicht so episch wie man es sich gewünscht hätte. Dafür fallen die Drachenschätze umso besser aus. Hat man einmal seine Ausrüstung aus Drachenschätzen zusammengestellt, scheint einem selbst ein Drache nicht mehr viel ausmachen zu können. man fühlt sich schier unverwundbar…
Die besonderen geschichtlichen Momente in Skyrim®: Das Abenteuerbrettspiel sind rar. Hier hätte mehr Storytelling auf den Karten gut getan. Wer die Welt aus dem PC-Spiel kennt, der mag auf einige bekannte Namen stoßen - für alle Neueinsteiger*innen aber sind die Namen und Nebenmissionen sehr austauschbar. Nach den zwei Kampagnen hat man dann noch die Möglichkeit, die Weltkarte im “Freien Modus” nach Belieben zu durchstreifen oder im “Duell Modus” gegeneinander zu spielen - dies jedoch ist eher als netter Bonus anzusehen, den es bei einem packenden Abenteuer nicht gebraucht hätte.

Die riesige Weltkarte von Himmelsrand und die gegnerischen Marker
Das Produkt wurde kostenlos für die Besprechung zur Verfügung gestellt.