Literatur

Shōgun – Der Weg zum vereinigten Japan

Zu Beginn des 17.Jahrhunderts haben ausschließlich katholische Portugiesen und Spanier Zugang zum lukrativen Handel mit Japan, welches sich nach dem Tod des Taikō in einem strategischen Machtkampf zwischen den mächtigsten Daimyōs befindet. Der Regentschaftsrat, der den Frieden und die Einheit Japans, sowie die Machtübernahme von Yeamon, dem noch nicht herrschaftsfähigen Sohn des Taikōs und der Dame Ochiba, gewährleisten soll, ist tief gespalten.

Als der englische Navigator John Blackthorne mit dem holländischen Schiff Erasmus auf der Halbinsel Izu an der südlichen Küste Japans strandet, verändern sich umgehend die Strategien und die Koordinaten eines vielschichtigen Konflikts, vornehmlich zwischen den beiden einflussreichsten Daimyōs Ishido und Toranaga.

Durch Blackthorne erfährt Fürst Toranaga, wie Portugal und Spanien die Welt untereinander aufgeteilt haben und dass sich Japan in dem von Portugal beanspruchten Herrschaftsgebiet befindet. Als Teil der Machtausübung und Inbesitznahme gehören die katholischen Missionen den Jesuiten, die bereits große Teile der japanischen Bevölkerung und auch zahlreiche Samurais zum Christentum bekehrt haben. Mit Hilfe der konvertierten Übersetzerin Toda Mariko versucht Toranaga mehr zu erfahren und befiehlt, dass Blackthorne, nunmehr Anjin-san genannt, innerhalb einer Frist die japanische Sprache und angemessene Verhaltensregeln zu erlernen hat. Schon bald wird der englische Navigator zu einer wichtigen Schachfigur im Machtspiel Japans und nur wer diese Figur richtig bewegen kann, wird am Ende überleben.

Ein schmaler Grat

„Vielleicht ist das der Grund, warum wir das Leben so sehr lieben, Anjin-san. Versteht Ihr, es bleibt uns gar nichts anderes übrig. Der Tod ist Teil unserer Luft, unserer See und unserer Erde. Ihr müsst wissen, Anjin-san, in diesem Land der Tränen ist der Tod unser Erbe.“ Dieser schmale Grat zwischen Leben und Tod, den die Dame Mariko beschreibt, zieht sich wie ein blutroter Faden durch den Roman von James Clavell. So beschreibt er auf der einen Seite ein bis auf das kleinste Detail fein ausbalanciertes japanisches Gesellschaftssystem, in der von Geburt an eine feste Rollenverteilung angenommen und gelebt wird, in der eine Teezeremonie, die Betrachtung eines Sonnenaufgangs oder dem Fallen des Regens eine ebenso große Bedeutung beigemessen wird, wie dem Übergang in die große Leere. Demgegenüber stehen im krassen Gegensatz die durch religiöse Konflikte geprägten Europäer, mit dem Selbstverständnis, die Welt kontrollieren zu wollen und zu können. Die Trümpfe der Europäer sind der Erfindungsreichtum, der Handel und das Wissen der Entdecker.

So stehen sich zwei Kulturen gegenüber, die sich jeweils moralisch und intellektuell dem anderen überlegen fühlen und nur der gegenseitige Nutzen hält diese zerbrechliche Beziehung intakt.

Die weiteren Überlebenden der Erasmus sind in diesem Fall der Elefant im Porzellanladen. Einzig John Blackthorne ist es vorbehalten, diesen schmalen Grat zwischen den Kulturen zu beschreiten. Sein Wissen als Navigator, seine Kenntnisse über die weltweiten Machtverhältnisse und die Tatsache, dass er ein Widersacher des katholischen Glaubens ist, machen ihn wertvoll und gefährlich zugleich.

Neuauflage nach Serienstart auf Disney+

Auch wenn ihr mit der Serienverfilmung oder sogar dem Buch schon vertraut seid, fasse ich an dieser Stelle kurz die Veröffentlichungen zusammen. Der erstmalig 1975 erschienene Roman Shōgun vom leider verstorbenen James Clavell (The Great Escape, The Fly) kann man getrost zu seinen Klassikern zählen. Mehr als eine Randnotiz ist es, dass Clavell 1944 in japanische Kriegsgefangenschaft geriet und seine Erfahrungen wahrscheinlich das authentische Element des Romans sind. Auch wenn die Charaktere und Handlungen fiktiv sind, so sind sie doch sehr nahe an tatsächliche Ereignisse und Personen aus dem Jahr 1600 und der Etablierung der Tokugawa-Herrschaft in Japan angelehnt.

Auf den Erfolg des Buches folgte 1980 die erste Serien-Verfilmung mit u.a. Richard Chamberlain, Toshirō Mifune und John Rhys-Davies (vielen vertraut als Gimli Glóins Sohn aus Herr der Ringe). Über vierzig Jahre später folgte die nun aktuelle Serien-Neuverfilmung von Disney, mit Hiroyuki Sanada, Anna Sawai und Tadanobu Asano. Und Daumen drücken: Erstmals soll die Serie über die Romanvorlage hinaus fortgesetzt und weitergeführt werden.

Im Zuge der Neuverfilmung erhielt der ursprüngliche Roman 2024 eine Neuauflage im Knaur Verlag, die bis auf grammatikalische Anpassungen und die aktuelle Rechtschreibung dem Original entspricht.

Kritik

Die Geschichte von Shōgun ist trotz seiner 50 Jahre seit der ersten Veröffentlichung in keiner Weise alt. Die Story fängt einen schnell ein, an den Schreibstil dockt man ebenfalls zügig an. Manchmal stockt man über einzelne Formulierungen, aber das macht das Buch durchweg interessant. Natürlich ist es mit den japanischen Namen nicht immer ganz einfach, da z.B. je nach Samurai-Rang bzw. familiärer Bande, die Namen für eine Person sich je nach Situation immer mal wieder ändern und verschieben. Für Japan-Interessierte und auch für alle, die die Serie geschaut haben, ist das natürlich kein Problem, aber man kann die Protagonist*innen und Antagonist*innen auch ohne diese Kenntnisse sehr gut unterscheiden.

Das Besondere an dem Buch ist, dass ein Roman heute anders aufgebaut und geschrieben wird. Der Charme des Buches liegt besonders in seiner teilweise nicht zeitgemäßen Schreibweise. Gewöhnlich versuchen Autoren und Autorinnen heute sehr prägnante und die Story treibende Dialoge und Handlungen zu kreieren, was manchmal einem Buch die Atmosphäre und Tiefe raubt, zugunsten eines schnell voranschreitenden Plots. Shōgun ist einfach ein gutes Plädoyer für mehr Neuauflagen.

Fazit

James Clavell versteht es, Spannung, Handlung und Charaktere so zu beschreiben, dass alles eine Wichtigkeit besitzt, ohne ins Klischee abzudriften. Jeder Dialog kann die Story in eine andere Richtung lenken, die Figuren haben teils Janusgesichter oder sind anderweitig vielschichtig. Der einzige Negativpunkt, der mir ab und zu aufgefallen ist – es tut mir Leid – sind die dauerhaften Entschuldigungen, die den förmlichen Umgangsformen geschuldet sind und beim Lesen schon das ein oder andere Mal etwas nerven können.

Ich glaube viele werden es kennen: Ein guter Film oder eine gute Serie nach Romanvorlage und man denkt: Dieses Buch muss ich unbedingt noch lesen. In diesem Fall kannte ich beide Serien und war jedes Mal begeistert. Und ich bin richtig froh, dass ich den Roman doch noch gelesen habe, da er einfach die kleinen Lücken füllt, die eine Serie nun mal nicht ausfüllen kann. Der Mehrwert besteht darin, dass man tief in die Gedanken der Charaktere schauen kann und die Handlungen, Abläufe und Motivationen viel besser versteht. Ein weiterer Pluspunkt des Romans ist der Mangel von Gewalt in einem unheimlich gewaltsamen und brutalen Setting. Dieses Kunststück muss man erst mal schaffen.

Das Produkt wurde kostenlos für die Besprechung zur Verfügung gestellt.

Dieser Artikel ist erschienen bei: Zauberwelten-Online.de

Shōgun - Der Weg zum vereinigten Japan

Bewertung

5

Positiv

Negativ

Frank Hainke

Autor

Weiterführende Links zu "Shōgun":

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Kommentare

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