Die Geschichte
Leser*Innen tauchen in eine arabesque Welt voller Intrigen, Magie und Mythen ein. Die Handlung des Werkes lässt sich grob in zwei Teile gliedern: die Einführung in die Welt und die Vorstellung der dort handelnden Charaktere sowie den Teil der Karawanenfahrt und die damit verbundene Suche nach dem legendären Artefakt. Unterdessen versteht es die Autorin, kleinere Nebengeschichten einzubinden, welche der Hauptgeschichte mehr Tiefe verleihen, indem die Leser*innen kontinuierlich neue Informationen zur Welt durch die Hintergründe der jeweils handelnden Protagonist*innen erhalten. Ein hervorzuhebender Punkt sind hier die Legenden und Sagen, welche von den sogenannten Geschichtenerzählern (weitgereisten Personen, die ihre Erlebnisse zum Besten geben) weitergetragen werden und auf mit Pergamentdesign bedruckten Seiten in das Buch eingeflochten sind. Die Übersetzer*innen hielten sich hier im Bezug auf das Wesen der Dschinn an die englische Originalfassung, in welcher manche von diesen als nicht-binäre Personen gekennzeichnet sind, sodass sich dies auch in der deutschen Übersetzung widerspiegelt (nicht-binärer Dschinn - dier Dschinn).
Die ProtagonistInnen
Die Erzählung ist aus der Sicht der verschiedenen Protagonist*innen geschrieben, die in dem Werk vorkommen – Loulie, Mazen und Aisha – wobei jeweils ein Kapitel einen Abschnitt der Geschichte bildet. Hierbei gelingt es der Autorin, das Wissen und die Gefühlswelten der einzelnen Personen klar und zugleich tiefgründig darzustellen, wodurch es den Leser*innen möglich wird, Empathie für alle Charaktere zu entwickeln. Dies wird durch den Umstand verstärkt, dass eine klare Definition von "guten" und "verwerflichen", bzw. "bösen" Handlungen nie wirklich gegeben wird, sodass es vielmehr den Leser*innen überlassen wird, über die Handlungen und Motive der Protagonist*innen zu urteilen. Persönlich ist mir positiv ins Auge gestochen, dass man trotz des Einblickes in verschiedene Handlungsstränge einiges an Information vorbehalten bekommt, sodass man als „allwissende*r“ Leser*in trotzdem nicht über alles Bescheid weiß und ein ums andere Mal überrascht wird, da die Kapitel kleiner Cliffhanger enthalten, oder Charaktere Dialoge außerhalb der beschriebenen Szene halten.
Spoiler!
Obwohl dem Leibwächter Loulies, Quadir, im Werk eine große Rolle zukommt, werden keine Kapitel aus seiner Sicht verfasst, da er, wie sich später im Werk herausstellt, ein Ifrit, einer der Dschinnkönige ist.
Loulie Al-Nazari macht im Werk eine starke Wandlung durch. Anfangs weiß man nicht viel über sie und ihre Vergangenheit, nur dass sie einen abgrundtiefen Hass auf die sogenannten "schwarzen Männer" hegt, welche ihre Familie umgebracht haben. Durch diesen Hintergrund geprägt begegnet sie uns als misstrauischer Charakter, der hinter einer harten Schale einen weichen Kern verbirgt. Egal welche Steine ihr als Hindernisse in den Weg gelegt werden, Loulie drängt stets vorwärts - und es macht sie umso menschlicher, dass sie sich ein ums andere Mal von ihren Gefühlen geleitet in gefährliche Situationen bringt. Im Laufe des Werkes beginnt ihre Fassade zu bröckeln, und sie wächst an den Ergebnisses der von ihr getroffenen Entscheidungen. Loulies Verbindung zu ihrem Leibwächter Quadir und zu Ahmed, einem Dschinnjäger, steuern neben ihren Rachegelüsten anfangs ihre Handlungsweise.
Aisha bint Louas ist im Vergleich zu Loulie nicht durch eine Drohung an die Mission gebunden, sondern durch einen Befehl und ein Versprechen an sich selbst. Sie ist eine der 40 Diebe des Königs, die unter der Führung von Mazens Bruder Omar stehen. Sie macht meines Empfindens nach im Buch die größte Entwicklung durch, da ihre persönliche Weltanschauung und Prinzipien komplett zum Gegensatz dessen werden, was am Anfang des Werkes gegeben war. Ihr stößt im Vergleich zu Loulie und Mazen, die ihre charakterprägenden Ereignisse bereits vor Beginn der Handlung erlebten, im Laufe des Buches der größte Schicksalsschlag zu. Zugleich ist sie neben Loulie das Bildnis einer starken Frau, die nach Unabhängigkeit strebt.
Mazen, der Prinz, ist ein Geschichtenerzähler, der mehr oder minder unfreiweillig an den Palast seines Vaters gebunden ist. Geprägt durch den frühen Tod seiner Mutter, verbringt er den Großteil seiner Zeit im Palast, unterbrochen von heimlichen Gängen in der Stadt Madinne. Er kann ohne schlechtes Gewissen als behütetes Nesthäkchen bezeichnet werden, das die Welt außerhalb nur aus Geschichten kennt und von deren Unnachgiebigkeit und Grausamkeit geschockt ist. Was ihn als Charakter jedoch so interessant macht, sind seine moralischen Werte und Vorstellungen, die im Gegensatz zu der seiner beiden weiblichen Begleiterinnen stehen. Er ist auch die einzige Person, deren Verwandte eine entscheidende Rolle im Verlauf der Geschichte spielen, bzw. diese antreiben.
Das Fantasywerk nimmt im ersten Teil rasant an Fahrt auf (wichtige Ereignisse folgen Schlag auf Schlag, welche sich im Mittelteil etwas ausläuft - wobei der rote Faden stets ersichtlich blieb - aber zum letzten Drittel des Buches wieder ansteigt. Chelsea Abdullah versteht es durch ihren Schreibstil, vorallem in Kampfszenen das Tempo anziehen zu lassen, wenn die Sätze kürzer und prägnanter werden, wohingegen bei allgemeinen Beschreibungen und den bereits erwähnten Legenden längere, ausgeschmückte Sätze verwendet werden. Dies gelingt gut, obwohl ein Großteil der Geschichte in der Wüste stattfindet, sodass sich jede*r Leser*in durch die bildlichen Beschreibungen eine gute Vorstellung der Welt machen, die auch nicht an ihrer Magie verliert, obwohl man nur von Sand umgeben ist.
Anzumerken ist, dass die Kämpfe relativ blutig vonstattengehen und das Buch, obwohl die Geschichte durchaus für die kleinster Leser*innen interessant sein kann, daher eventuell nicht für die Kleinsten geeignet ist.
Die Aufmachung
Als ich das Buch das erste Mal in die Hand nahm, wurde mein Blick direkt auf den Einband gezogen. Eine arabisch anmutende Stadtkulisse, mitsamt ihrer Zwiebeltürme und Paläste zieht sich um den unteren Rand – wie sich im Laufe des Werkes herausstellt, ist dies die Silhoutte der Sultansstadt Madinne.

Auf der Vorderseite über dem Schriftzug finden sich ein weiteres Objekt, welches in der Geschichte von großer Bedeutung sind: ein Kompass, in den einige Gestalten eingebunden sind – die Mitternachtshändlerin und Protagonistin Loulie, die Umrisse einer Stadt und ein Kamelreiter.

Nimmt man den Papier-Umschlag ab, kommt der eigentliche lilafarbene Einband zum Vorschein, der mit einem Goldmuster verziert ist.
Kritik
Das Einzige, was mir – aus absolut subjektiver Sicht – negativ aufgefallen ist, sind die Unterschiede der zwei Klappentexte (auf der Innenseite und Außenseite). Während der Außentext wenig über den eigentlichen Inhalt des Buches preisgibt, erfährt man aus dem Innentext mehr über eine Handlung, die im Werk erst später vorkommt, und große Auswirkungen auf den Rest des Geschehens hat. Hier hätte ich mir weniger „Spoiler“ gewünscht.
Alles in allem ist Der Sternenstaubdieb ein durchwegs zu empfehlentes Fantasybuch. Die Charaktere entwickeln im Laufe des Werkes eine gute Tiefe, sodass man sich als Leser*in stärker mit ihnen identifizieren kann. Der Schreibstil der Autorin ist angenehm zu lesen und die Geschichte macht insofern immer Lust auf mehr, dass so manches Kapitel mit einer Art Cliffhanger endet, woraufhin ich ein ums andere Mal weitergelesen habe, um zu erfahren, was weiterhin geschieht.
Da das Werk mit einem gewaltigen Cliffhanger endet, freue ich mich bereits auf den zweiten Teil.
Das Produkt wurde kostenlos für die Besprechung zur Verfügung gestellt.