Das anwesende Böse ist auf unsere Bildschirme zurückgekehrt. Ob es nun Zombies, Werwölfe, Vampire oder Hexen sind spielt mitlerweile keine Rolle mehr. Capcom ist über seinen Schatten gesprungen und hat seine altehrwürdige Horror-Serie einmal mehr neu erfunden. Längst vergessen ist der katastrophale sechste Teil, der den Tiefpunkt der Serie markierte. Mit Teil sieben schlüpften wir in die Haut des seitdem bekannten Charakters Ethan Winters und lösten das Rätsel um die grausame Familie Baker und den rätselhaften Verbleib unserer Freundin Mia. Teil acht führt die Geschichte fort und für die, die den siebten Teil noch vor sich haben, sei eine Warnung ausgesprochen: Spielt den Vorgänger zuerst und erfreut euch dann am neuesten Ableger: Resident Evil: Village.
Ende gut, Alles gut, denkt sich Ethan Winters, der nach den Ereignissen in Lousiana mit seiner Ehefrau Mia und Tochter Rose ein gemütliches Haus im Osten Europas (vermutlich Rumänien) bezogen hat. Allerdings befinden wir uns nicht im Epilog des siebten Teils, sondern im Prolog des achten und das bedeutet, dass es nicht immer so bleiben wird.
Verrat
Die Kleine ist im Bett und Frau Mia serviert das Abendessen. Die Stimmung ist angespannt, denn Mia mag nicht an die turbulenten Ereignisse des siebten Teils erinnert werden. Da geht das Licht aus. Ein Kugelhagel durchlöchert Mia und ein schwer bewaffnetes Einsatzteam stürmt das Haus. Niemand geringeres als Serienvetaran Chris Redfield betritt das Zimmer und entschuldigt sich für das, was er jetzt tut. Er schießt ein ganzes Magazin auf den leblosen Körper unserer Frau. Ehe wir erfahren können, warum unser Verbündeter uns so brutal hintergeht, werden wir und unsere Tochter Rose auf ruppige Weise gefangen genommen. Nach all dem was Chris für uns getan hat, war dies das Letzte was wir von ihm erwartet hätten. Die Antwort dafür erfahren wir, aber erst viel später, denn was uns nun erwartet könnte ein Gemeinschaftsprojekt zwischen Bram Stoker, Mary Shelley und H.P. Lovecraft sein. Und irgendwie schafft es Capcom tatsächlich einen Bogen zum Kanon der Serie zu schlagen. Allerdings muss man dafür auch manchmal mehr als ein Auge zudrücken, denn Capcoms Versuch den Kanon aufrecht zu erhalten, implodiert bisweilen an seiner wirren Komplexität und dem Versuch eine im Jahr 1996 begonnene Zombieapokalypse mit einer nach wie vor zivilisierten Welt zu verbinden, in der die Zombie-Pandemie nur geringe globale Auswirkungen hatte. Resident Evil Spiele finden immer in dem Jahr statt (Remakes/Remaster ausgenommen) in welchem sie zum ersten Mal erscheinen. Ist Resident Evil Village deswegen jetzt schlecht? Nein, absolut nicht! Resident Evil war schon immer so und als Fan erwartet man nichts anderes. Ich habe das Spiel inzwischen viereinhalb Mal beendet – und zwar auf allen Schwierigkeitsgraden – und ich hatte einen Heidenspaß dabei. Interessant dabei ist, dass dieser Spaß bei jedem Durchgang einen anderen Grund hatte.
Der erste Grund: Die Inszenierung
Ein Kapatenschloss, ein schauriges Dorf, Werwölfe, Vampire und Fischmonster klingen rein gar nicht nach dem Zombievirus von 1996, sondern nach einem Best-Off klassischer Horrorliteratur. Würden wir alles auf einmal zu Gesicht bekommen, wäre das wohl zu viel des Guten. Stattdessen widmet sich das Spiel jedem seiner Antagonisten in einem eigenen Kapitel. Die gigantische Lady Dimitrescu und ihre drei Töchter machen Ethan in ihrem Schloß das Leben schwer, bis wir ihren Schwachpunkt finden und den Spieß umdrehen. Dazwischen erkunden wir in einem spannenden Katz und Maus Spiel die hintersten Winkel des Schlosses, knacken Rätsel und sammeln Hinweise über den Verbleib unserer Tochter Rose. Gleich zu Beginn kommt das aus dem ersten Teil bekannte Herrenhaus-Feeling herüber und die hartnäckige Vampirlady erinnert an eine attraktivere Version des Mr.X aus Resident Evil 2, ohne ihn einfach zu kopieren, denn die blutsaugenden Damen haben eigene Beweggründe und Emotionen. Etwas, das der blaue Tyrant im Trenchcoat nicht besaß. Später erkunden wir den Keller einer verrückten Puppenspielerin. Da werden schaurig schöne Erinnerungen an den Klassiker Silent Hill wach. Der Grusel wird dadurch verstärkt, dass wir keine Waffe haben und nicht einmal wissen, ob wir unseren eigenen Augen trauen können. Später wird das Spiel actionlastiger und verschiebt die Dynamik des Gameplays in eine andere Richtung. Statt Horror erfüllt uns plötzlich Terror, als wir z.B. eine Festung voller Lykaner betreten und wir mit unserer knappen Munition einen schier endlosen Ansturm der Werwölfe aufhalten müssen. Zwischendurch kehren wir immer wieder in das namensgebende Dorf zurück um Hinweise auf die nächsten Schritte zu sammeln und vorher unerreichbare Zonen zu erkunden. Das Spiel mündet erwartungsgemäß in einen Showdown mit teils unerwarteten Wendungen und völlig überzogenen Szenen. Zu dem Zeitpunkt ist es aber schon egal, denn das Gameplay macht Spaß und nach dem ersten Durchlauf, der nach ca. neun Stunden vorbei ist, tritt Grund zwei in Kraft.
Der Zweite Grund: Sammeln und Erkunden
Bereits im ersten Durchlauf begegnen wir einem seltsamen Herren. Er nennt sich Duke, wiegt über 300 Kilo und verkauft uns Waffen, Munition und kocht sogar für uns, wenn wir ihm die Zutaten besorgen. Damit ist er eindeutig kommunikativer als der Händler aus dem vierten Teil. Er versorgt uns sogar mit Informationen und so ganz verstehen wir nicht auf wessen Seite er eigentlich steht, denn auch zu unseren Antagonisten pflegt er gute Geschäftsbeziehungen. Als essenzieller Plotcharakter sorgt er dadurch für so manche Logiklücke, da er überall zu sein scheint, wo wir uns erst mit Mühe hinkämpfen müssen. Legt man diese Inkonsistenzen beiseite, bietet der Duke uns jede Menge Anreiz das Dorf und seine Umgebung zu erkunden. Besiegte Gegner hinterlassen oftmals wertvolle Kristalle, die wir beim Duke gegen 'Lei' eintauschen können. Mit Lei kaufen wir Waffen und Waffenupgrades, die zum Ende hin sehr kostspielig werden können. Manche Waffen finden wir nur, wenn wir auf die Umgebung achten und Hinweise lesen. Da finden wir die Schlüssel zu einem Haus am anderen Ende der Karte oder setzen eine Halskette aus drei Komponenten zusammen, die wir an gut versteckten Ort finden, die wiederum nur mit bestimmten Hilfsmitteln zu öffnen sind. Ob wir ein Gebiet vollständig erforscht haben, erkennen wir auf der Karte. Rote Gebäude bergen noch immer unentdeckte Geheimnisse, blaue Gebäude sind vollständig erforscht. Nach dem ersten Spieldurchlauf schalten wir Herausforderungen frei. Bestehen wir diese, können wir neue Waffen freischalten und diese mit unendlich Munition versehen. Und hier ergibt sich der dritte Grund.
Der dritte Grund: Herausforderungen
Die Munition ist kein Problem mehr? Dann versucht das Spiel doch mal auf dem 'Dorf der Verdammten'-Modus. Hier gibt es keine Checkpoints und Gegner bringen euch so gut wie auf der Stelle um. Oder wie wäre es mit einem Speedrun unter drei Stunden, einem Durchgang ohne etwas zu kaufen oder ohne sein Inventar zu benutzen? Zugegeben, ab hier werden nur noch Profis angesprochen und vielleicht ist es gut, dass die Geschichte nach dem ersten Durchlauf nur noch rudimentäres Beiwerk ist, das man überspringen kann, so dass ein großer Wert auf das Gameplay gelegt werden konnte. Hier können wir übrigens nach dem ersten Durchlauf wieder den beliebten Söldnermodus freischalten. In bekannten Umgebungen, versuchen wir hier Bestzeiten und Komboketten zu überbieten. Auf Konsolen ist das Autoaiming hier übrigens standardmäßig deaktiviert, so dass die Maus & Tastatur Steuerung am PC drastische Vorteile bietet, die Controller nicht haben.
Schaurig schöner Themenpark
Das Setting versetzt uns mit malerischer Grafik, die auf Next Gen hervorragend aussieht und auf den alten Konsolen angenehm flüssig läuft in eine Umgebung, die auch ohne die Geschichte atmosphärisch ist und uns nach dem ersten Durchspielen zu einem neuen Durchlauf ermuntert. Hauptprotagonist Ethan Winters wirkt trotz seines fehlenden Gesichts deutlich plastischer als noch im siebten Teil. Mehr Dialoge, Emotionen und die Verbindung zu seiner Familie geben ihm mehr Seele. Dennoch bekommt man ihn aufgrund der 1st-Person Sicht auch in Village wieder nicht zu Gesicht. Dafür sehen wir die Welt durch seine Augen und sind näher am Geschehen. Für Spieler mit Hang zur Motionsickness ist Resident Evil Village allerdings nicht zu empfehlen, da Ethan ein auf Konsolenbildschirme ausgelegtes Sichtfeld hat. Auch VR-Fans müssen dieses Mal leider draußen bleiben, da VR-Headsets im Gegensatz zum Vorgänger nicht unterstützt werden.
Fazit
Resident Evil Village will zwar noch immer ernst klingen, die überzogenen Actionsequenzen wären als Film aber bestenfalls ein trashiger, unterhaltender B-Movie. Das spaßige Gameplay mit seinen Anreizen zum Entdecken und Sammeln, sowie die zahlreichen Herausforderungen heben das Spiel jedoch über den Durchschnitt. Der Anreiz zum erneuten Durchspielen streckt die Spielzeit enorm. Wer auf eine anspruchsvolle Geschichte verzichten kann und sich lieber von einer malerisch, surrealen Landschaft aus der düsteren Phantasieliteratur verzaubern lassen will, wird mit Resident Evil Village viele Stunden Spaß haben.
Das Produkt wurde kostenlos für die Besprechung zur Verfügung gestellt.
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