Die Vorgeschichte
Dabei hatte Capcom im selben Jahr mit Resident Evil Revelations für den 3DS bewiesen, dass sie ihre alten Tugenden nicht verlernt hatten. Der Erfolg des Handheldablegers führte letztlich zu einer Portierung für die großen Konsolen. Um beide Zielgruppen zufriedenzustellen, beschloss Capcom, die Revelations-Reihe für die alten Fans zu entwickeln, während nummerierte Ableger auf Action setzen werden, um die Masse an Shooterfans zu bedienen.
Die große Vorlage für Revelations 2 ist nicht das altbewährte Original von 1996, sondern der im Jahr 2005 erschienene vierte Teil, der die Resident Evil-Reihe endgültig in die dritte Dimension versetzte. Wir steuern den Charakter aus der Schulterperspektive und zielen manuell, Munition gibt es nicht im Überfluss. Die Gegner weichen gekonnt aus – oder schlucken ganze Magazine, bevor sie den Löffel abgeben. Doch Revelations 2 macht noch etwas richtig, was sein nummerierter Vorgänger nicht bieten konnte: Es gibt tatsächlich Ruhepausen und Rätsel. Diese sind zwar nicht besonders fordernd, aber sie sorgen für Spannung und Atmosphäre. Wir fühlen uns tatsächlich wie in einem Survival-Horror-Titel und nicht wie in einer Schießbude.
Die Episoden
Capcoms eigener Stil, die Geschichten zugunsten des Rankingsystems in Kapitel zu unterteilen, führte schließlich zu einem neuen Trend: das Episodenformat. Bevor die Retailversion am 20. März erschien, wurden vier Episoden mit jeweils zwei Kapiteln im wöchentlichen Rhythmus veröffentlicht.
Episode 1
Mit Claire Redfield treffen wir eine alte Bekannte wieder, die mit der Organisation Terra-Save den Schaden begrenzen will, den der weltumspannende Bioterrorismus der letzten Jahrzehnte gefordert hat. Neu dabei ist die junge Moira Burton, Tochter von Ex-S.t.a.r.s.- Mitglied Barry Burton aus Teil eins. Die Eröffnungsfeier wird jäh unterbrochen, als eine Spezialeinheit auftaucht und das gesamte Personal entführt. Als wir in der Haut von Claire aufwachen, finden wir uns in einem Gefängnis wieder. Wir wissen nicht, wo wir sind oder was es mit dem rätselhaften sprechenden Armband auf sich hat. Auf der Suche nach Antworten stoßen wir auf die ersten Zombies und Mutanten. Das Ziel: Von der Insel entkommen oder zumindest einen Hilferuf absetzen.
Der Hilferuf erreicht die Zivilisation erst etliche Monate später. Barry Burton steuert die Insel an, um seine Tochter zu retten. Als er ankommt, trifft er auf Natalia, ein geheimnisvolles Mädchen im Nachthemd samt Stofftier. Offenbar weiß sie, wo Moira stecken könnte …
Die erste, relativ kurze Episode stimmt perfekt auf das Spiel ein und dient gleichzeitig als Tutorial. Das Spielsystem setzt auf Kooperation, denn nur eine Figur kann jeweils Waffen benutzen. Die andere Person hat die Fähigkeit, Gegner kurzzeitig zu lähmen und versteckte Gegenstände zu finden. Moira nutzt eine Taschenlampe zum Blenden und kann mit ihrem Brecheisen Türen öffnen und Gegner im Nahkampf verletzen. Natalia ist klein und kann durch kleine Löcher in der Wand klettern. Ihre Fähigkeit, Gegner durch die Wände zu spüren, ist nützlich, jedoch in Episode 1 noch entbehrlich. Wird sie attackiert kann, sie Gegner mit einem Ziegelstein verletzen. Dennoch sollte man sie nicht zu lange alleine lassen. Revelations 2 setzt auf Cliffhanger und bereits Episode 1 lässt uns ungeduldig auf die nächste Folge warten.
Episode 2
Claire und Moira treffen auf andere Mitglieder von Terra-Save. Die Gruppe findet einen Helicopter, der sie alle von der Insel bringen könnte, doch die Situation gerät außer Kontrolle. Die Überlebenden müssen fliehen und werden weiter ins Landesinnere getrieben. Genau dorthin, wo die geheimnisvolle Stimme aus dem Armreif sie haben will.
Barry folgt weiterhin Moiras und Claires Spur. Wie auch in der vorherigen Episode laufen wir durch bekannte Areale, die sich aber jetzt ein wenig verändert haben. Oftmals müssen wir Umwege gehen, dafür kann Natalias nun zu bislang unerreichbaren Orten krabbeln. Aber Natalia hat noch einen weiteren lebensrettenden Vorteil: Sie sieht die Silhouette eines für Barry unsichtbaren Gegners, bei dem der bloße Kontakt das sofortige Aus bedeutet. Nur durch das ständige Wechseln zwischen den Charakteren können wir ihn lokalisieren und besiegen.
Resident Evil kehrt zum Horror zurück. Selbst Capcom wollte zum Start von Resident Evil 6 nicht mehr an dieses Konzept glauben. Doch der Beginn der Episode lässt mit seiner Verteidigungsmission des Hauses sogar Erinnerungen an Resident Evil 4 wach werden. Dennoch lässt auch Episode 2 noch die Rätsel vermissen, die Resident Evil einst ausmachten.
Episode 3
Alles ändert sich mit der dritten und vorletzten Episode. Wem die bisherigen Folgen zu kurz waren, kann aufatmen: Mit den nun großzügig verteilten Rätseln ist Episode 3 nicht nur doppelt so lang wie 1 und 2, sondern erfordert auch Denkmuskeln und Taktik. Sehr schwer sind die Rätseln nicht, aber sie wecken Erinnerungen an alte Zeiten. Einmal müssen wir Schlüsselitems besorgen, um eine Tür zu öffnen. Um an die Items zu kommen, müssen wir mit geschredderten Tierkadavern den Pegel eines Tanks erhöhen. Ist dieser hoch genug, wird das Item herausgespült. In dieser Situation fühlten wir uns wie in einem Saw-Film. Woanders müssen wir einen Schlüssel aus dem Schnabel einer Statue entfernen. Der konventionelle Weg stellt sich dabei als nutzlos heraus, aber es gibt immer einen anderen Weg. Episode 3 erläutert nun auch endlich, was das Revelations im Titel besagt. Der Hintergrund der Entführungen und die Absichten der ominösen Antagonistin werden langsam offenbart.
Das furiose Finale des ersten Teils der 3. Episode birgt noch eine weitere Überraschung, deren Entscheidung weitreichende Folgen haben wird. Um was es sich dabei genau handelt, wollen wir hier nicht verraten. Es sei nur erwähnt, dass man Chancen ergreifen sollte, wenn sie sich ergeben ...
Episode 4
Der letzte Teil beginnt schockierend: Nach einem adrenalingeladenen Intro folgt die Ruhe nach dem Sturm. Wir müssen erneut Rätsel lösen, dabei wird die Klasse der Rätsel aus Episode 3 nicht mehr erreicht. Dafür erleben wir erneut die eine oder andere Hommage aus früheren Teilen – und dann endet es. Das Ende kann je nach Spielablauf entweder mit einem zufriedenen Lächeln oder mit einem offenen Mund enden. Aber das ist kein Beinbruch, denn wem das Ende nicht so recht gefällt, der kann es ja nochmal versuchen.
Einmal ist keinmal
Capcom motivierte mich tatsächlich zum erneuten Durchspielen. Zum einen wurden während des ersten Durchlaufs viele Items übersehen und zum Anderen kann durch eine bessere Leistung das Ranking verbessert werden. Wir erkaufen uns von den eingesammelten Juwelen bessere Skills und können den Gegnern dieses Mal kräftig einheizen. Oder man versucht sich an einem härteren Schwierigkeitsgrad. Es lassen sich übrigens noch weitere Extras wie Kostüme und Waffen freischalten, die Preise dafür sind aber recht hoch. Das kann das Sammeln von Punkten schon einmal in einer endlosen Grindorgie enden. In manchen Durchgängen finden wir statt Juwelen nur Verbrauchsgegenstände, die das knapp bemessene Inventar vollmüllen. Wer kräftig übt und bestimmte Defensivattacken nutzt, bekommt aber zumindest ein paar Boni fürs Skill-Portmonee. Nach einmaligem Durchspielen hat man übrigens die Möglichkeit, die Level unter besonders schwierigen Umständen, wie zum Beispiel mit unsichtbaren Gegnern, zu meistern.
Die Retailversion bringt noch zwei weitere Bonusepisoden mit sich, in denen man die zwei Erzählstränge von Moira und Natalia abseits der Hauptgeschichte durchspielt. Während Moiras Episode dem actionorientierten Raidmodus (siehe unten) ähnelt, wirkt Natalias Episode eher wie ein Stealthgame. Von der Atmosphäre erinnert es sogar ein wenig an Silent Hill.
Raidmodus
Zu guter Letzt beschert uns Capcom noch den Raidmodus. Dieser Modus, der auch online spielbar ist, lässt uns Herausforderungen absolvieren. Das Skillsystem ist getrennt von der Kampagne, man steigt im Level auf und hat so bessere Chancen. Sämtliche Medaillen bekommt man aber nur, wenn man die Herausforderungen auf der empfohlenen Levelstufe absolviert. Um gegen die starken Gegnermassen eine Chance zu haben, sammelt man Waffen und Waffenupgrades, die trotz eines niedrigen Levels höheren Schaden anrichten. Wer die Herausforderungen nicht alleine schafft, kann auf den Konsolen sowohl den Raidmodus als auch die Kampagne im Zweispieler-Splitscreen spielen. Die PC-Version bietet dieses Feature leider nicht. Ein gleichwertiges Gegengewicht zur Hauptkampagne ist der Raidmodus übrigens nicht. Als Spielverlängerung taugt er jedoch allemal.
Fazit
Capcom geht im Episodentrend durch kurze Veröffentlichungsintervalle mit gutem Beispiel voran. Die Spannung bleibt erhalten, auch wenn die Story, wie in jedem Resident Evil, doch etwas trashig ist. Da kann sich Telltale mit seinem Veröffentlichungszeitraum von fast 8 Wochen pro Episode eine Scheibe von abschneiden. Dank des Belohnungssystems schafft es Resident Evil Revelations 2 auch noch Wochen nach dem Durchspielen spannend zu bleiben. Das Spiel ist niemals unfair und punktet mit einem interessanten Koop-Modus. Das einzige, was ich mir für einen neuen Teil noch wünschen würde, ist eine zeitgemäßere Optik. Durch den Multiplattformrelease wirkt das Spiel wie ein Titel der letzten Generation.
Bleibt nur eine letzte Frage: Capcom, warum wollt ihr eure Hauptserie mit sinnloser Action zumüllen? Resident Evil Revelations 2 rettet die Seele der früheren Teile in die Gegenwart. Das ist genau das, was die Fans wollten!
Resident Evil Revelations 2
(Capcom)
Plattformen: PS4, XBoxOne, PS Vita, PS 3, Xbox360, PC (Windows)
Webseite: Resident Evil Revelations 2
Das Produkt wurde kostenlos für die Besprechung zur Verfügung gestellt.