Nach etlichen Fortsetzungen, Reboots, Spin-Offs und mittelklassigen Hollywoodfilmen ist die Resident-Evil-Reihe ein konfuser Haufen Geschichten, deren Qualität von nostalgisch, phantastisch und unheimlich bis verwirrend, trashig und lächerlich fluktuiert. Für die heute wohl um die 40 Jahre alten Besitzer der Playstation 1 (alle Teile waren ab 18 Jahren) sind das Resident-Evil-1- und 2-Remake wohlig schauernde Erinnerungen an die 90er Jahre Spieleevolution.
Doch vor dem alles verändernden vierten Teil für den Nintendo Gamecube im Jahr 2005 kam im April 1999 noch ein letzter Ableger mit Ex-S.T:A:R:S-Mitglied Jill Valentine, der die Raccoon-City-Trilogie abschloss: Resident Evil: Nemesis.
Ein schweres Erbe
Schon das Resident-Evil-2 Remake brach im vorigen Jahr mit der veralteten 90er-Steuerung der unbeholfenen 3D-Figur vor vorgerenderten Hintergrund. Capcoms hauseigene RE-Engine zauberte das Racoon City Police Department in die dritte Dimension und schaffte es letztes Jahr, uns mehrere Stunden im Labyrinth der zombieverseuchten Polizeiwache herumirren zu lassen, um einem unberechenbaren Tyrant namens Mr. X regelmäßig in die Finger zu laufen. Als nun der dritte Teil ebenfalls erneuert werden sollte, war die Freude groß. Allerdings war Nemesis schon damals nicht als der beste Teil der Reihe bekannt. Der zweite Teil hatte die Messlatte hochgesetzt. Deutschland wusste davon offiziell nichts, denn Resident Evil 2 wurde hier indiziert. Deutsche Spieler bekamen somit nur Teil 1 und 3 zu Gesicht. Seit letztem Jahr ist die Bildungslücke geschlossen und Teil 2 vom Index genommen worden. Und erneut wurde die Messlatte hoch gehängt. Dieses Mal auch in Deutschland.
Wir übernehmen die Rolle von Jill Valentine, die wir bereits im ersten Teil steuern konnten, als sie noch Mitglied der Sondereinheit S.T.A.R.S. war. Im Gegensatz zu Claire Redfield und Leon S. Kennedy spielen wir also keine Allerweltsperson, sondern einen Charakter, der die dunklen Machenschaften der Umbrella Corporation bereits kennt und ans Licht bringen will.
Brachialer Einstieg
Während ihrer Ermittlungen bricht in Raccoon City die Hölle los. Das T-Virus wurde freigesetzt. Die Bewohner der Stadt verwandeln sich in Zombies und töten alles, was sie zwischen die Zähne bekommen. Jill bleiben nur Sekunden, bis ein gigantisches Monster durch die Wand bricht und sie gnadenlos verfolgt. Die Biowaffe Nemesis hat es auf die letzten S.T.A.R.S.-Mitglieder abgesehen. Sie hat nur eine Mission: Die einzigen Zeugen zu beseitigen, die Umbrella gefährlich werden können. Jills Rettung kommt von unerwarteter Seite. Carlos Oliveira von Umbrellas hauseigener Spezialeinheit U.B.C.S. rettet Jill das Leben. Von nun an arbeiten die beiden zusammen, denn auch Carlos scheint seinen Arbeitgeber nicht ganz zu durchschauen.
Der actionorientierte Einstieg zeigt bereits die klare Richtung, die Resident Evil einschlägt. Mehr als im Vorgänger stehen adrenalingeladene Passagen im Vordergrund. Gerade zu Beginn des Spiels überrascht uns der Tyrant mehrmals und verfolgt uns durch die engen Gassen. Allerdings sind diese Szenen allesamt gescriptet, was vor allem beim zweiten Durchgang deutlich wird. Damit wir den Klauen der Zombies und Mutanten entkommen können, gibt es nun eine Taste zum Ausweichen. Drücken wir diese im richtigen Moment, können wir gleich mit einer Zeitlupensequenz kontern. Vermasseln wir diesen Moment völlig oder vergessen auszuweichen, bestraft uns das Spiel oftmals mit einer selbstablaufenden Sequenz, in der wir gebissen werden oder sogar sterben. Das wurde in früheren Ablegern, wie Teil 4, 5 und 6 fairer geregelt, in denen wir z. B. per Roundhousekick eine Nahkampfattacke auslösen konnten, wenn die Munition gerade rar wurde oder das Magazin ausgewechselt werden musste.
Zwei Perspektiven
Ab und zu wechseln wir in die Haut von Carlos. Mit dem Sturmgewehr bewaffnet kämpfen wir mit ihm in der Regel eher gegen Massen von normalen Gegnern, während Jill sich dafür öfter mit Bosskämpfen gegen den Nemesis konfrontiert sieht, dafür aber weniger Standardgegner antrifft. Separate Kampagnen wie bei Leon und Claire im Vorgänger gibt es nicht. Da die Ereignisse zeitgleich mit denen von Resident Evil 2 stattfinden, ist es besonders interessant, wenn wir bekannte Orte, wie die Polizeiwache erneut besuchen. Nun wissen wir, warum die Umkleide im zweiten Stock ein gigantisches Loch in der Wand hatte, als Leon S. Kennedy in RE2 sie betrat. Carlos hatte sie nur wenige Minuten zuvor gesprengt, um einen versperrten Durchgang freizulegen. Kleine Logiklücken, in denen Munitionsschränke und Tresore für den dritten Teil wieder aufgefüllt wurden, dienen nur der Erleichterung des Gameplays und spielen erzählerisch keine Rolle.
Über das Steuerkreuz können wir drei Waffen zur Schnellauswahl bereithalten. Viele Waffen gleichzeitig können wir aber ohnehin nicht ausrüsten, da unser Inventar serientypisch stark begrenzt ist und wir zu den Waffen auch passende Munition mitführen müssen. Heilkräuter und Schlüsselitems füllen unser Inventar ruckzuck auf. Zum Glück gibt es in jedem Speicherraum auch eine Truhe in die wir überflüssige Dinge auslagern können.
Nach dem Spiel ist vor dem Spiel
Nach dem erstmaligen Durchspielen schalten wir einen Shop frei, in dem wir neue Boni und Waffen freischalten können. Die dafür erforderlichen Punkte erspielen wir, indem wir Herausforderungen absolvieren. Durch die relativ kurze Spielzeit von ca. drei bis vier Stunden fühlt man sich zu Speedruns ermutigt. Aber lohnt sich der Vollpreistitel denn bei so einer kurzen Spielzeit?
Das hängt davon ab, ob man Resident Evil 3 lediglich wegen seiner Story durchspielen möchte oder die Herausforderungen abarbeiten möchte.
Und dann wäre da noch Resident Evil Resistance. Dieser asynchrone Multiplayer ist, wie das Hauptspiel, optional installierbar, was ein hervorragender Schachzug von Capcom ist, da wir massig Speicherplatz auf der kleinen Festplatte sparen können, wenn wir nur eines von Beidem spielen wollen.
In Resistance übernehmen wir die Rollen von vier Überlebenden mit spezifischen Talenten. Als Gegenspieler schlüpfen wir in die Rolle eines Umbrella-Masterminds, das unserer Gruppe alle möglichen Wellen von Gegnern entgegenschickt und einige von ihnen (darunter Nemesis oder Mr. X) sogar selber steuern kann.
Unsere Gruppe an Überlebenden hat ein gewisses Kontingent an Zeit, in dem es die Stage bewältigen muss. Besiegte Gegner geben uns zusätzliche Zeit, wohingegen die Gegner unser Zeitkonto dezimieren, wenn sie uns überwältigen.
Das Mastermind überwacht die Räume per Kamera und platziert strategische Fallen und Gegnerwellen. Arbeitet die Gruppe nicht perfekt zusammen, ist an einen Sieg quasi nicht zu denken. Zufällige Mitspieler ohne die Möglichkeit der Absprache haben keine Chance. Das hat einen Grund: Im Gegensatz zu anderen asynchronen Multiplayern wie Dead by Daylight oder Predator: Hunting Grounds hat das Mastermind weder sein eigenes Ableben zu befürchten, noch können sich seine Opfer vor ihm verstecken. Dieser Vorteil sorgt für ein eher unausgeglichenes Balancing, sodass die meisten Überlebendengruppen es kaum weiter als bis ins zweite Level schaffen, wenn sie die Hindernisse nicht wie im Schlaf überwältigen können oder das Mastermind nicht sein volles Potenzial ausschöpft.
Optisch und akustisch ist Resident Evil 3 ein spektakuläres Remake, das sich nicht vor Resident Evil 2 verstecken muss. Der stärkere Fokus auf Action sorgt mitunter für arcadigere Passagen in denen wir z. B. auf rote Fässer zielen, um möglichst viele Feinde auszuschalten. Eine absurde Action-Achterbahnfahrt wie Resident Evil 6 ist Resident Evil 3 allerdings nicht. Hier sorgen auch ruhigere Abschnitte für spannende Momente, in denen wir nicht wissen, ob etwas im Dunklen lauert oder nicht. Kenner des Originals werden viele Passagen aus dem Original vermissen. Die Auftritte des Nemesis sind weniger, aber dafür brachialer.