Andreas Giesbert (Zauberwelten-Online): Liebe Annette, schön dass du Zeit für einen kleinen Genretalk gefunden hast. Du bist Autorin von mittlerweile drei Romanen und zahlreichen Kurzgeschichten. Deine Wurzeln liegen im Rollenspiel und du bist Redakteurin bei Zauberwelten-Online. Bevor wir zur Queeren Phantastik kommen: Stell dich uns doch einmal kurz vor und was dich an der Phantastik begeistert.
Annette Juretzki: Moin – und ohje! Ich bin doch immer so schlecht bei Vorstellungsrunden … Aber dann wollen wir mal: Ich bin Annette, in Polen geboren, in Norddeutschland aufgewachsen, habe Religionswissenschaft studiert und mache nun irgendwas mit Medien. ;-)
Ich bin eine leidenschaftliche Eskapistin und genau deshalb bereits in der Kindheit zur Phantastik gekommen – und seitdem wollte ich dort nie wieder weg. Egal ob Fantasy oder Science Fiction, mich faszinieren vor allem die fernen Welten, also fremde Planeten oder neu erschaffene Kontinente, denn ich liebe es, mich in etwas Neues, komplett Anderes hineinzudenken, anstelle nur ein paar Rädchen an unserer Welt zu ändern.
Andreas (ZWO): Fangen wir heute doch einmal ganz vorne an. Was Fantasy und Phantastik sind, wissen unsere Leser*innen vermutlich. Auch „Queer” dürfte mittlerweile den meisten etwas sagen. Was kommt denn raus, wenn ich beides vermische. Was ist Queere Phantastik? Seit wann gibt es das Sub-Genre, sofern es überhaupt eins ist?
Annette: Queere Phantastik ist für mich kein Sub-Genre und ich glaube, es ist der falsche Weg, wenn wir es so bezeichnen. Schließlich ist mit Queerer Phantastik ja nur gemeint, dass queere Menschen ganz selbstverständlich Teil der Welt und der Handlung sind – oder anders gesagt: Es ist Phantastik, die nicht in einem Paralleluniversum stattfindet, in dem alle Menschen heterosexuell bzw. cis-geschlechtlich sind, um nur einmal zwei queere Aspekte zu nennen. Denn dieses Paralleluniversum war lange Zeit der Standard in der Phantastik, doch ist es inzwischen nicht bloß langweilig und ausgelutscht, sondern schlicht auch unrealistisch. Denn Queerness existiert, seit es Lebewesen gibt – und trotzdem tut die Phantastik gern auch heute noch so, als wären queere Menschen eine Erfindung der Moderne, die nicht so recht in eine altertümliche Fantasy-Gesellschaft passen. So als wären z. B. Achilles und Patroklos nie erdacht worden oder als hätte eine Königin Christina von Schweden nie gelebt.
Andreas (ZWO): Den Eindruck kann ich teilen. Gehen wir aber noch einen kleinen Schritt zurück. Was ist denn "Queerness" für dich?
Annette: Auch wenn ich es nicht so mit Definition habe, würde ich auf jeden Fall betonen, dass Queerness ein Spektrum ist, das viele Aspekte umfasst. Dass nicht alle Menschen heterosexuell sind und es auch transgeschlechtliche Menschen gibt, dürfte den meisten dank der verbreiteten (wenn auch veralteten) Abkürzung LGBT* bekannt sein. Queerness umfasst aber mehr als nur das Geschlecht der Person, zu der ich mich hingezogen fühle, oder ob mein eigenes Geschlecht mit dem Ersteintrag auf meiner Geburtsurkunde übereinstimmt. Zum queeren Spektrum gehören auch alle Geschlechter jenseits der Binarität von Mann und Frau, ebenso wie auch aromantische und asexuelle Menschen queer sind und Beziehungsdynamiken, die mehr als nur zwei Personen umfassen, queer sein können.
Andreas (ZWO): Wie kann man denn Queere Phantastik mit anderen Genres zusammenbringen? Handelt es sich oft um Young- oder New-Adult-Romane, oder ist die Queere Phantastik selber genreübergreifend?
Annette: Queere Phantastik ist kein neues Sub-Genre, das Queerness zur Phantastik hinzufügt, sondern beschreibt Phantastik, die Queerness nicht länger verleugnet. Selbstverständlich ist das genreübergreifend und auch nicht bloß auf die Phantastik beschränkt. Ich rede jetzt bloß über Phantastik, weil ich selbst Phantastik schreibe, über den Stand in anderen Genres können die dortigen Autor*innen sicher besser Auskunft geben.
Im Grunde ist ja Queerness auch nur ein Teilaspekt dessen, was mit Diversität oder Inklusivität bezeichnet wird: Zu keiner Zeit der Menschheitsgeschichte war eine Gesellschaft ausschließlich hetero, cis, Weiß, neurotypisch und ohne körperliche und/oder psychische Behinderungen, und trotzdem vereint der überwiegende Großteil der handelnden Figuren alle diese Eigenschaften; wer sich nicht in dieser Aufzählung wiederfindet, darf meist nur schmückendes Beiwerk sein, wenn überhaupt. "Diverse Phantastik" hört auf, über diese diffuse Parallelgesellschaft zu schreiben, die als als Normalität dargestellt wird, sondern widmet sich der echten Normalität: Menschen sind nun einmal Individuen, und Individuen sind individuell. Seltsam, dass man das tatsächlich immer wieder betonen muss.
Andreas (ZWO): Und was sind Themen, die zentral sind? Du selber baust deine Geschichten oft um eine homosexuelle Liebesgeschichte auf und arbeitest auch mit durchaus expliziten Sexzenen, die mich als prüden Leser manchmal verschämt wegschauen lassen. Gehört Sex notwendig dazu? Muss es in der Queeren Phantastik um Sex gehen?
Annette: Also erstmal zu den expliziten Sexszenen: Sternenbrand 1 hat zwei explizite Sexzenen, Regentänzer hat eine halbe und Sternenbrand 2 gar keine. Das würde ich jetzt nicht als viel beschreiben und wie man an Sternenbrand 2 sieht, gehört Sex auch nicht zwingend dazu. Ich habe Romane im Deutschunterricht gelesen, die expliziter waren. ;-)
Wenn ich ehrlich bin, überrascht es mich, wie oft Menschen plötzlich über Sexszenen diskutieren wollen, wenn diese einmal nicht zwischen Mann und Frau stattfinden. Die allermeisten Phantastik-Romane haben eine Liebesgeschichte und in vielen dieser Romane kommen auch Sexszenen vor. Warum sollte es da anders sein, wenn es um queere Menschen geht? Und natürlich kann ein Roman auch ganz ohne Sexualität queer sein, schließlich zeigt sich Intimität auch durch die alltäglichen Berührungen, durch Küsse und Umarmungen. Und auch z. B. Transgeschlechtlichkeit oder Aromantik hat ihren festen Platz im queeren Spektrum und kann ganz ohne Liebesgeschichte dargestellt werden.
Ich glaube, diese Fixierung, queere Phantastikromane vor allem über Sexualität zu definieren, kommt daher, dass genau dies als vermeintlich einziger Unterschied zu nicht-queeren Phantastikromanen wahrgenommen wird: Der Sex ist anders. Dabei sind auch die zwischenmenschlichen Beziehungen und ihre Dynamiken unterschiedlicher, und nicht nur diese. Um nochmal auf Sternenbrand zurückzukommen: Nicht-queere Leser*innen wollen mit mir sehr häufig über die Sexszenen und die Beziehungskonstellation reden, erst danach kommen manchmal noch Fragen zum Rest. Das ist natürlich nicht schlimm, ich rede gern über alle Aspekte meiner Romane und tatsächlich schreibe ich auch gerne Erotikszenen – auch wenn meine große Liebe den Dialogen gilt –, interessant finde ich diesen Umstand trotzdem. Denn queere Leser*innen fragen mich kaum nach den Sexszenen.
Das ist natürlich alles nur meine eigene kleine Beobachtung, aber zumindest bei Sternenbrand zeigt sich: Wer queere Beziehungen aus eigener Erfahrung kennt, sieht mein Beziehungsdreieck aus drei Männern als keinen sonderlich relevanten Punkt der Romane an. Der Rest kann kaum darüber hinwegsehen. Bedeutet das jetzt, dass Sex in Sternenbrand einen dominanten Teil der Handlung einnimmt – oder nicht doch eher, dass eine homosexuelle Liebesgeschichte in der Science Fiction tatsächlich immer noch so selten ist, dass sie vielen Leser*innen wie eine Innovation erscheint: „Diese verrückte Zukunft, da fliegen nicht nur Raumschiffe zu fremden Planeten, sondern es verlieben sich tatsächlich auch Männer in Männer!” Das meine absolut nicht wertend, es zeigt mir nur, wie sehr wir noch am Anfang stehen, queere Menschen als einen selbstverständlichen Teil einer Gesellschaft zu sehen, und nicht bloß als Exoten.
Andreas (ZWO): Die deutschsprachige Queere Phantastik ist recht aktiv, ist aber im Mainstream meiner Einschätzung nach noch nicht ganz präsent. Judith Vogt fällt mir als eine Ausnahme ein, die es zumindest immer mal wieder in die größeren Medien schafft. Wie sieht es denn international aus?
Annette: Queere Nebenfiguren sind zum Glück langsam keine Seltenheit mehr, aber auch wenn es um queere Hauptfiguren und ihre Geschichten geht, muss man tatsächlich nicht unbedingt international suchen, denn langsam kommen auch diese Geschichten bei deutschen Großverlagen an. Neben Judith und Christian Vogt wären da zum Beispiel Nora Bendzko, Maja Ilisch, Leni Wambach und Ria Winter zu erwähnen, die allesamt in großen deutschen Verlagen Fantasy-Romane veröffentlichen, in denen Queerness mehr als nur eine Randnotiz, sondern ein selbstverständlicher Teil des Weltenbaus ist. Ich finde es wichtig, diese Autor*innen zu unterstützen, statt immer auf den englischsprachigen Markt zu schielen, damit Queerness auch im deutschsprachigen Mainstream keine Randerscheinung bleibt. Denn sonst entsteht ganz schnell der Eindruck, Queere Phantastik wäre ein amerikanischer Import – als etwas „Fremdes”, das zu uns getragen wird –, und das wird den vielen deutschsprachigen queeren Autor*innen und ihren Geschichten nicht gerecht.
Andreas (ZWO): Queere Phantastik ist sicherlich auch eine bewusste Intervention in eine oft männerdominierte und heterosexistische Phantastikszene. Welche Chancen siehst du in der Queeren Phantastik? Was kann sie leisten?
Annette: Hier möchte ich erstmal einlenken, dass mir die Phantastikszene nie so männerdominiert vorkam, wie sie sich selbst gerne darstellt. Also ja, gerade früher waren Conventions und Stammtische in Rollenspielläden ziemlich männlich, aber das war immer nur ein Bruchteil der Szene. Ich habe schon als Teenagerin mit Freundinnen über Phantastik diskutiert, als Kind mit Freundinnen Ritterin gespielt und auch im Studium war ich immer im Austausch mit Phantastik-begeisterten Frauen. Der Unterschied ist nur, dass sich keine dieser Frauen als Teil einer Phantastikszene gesehen hat, sondern einfach als jemand, die gerne Fantasy liest und schaut, Drachen-Poster sammelt und Metal hört. Aber schaut man sich einmal an, wie populär FanFictions ab den 90ern wurden, dann sieht man schnell, wo sich der weibliche und/oder queere Teil der Phantastik traf: im Internet. Und auch wenn es FanFictions zu aller Art von Popkultur gibt, es dominieren klar die Phantastik-Stoffe. Die Geschichten werden kommentiert, die ihnen zugrundeliegenden Welten diskutiert, Textstellen interpretiert – kurz gesagt: Es findet ein lebendiger Austausch über phantastische Filme und Romane statt, auch heute noch. Wo alte Fantasy- und Sciencefiction-Foren langsam aussterben, bekommen FanFiction-Archive nach wie vor enormen Zuwachs. Die Fanfiction-Szene ist ein großer Bereich der Phantastikszene – und wird dennoch auch heute noch oftmals nicht als Teil der davon wahrgenommen.
Also ja, es gibt eine Blase innerhalb der Phantastik-Szene, die männerdominiert und auch teils heterosexistisch ist. Zum Glück ist diese Blase aber nicht DIE Phantastik-Szene (auch wenn sie sich gern selbst so darstellt), denn auch Frauen und queere Menschen gehörten schon immer zur Phantastik dazu, auch wenn ihnen dies gerne abgesprochen wurde und wird.
Im übrigen gebührt der FanFiction-Szene im Bereich der Queeren Phantastik eine absolute Vorreiterrolle, die man gar nicht stark genug betonen kann. Von Beginn an war Queerness ein fester Bestandteil von FanFictions – selbstverständlich war sie das, denn je weiter wir zurückgehen, desto rarer werden selbst queere Nebenfiguren. Queeren Menschen blieb also nicht viel mehr übrig, als sich ihre Geschichten selbst zu schreiben, andere wollten es ja nicht tun. Und auch diesen Aspekt kann man gar nicht oft genug betonen: Queerness wurde nicht plötzlich „von oben” in die Romane und Serien gepresst, weil irgendein Weltbild „aufgezwungen” werden soll – sie schlich sich „von unten” hinein, Figur um Figur ein Stückchen mehr, weil es eine große Phantastik-Szene gibt, die nicht länger ignoriert werden wollte. Und das ist es auch, was Queere Phantastik leisten kann: Tatsächlich eine gesamte Szene repräsentieren – und mit dem Vorurteil aufräumen, dass es jemals einmal anders gewesen wäre. Wir waren schon immer hier, ihr wolltet uns nur nicht sehen.
Andreas (ZWO): Nun ist Queere Phantastik bei aller politischer Schlagseite natürlich zuerst Literatur. Was für Geschichten erlaubt denn die Queere Phantastik zu erzählen, die in der klassischen Fantasy nicht möglich sind?
Annette: Es werden keine anderen Geschichten erzählt, aber die Geschichten selbst werden anders erzählt. Nehmen wir das klassische Liebesdreieck, wie es in sehr vielen Romanen vorkommt: Eine Frau verliebt sich in zwei Männer und es ist allen von der ersten Seite an bewusst, dass sie sich am Ende entscheiden muss; eine heteronormative Perspektive erlaubt keinen anderen Ausgang. Aus queerer Perspektive gibt es jedoch weitere Möglichkeiten, worauf diese Konstellation hinauslaufen kann: Alle sind hetero und die Frau kommt mit beiden Männern zusammen, die Männer sind bi und sie werden zu dritt glücklich, die Männer kommen zusammen und verlassen die Frau. Die erste Seite verrät also nicht das Ende, es entscheidet sich erst im Verlauf der Geschichte und nicht bereits durch die Startkonstellation. Handlungsspielräume werden durch Queere Perspektiven erweitert – und für gewöhnlich auch spannender.
Im Übrigen finde ich es ziemlich verletzend, dass Queerness als ein „Politikum” angesehen wird. Natürlich ist die queere Bewegung und der Kampf um Akzeptanz ein politischer, aber meine bloße Existenz ist nicht politisch und es sollte kein politisches Statement sein, ob Menschen wie ich einen Platz in der Handlung eines Fantasy-Romans haben. Es sollte selbstverständlich sein.
Andreas (ZWO): Dem kann ich mich nur anschließen und freue mich über die gerade zu beobachtende Normalisierung. Aber kommen wir noch einmal zu deinen Arbeiten. Du selbst brillierst meines Erachtens im Weltenbau, was sicher ein Erbe deiner Rollenspielbegeisterung ist. Gibt es queeren Weltenbau? Und was würde ihn auszeichnen?
Annette: Queere Phantastik bedeutet nicht bloß, die Heldin ist lesbisch statt hetero, sonst ändert sich nichts. Der Weltenbau muss Queerness mitdenken. Das bedeutet nicht nur, dass der Welt ein eigenes Konzept von Queerness zugrunde liegt (Ist Queerness geduldet? Ein fester Bestandteil? In allen Schichten? Auch religiös?), sondern auch, dass die Änderungen miteingeplant werden müssen, die daraus entstehen, wenn Queerness in der Fantasywelt anders eingebunden ist, als sie es bei uns ist und war.
Als Beispiel: Wenn queere Partnerschaften im Weltenbau vollständig akzeptiert sind und es nie anders war, was bedeutet es für die Erbfolge, wenn der König auch einen König statt eine Königin heiraten kann? Gibt es dennoch eine strikte Trennung der Geschlechter, wenn dadurch Beziehungen außerhalb der Ehe gar nicht verhindert werden können? Wenn allen bewusst ist, dass Genitalien nicht unbedingt etwas über das Geschlecht eines Menschen aussagen, wird dann überhaupt ein Geschlecht bei der Geburt zugewiesen? Sagen Namen etwas über ein Geschlecht aus? Und wenn Queerness seit jeher ein vollständig akzeptierter Teil der Gesellschaft war: Gibt es dann überhaupt ein Konzept dafür, einen eigenen Namen?
Andreas (ZWO): Welche Rolle und Herausforderungen siehst du vor diesem Hintergrund für die Queere Phantastik der nahen Zukunft?
Annette: Ich bin eine hoffnungslose Optimistin und deshalb sehe ich für die Queere Phantastik nur eine Zukunft: Sie geht vollständig in der Phantastik auf. So wie es heute verwunderlich ist, wenn in einem Fantasyroman keine Frau in tragender Rolle vorkommt, wird es in Zukunft seltsam anmuten, wenn kein queeren Charaktere vorkommen; heteronormative Romane werden uns aus der Zeit gefallen und antiquiert erscheinen. Wie weit oder nah diese Zukunft ist, liegt in unserer Hand – aber ich bin mir absolut sicher, verhindert werden kann sie – zum Glück! – nicht mehr.
Ein Hindernis sind sicherlich die Vorurteile, die queeren Menschen auch heute noch entgegengebracht werden, und die leider auch dann durch einen Roman bestärkt werden können, wenn Autor*innen mit den besten Absichten handeln. Das beste Gegenmittel ist da, bei queeren Themen, die nicht der eigenen Erfahrung entsprechen, genauso sorgsame Recherche walten zu lassen, wie man es auch bei allen anderen Themenbereichen macht. Wir Autor*innen sind ja sowieso wahre Recherche-König*innen (ja, auch gerade bei Fantasy und Science Fiction!), eigentlich müssen wir da nur unserem Drang freien Lauf lassen. Zusätzlich wäre es gut, wenn sich Sensitivity Reading stärker normalisieren würde (vor allen in den Verlagen!). Das ist im Grunde wie ein zusätzliches Lektorat, das von den Menschen ausgeführt wird, über die man schreibt. Kombiniert man beides, ist es zwar immer noch keine Garantie, dass man nicht doch versehentlich irgendein falsches Vorurteil verstärkt oder einen Menschen versehentlich verletzt, aber zumindest hat man dann sein Bestes gegeben, dies zu verhindern. Und ich will daran glauben, wenn wir alle tatsächlich unser Bestes geben und lernbereit sind, werden eine Menge guter Geschichten dabei rausgekommen – und ich kann es kaum erwarten, sie alle zu lesen!
Andreas (ZWO): Ich habe bereits die aktive queere Szene angesprochen und freue mich, dass wir einige spannende Autor*innen aus der Szene in den Genretalks vorstellen durften und noch dürfen. Ein Shoutout an die wichtigsten queeren Autor*innen würde meines Erachtens nur Gefahr laufen, liebgewonnene Namen zu vergessen, weswegen ich einfach einmal auf die phantastischen Queer*Welten verweise.
Kommen wir stattdessen zuletzt noch einmal zu dir. Deine Leser*innen warten schon sehnsüchtig darauf, wie es um Nuzar und Riagh weitergeht. Was dürfen wir von dir in Zukunft erwarten? Wann geht es mit Rache und Regen weiter? Arbeitest du an Kurzgeschichten? Was ist in der Pipeline?
Annette: Eigentlich hätte Von Rache und Regen 2 – Feuerweber schon 2020 fertig sein sollen. Leider bin ich aber an einer schweren Depression erkrankt und war deshalb lange nicht in der Lage, weiterzuschreiben. Allerdings bin ich endlich auf dem Weg der Besserung und hoffe so, dass die Reise von Riagh und Nuzar 2022 endlich ein Ende finden kann. Ehrlich gesagt kann ich es auch kaum erwarten, denn ich freue mich seit Teil 1, meine Leser*innen ins matriarchale Ash’Bahrim zu entführen. Denn ich habe so viele Ideen zur Kultur, der Sprache, Mythologie, Kleidung – das muss endlich raus! Und auch die Geschichte in Carthal ist noch lange nicht auserzählt, ganz im Gegenteil: Riagh wird mit einem wichtigen Teil seiner Vergangenheit konfrontiert und muss von nun an sogar seine Erzählperspektive teilen. Und, ach ja, die Zombies sind natürlich auch noch immer da. ;-) So seltsam das jetzt klingen mag, ich möchte, dass Feuerweber beides ist: Grim&Gritty und Hopepunk – und ich kann es kaum erwarten, euch endlich meine Interpretation dieses Subgenres zu zeigen.
Vor Feuerweber wird es noch zwei Kurzgeschichten von mir geben, zu denen ich jetzt aber noch nicht zu viel erzählen darf. Nur so viel: Es wird phantastisch, queer – und zur Abwechslung tatsächlich auch mal weiblich.
Und wenn ich ganz weit in die Zukunft blicke, dann entsteht da eine Geschichte im Stile eines slawischen Märchens, die ersten 100 Seiten sind bereits geschrieben. Es geht um eine Traummagierin unter Söldner*innen, die sich Koschtschei stellen muss, um das Königreich in den Schatten zu befreien. Klingt klassisch – wird aber ganz anders verlaufen, als man es von einem typischen Fantasyroman erwartet. Trotz Märchen-Stil ist mir bei diesem Projekt außerdem wichtig, dass es eine vollständig gleichberechtigt Gesellschaft gibt. Denn ich möchte poetisch in eine fast schon anachronistische Märchenwelt entführen, die dennoch all meinen heutigen Leser*innen einen Platz bietet.
Andreas (ZWO): Da können wir alle schon gespannt sein! Vielen Dank für deine Einblicke in die Queere Phantastik und weiterhin viel Erfolg beim Schreiben!
Alle Genretalks im Überblick
Offenlegung: Annette Juretzki ist Redakteurin bei Zauberwelten-Online.