Andreas Giesbert (Zauberwelten-Online): Lieber Alexander, lieber Sebastian. Ihr seid zwei der Köpfe hinter Dysturbia und der Magischen Briefe. Stellt euch uns doch bitte einmal kurz vor. Wer seid ihr, was macht ihr im Projekt?
Alexander Diener: Ich kümmere mich seit dem dritten Teil der Escape-Game-Reihe ESCAPE Dysturbia um die Storys und die Texte. Im ersten Lockdown letztes Jahr hatten Joseph und Sebastian von homunculus SPIEL die Idee zu den Crime Letters, und ich war vom ersten Fall an mit an Bord. Und im Herbst, als der Postbote mir den aktuellen Crime Letter brachte, dachte ich: Warum nicht mal Fantasy? Magische Briefe ist also das erste Projekt, das komplett auf meinem Mist gewachsen ist, und Sebastian und seine Kolleg*innen waren zum Glück sofort dabei.
Sebastian Frenzel: Ich bin Sebastian und Teil des vierköpfigen Verlagsteams des homunculus Verlags. Mein Verantwortungsbereich umfasst die Reihe ESCAPE Dysturbia, die Crime Letters und jetzt die Magischen Briefe, das heißt ich bin Ansprechpartner für alles und habe die Zeitpläne im Blick. (Wenn also mal wieder etwas nicht rechtzeitig fertig wird, bin ich schuld. ;-))
Alexander vor seinem magischen Briefkasten
Andreas (ZW): Während die Crime Letters weitgehend in unserer Welt spielten, geht es mit dem Magischen Briefen in die Phantastik. Wie kamt ihr beide denn zur Phantastik?
Alexander: Ich wurde als Kind voll von der Harry-Potter-Welle erwischt, dann Herr der Ringe, Kai Meyer ... Später habe ich dann Dragon Age, Skyrim usw. gezockt und im Studium kam (leider, aus Sicht meines Geldbeutels) Magic: The Gathering dazu. Momentan lese ich gerne Jack Vance.
Sebastian: Bei mir sind es fast die gleichen Titel, die mich nachhaltig geprägt haben, nur in anderer Reihenfolge: erst Magic, dann Herr der Ringe, dann Harry Potter. Hervorheben muss ich aber auch die Zamonien-Romane von Walter Moers, die das Interesse in mir geweckt haben, beruflich mit dem Literaturbetrieb zu tun zu haben. Ansonsten stand mir zu Hause ein prall gefülltes Bücherregal mit Fantasy- und Science-Fiction-Romanen zur Verfügung, durch das ich mich in meiner Jugend gelesen habe – von T. H. Whites Der König auf Camelot bis hin zu Ursula K. Le Guins Erdsee-Chroniken.
Andreas (ZW): Da seid ihr ja genau in unserem Metier. Bevor wir noch näher auf die Welt eingehen, was sind denn überhaupt Magische Briefe? Was bekommen wir, wenn wir bei euch mitspielen? Wie läuft es?
Sebastian: Die Grundidee ist folgende: Die Spieler*innen erhalten jede Woche einen Briefumschlag, in dem sie von neuen Ereignissen in der Welt von Lorethal erfahren und Rätsel lösen, um in der Story voranzukommen. Also quasi ein Briefroman mit Rätseln oder ein Rätselspiel mit Story – beide Bezeichnungen sind möglich. Die Geschichte wird in monatliche Episoden aufgeteilt, sodass zwischen den Monaten jederzeit ein Ausstieg oder eine Pausierung möglich sind.
Eine weitere Besonderheit ist die Interaktion mit den Mitspieler*innen. Jede*r Spieler*in wählt eine von vier Fakultäten, die am besten zu ihr*ihm passt. Nicht nur zum Austausch über die Briefe, sondern auch über Alltägliches, besondere Feiern etc. bieten wir die Möglichkeit, sich mit den Kommiliton*innen zu unterhalten und als Teil einer lebendigen Welt zu fühlen.
Andreas (ZW): Der Vergleich zu den Crime Letters liegt also nahe. Was sind denn die entscheidenden Änderungen? Was ist anders an den Magischen Briefen verglichen mit den realistischen Krimis?
Alexander: Zunächst mal das Setting: Unsere Crime Letters spielen in der finsteren Metropole Dysturbia, die Magischen Briefe in einem fantastischen Schloss, in dem hinter jeder Ecke Überraschungen auf die Spieler*innen warten. Das Schloss wird nicht nur von Magier*innen, sondern von unzähligen magischen Wesen bevölkert. Ich möchte nicht die Überraschung verderben, aber ich kann schon mal sagen, einer der schönsten Teile der Vorbereitungsarbeit war, sich bei den verschiedensten Mythologien der Welt zu bedienen und daraus eigene Fantasiewesen zu entwickeln!
Dann der Aufbau: Bei den Crime Letters konzentrieren wir uns jeden Monat auf einen in sich geschlossenen Kriminalfall, während in den Magischen Briefen Monat für Monat ein fortlaufendes Abenteuer erzählt wird. Das bedeutet, anders als bei den Crime Letters gibt es ein festes Personal aus Kommiliton*innen, Professor*innen usw., deren Geschichten von Abenteuer zu Abenteuer weitererzählt werden. Die Spieler*innen werden sich Freund*innen und Feind*innen machen, und mancher Charakter ist womöglich nicht der, der er auf den ersten Blick scheint …
Und die Rätsel: Diese sollen sich wie bei Crime Letters an alle Rätselfreund*innen richten, aber das Fantasy-Setting erlaubt eventuell die eine oder andere Überraschung, die sich mit einem realistischen Setting nicht vereinbaren lässt. Auch hier möchte ich aber noch nicht zu viel verraten.
Andreas (ZW): Kommen wir aber endlich zur Welt. In den Magischen Briefen besuchen wir die Zauberschule Lorethal. Erinnert mich das zurecht an Harry Potter? Was macht eure Schule und Welt aus?
Alexander: Harry Potter ist auf jeden Fall ein wichtiger Bezugspunkt. Wir wollen die inzwischen erwachsenen Leser*innen ansprechen, die (wie ich) als Kind sehnsüchtig auf einen Brief aus Hogwarts gewartet haben.
Die Lorethal-Akademie ist eine Universität für Magier*innen, und erst seit wenigen Jahren werden auch „Spätgezeichnete“ – also Menschen, deren magische Begabung erst im Erwachsenenalter entdeckt wurde – aufgenommen. Das führt zu einer Reihe von Konflikten, da nicht alle alten Magierfamilien bereit sind, ihre Privilegien abzugeben. Zum Beispiel die „Handrunen“: Diese dienen ähnlich wie ein Zauberstab der Kanalisierung magischer Fähigkeiten, stehen jedoch nur in begrenzter Zahl zur Verfügung. Das bedeutet, für jede*n Spätgezeichnete*n, der*die ein Studium an der Akademie beginnt, muss ein weniger begabter Abkömmling einer magischen Familie seine*ihre Handrune abgeben.
Ein weiterer Konflikt, der die Akademie beschäftigt, ist das Verbot der Totenmagie. Vor einem Vierteljahrhundert tobte in der magischen Welt ein Bürgerkrieg, in dessen Folge jede totenmagische Praxis verboten wurde. Aber die Totenmagie ist natürlich nicht vom Erdboden verschluckt, überall gibt es Magier*innen, die sie mehr oder weniger heimlich ausüben und mit dem Gesetz in Konflikt geraten.
Die Konflikte, mit denen es die Spieler*innen in Lorethal zu tun bekommen, sind komplexer als ein einfaches Gut-/Böse-Schema. Ist es gerecht, dass jemand zu deinen Gunsten auf seinen Platz in der Akademie verzichten muss? Gibt es Totenmagier*innen, die mit ihren Zaubern Gutes bewirken wollen? Was bedeuten die uralten magischen Traditionen (und deren Verfall) für einzelne Student*innen?
Andreas (ZW): Also greift ihr mit den Abenteuern auch etwas tiefergehende Fragen auf. Sehr interessant! Kommen wir aber noch einmal auf eines der Grundkonzepte. DIe Spieler*innen werden sich in eine von vier Fakultäten einschreiben. Welche sind das und was bedeutet das für die Spielerfahrung?
Alexander: Einschreiben können sich die Spieler*innen an einer von vier Fakultäten:
- Donnerschild-Fakultät: Für alle, die sich auf Angriffs-, Verteidigungs- und Verwandlungsmagie spezialisieren wollen und insgesamt eher kämpferische Naturen sind.
- Bartholus-Fakultät: Hier beschäftigen sich die Student*innen vor allem mit der magischen Theorie, der Verzauberung von Artefakten und der Runenkunde. Die Fakultät für Bücherwürmer!
- Grumenhain-Fakultät: Magier*innen an dieser Fakultät zaubern im Einklang mit der Natur. Im Vorlesungsverzeichnis stehen Fächer wie Pflege und Aufzucht magischer Geschöpfe und Pflanzen, aber auch Wind-, Erd- und Wassermagie und Zaubertrankkunde.
- Lunarium-Fakultät: An der Lunarium-Fakultät studiert man das mysteriöse Wissen der Sterne, Wahrsagerei, Illusionsmagie, Traummanipulation, aber auch magische Kunst und Dichtung.
Die fünfte Fakultät hieß Morgana und beschäftigte sich mit der Totenmagie. Sie wurde verboten und existiert nicht mehr. Die Ruinen befinden sich jedoch noch auf dem Gelände und scheinen von einer*m mächtigen Magier*in verflucht worden zu sein …
Es gibt außerdem einen Wettbewerb, in dem man durch die Prüfungen Punkte für seine Fakultät sammeln kann. Außerdem planen wir geschlossene Gruppen auf sozialen Netzwerken mit exklusiven Infos, Fakultätsfeiertagen und ähnlichem. Je nach Feedback der Spieler*innen ist auch angedacht, dass ab dem zweiten Semester individualisierte Zauber erlernt werden, die man beim Lösen der Rätsel anwenden muss.
Andreas (ZW): Ändert sich dadurch auch etwas am Spielgefühl? Wie setzt ihr das Thema in den einzelnen Briefen um?
Sebastian: Alle Spieler*innen erhalten unabhängig von der Fakultätswahl die gleiche Story und die gleichen Rätsel, aber selbstverständlich sind die Ansprechpartner*innen und Gestaltungselemente auf die jeweilige Fakultät abgestimmt. Als Beispiel: Das Begrüßungsschreiben im ersten Brief stammt von der*dem jeweiligen Dekan*in mit individueller Handschrift und individuellem Briefpapier.
Andreas (ZW): Schön, dass du das mit dem Briefpapier ansprichst. Eure Crime Letters haben ja schon durch individuellen Schriftsatz, hochwertigen Druck und abwechslungsreiches Material überzeugt. Bleibt es bei den Magischen Briefen weitgehend bei Papier, oder wollt ihr auch andere Objekte in die Briefkästen zaubern?
Sebastian: Wir werden die Briefe so abwechslungsreich wie möglich gestalten, dazu gehört auch das eine oder andere Nicht-Papier-Objekt. Das Material wird sich von dem unterscheiden, was in den Crime Letters steckt – in einer magischen Welt gibt es einfach ganz andere Möglichkeiten!
Andreas (ZW): Nachdem die Crime Letters ganz regulär vertrieben wurden, habt ihr euch diesmal für eine Kickstarterkampagne entschieden, die noch bis zum 6. Mai läuft. Was ist denn der Vorteil für euch und die Spieler*innen?
Sebastian: Der Vorteil für uns liegt ganz klar in der besseren Planbarkeit der ersten Monate, da wir relativ früh wissen, auf wie viele Spieler*innen wir uns zum Start der Briefe einstellen können. Den Spieler*innen bietet sich die Möglichkeit, das Projekt in der Fertigstellung zu begleiten und mitzugestalten. Die Magischen Briefe leben von der Community und wir werden sie so gut wie möglich mit einbeziehen!
Andreas (ZW): Wenn ich die Kampagne verpassen sollte: Kann ich immer noch einsteigen? Was entgeht mir?
Sebastian: Ab Mai werden die Magischen Briefe auch auf der Homepage magischebriefe.de angeboten werden, dann in den zwei Varianten monatliches Abo und mehrmonatiges Geschenkpaket. Die Kampagne bietet einen unverbindlichen Einblick in die ersten Magischen Briefe – ganz ohne Abschluss eines Abos. Und natürlich ein paar exklusive Angebote: die Möglichkeit, über Namen und Features zu entscheiden und über Stretchgoals weitere Ergänzungen freizuschalten. Und nicht zuletzt verlosen wir zehn ganzjährliche Pakete unter allen Unterstützer*innen! Also schaut doch einfach mal rein – die Kampagne läuft vom 6. April bis 6. Mai: https://www.kickstarter.com/projects/homunculus-spiel/magische-briefe
Andreas (ZW): Da bleibt mir erstmal nur, euch noch viel Erfolg zu wünschen. Aber noch einmal eine persönliche Frage zum Abschluss: Worauf freut ihr euch denn persönlich am meisten in Lorethal?
Alexander: Schwere Frage. Mit dem Projekt erfülle ich mir einen Kindheitstraum: Eine eigene magische Welt erfinden und nach und nach mit Leben füllen! Und wie bei den Crime Letters freue ich mich auf den direkten Kontakt zu den Spieler*innen. Dadurch, dass wir Monat für Monat weitererzählen, können wir Anregungen, Ideen und Vorschläge oft vergleichsweise schnell in die Tat umsetzen. Ich bin gespannt, was noch alles aus dem Projekt erwächst. Wenn es gut ankommt, haben wir noch den einen oder anderen Plan!
Sebastian: Ich freue mich am meisten auf das gemeinsame (Rollen-)Spiel mit den Spieler*innen!