„Ach du Schreck!“, entfuhr es Kai. „Wie siehst du denn aus?“
„Ech ben ganng“, nüsterte ich schniefend.
„Das sehe ich“, sprach Kai besorgt. „Deine Nase!“
„Wah es damed?“
„Na, du siehst aus wie ein Clown. Sie ist total rot“, meinte Kai aufgeregt.
Ich verzog die Schnauze vor Schmerz und machte eine dämpfende Geste. „Bidä … nech so laud.“ Dann fasste ich mir an den hämmernden Schädel, wickelte mir noch eine Lage meines Schals aus Yetiwolle um den Hals und schnaufte einmal durch. Ich blickte Kai aus wässrigen Augen an. „Meinssu ess is eine guddä Idä, wenn du hie besd?“
„Wieso, was hast du denn?“
„Dachensnubfen“
„Drachenschnupfen?“, wiederholte Kai. „Ist das ansteckend für jemanden wie mich?“
Ich zuckte leicht mit den Schultern.
„Weissnech. Dogdo Schaladan meinde, diesä Wariandä befelld meisd nu Dachen und Männä.“
Kai lächelte feinsinnig.
„Da ich weder das eine noch das andere bin, wird das schon gutgehen.“
„In Odnung, dann kohm ein“, sprach ich und schloss, nachdem Kai meine Höhle betreten hatte, im Zeitlupentempo die Tür. Danach schwankte ich wieder langsam Richtung Nest. Dort angekommen ließ ich mich ermattet auf mein Gold plumpsen.
„Du machst aber keinen guten Eindruck“, meinte Kai mitfühlend. Sie hatte sich einen Hocker herangezogen und betrachtete mich eingehend. „Was ist denn Drachenschnupfen?“
„Nunjah …“, begann ich, wurde aber von einem heftigen Hustenanfall unterbrochen.
„Puh“, machte Kai und wedelte sich den Rauch aus dem Gesicht.
„‘schuldegung“, sagte ich, als ich wieder sprechen konnte, „nebän Schädelglobfen, laufendä Snaudse und Schwäche es Husden einä Begleideseinung. Bei miä kommd auch noch ungondolliede Auchendwigglung dazu.“
„Solange es beim Rauch bleibt und du nicht anfängst, unkontrolliert Feuer zu speien …“
„Näin, das es anadomisch ganich möglich“, japste ich. Ich überlegte, ob ich Kai erklären sollte, wie ein Feendrachenschlund aufgebaut ist und wie wir in der Lage sind, Feuer zu speien, entschied mich dann aber dagegen. Das Reden strengte mich auch so schon genug an.
„Aha. Und wie lange hast du das jetzt schon?“
Ich verdrehte meinen Blick zur Decke und überlegte halblaut.
„Aso, dei Wochn kohmds, dei Wochn bleibds, dei Wochn gehdds …“ und sagte dann an Kai gewandt. „Sweide Woche bleibbds.“
„Dann hast du das Schlimmste doch schon überstanden, stimmt’s?“
„Wie mans nimmd“, gab ich keuchend zurück. „Dachensnubfen es eine Dodou.“
„Eine was?“, frage Kai.
„Eine Dodou, eine Quäleäei“, murrte ich.
„Ach so Tortur.“
„Sag ech doch.“
Kai sagte nichts.
„Kahn ech dech um einen Gefallen bittän?“, fragte ich.
„Sicher“, antwortete Kai.
„Kahnsdu mia einen Eima Gamillendee machen? Dogdo Schaladan hadd gesagd ech soll viel dingen.“
„Na klar“, antwortete Kai und erhob sich.
„Das Wassa hab ech vohin schon aufgesedzd. Es sollde jedzd kochen. Deh Dee isd in deh gleinen Gisde auf deh Gücheninsel.“
Kai ging hinüber zur offenen Feuerstelle. Sie schob den leeren Eimer, den ich bereits vorbereitet hatte, unmittelbar vor den Kessel. Dieser hing an seinem Henkel am Haken über dem niedrig brennenden Feuer. Kai griff nach einem dicken Topflappen und kippte den Kessel langsam nach vorne aus, während das Kochgerät weiter am Haken baumelte. Das kochend heiße Wasser floss in den Eimer. Als dieser ausreichend gefüllt war, drehte Kai den Kessel wieder in seine Ausgangsposition zurück. Dann ging Kai zur Kücheninsel und kletterte auf einen Stuhl. Sie öffnete die Teekiste, roch kurz daran und holte einen leicht gefüllten Leinensack heraus.
„Sind das etwa Teebeutel?“, fragte Kai an mich gewandt.
„Hm-hm“, gab ich zurück „Eina po Eima eicht.“
Nachdem sie die Truhe wieder geschlossen hatte, hüpfte Kai vom Stuhl und ging zurück zum Eimer. Sie legte den Kamillensack in das dampfende Wasser und hob dann den Behälter vorsichtig am Henkel an.
„Wade, das es besdimmd zu schwe“, sagte ich und versuchte mich aufzurappeln.
„Nein, das geht schon“, meinte Kai und war bereits bei mir angelangt. „Ich hab ihn nicht ganz voll gemacht.“
„Dange“, sprach ich und ließ mich wieder fallen. Ich prustete und ächzte leidend vor mich hin.
„Was kann man denn noch tun, bei Drachenschnupfen?“, fragte Kai schließlich.
„Nichds“, antwortete ich. „Ich soll waden bis es vobei isd und mich schonen. Daf nichd fliegen odä zauben. Had jedenfalls Dogdo Schaladan gesagd, als eh vo eina Woche hie wa.“
„Wie geht es deiner Magieenergie überhaupt?“, fragte Kai nach.
Doch anstatt eine Antwort geben zu können, überkam mich wie aus dem Nichts ein heftiger Nieser, der mich tief ins Nest und damit in den Goldhaufen drückte. Eine beachtliche Anzahl an Münzen flog durch die Höhle. Ich griff nach meinem Schnauztuch und schnäuzte mich kräftig.
„Aaaggh“, japste ich erschöpft, als ich fertig war und mich wieder hervorgewühlt hatte. Kai war noch dabei die Goldmünzen von ihrem Kleid zu klauben und zurück in mein Nest zu werfen.
„Na ja“, setzte ich zum zweiten Versuch einer Antwort an, „es es zwa ein bissn bessä gewoden, aba solange ech noch Schubben habe, es es noch nich wieda gud.“
„Aber, es ist doch gut, dass du deine Bauchschuppen hast“, meinte Kai irritiert.
„Näin, das mein ech nich“, sprach ich, fischte eine lose Schuppe aus meinem Nest heraus und streckte sie Kai entgegen „Hiea.“
„Ach so, du verlierst Schuppen?“, kombinierte Kai überrascht, als sie die Schuppe nahm. Ich nickte.
„Ist das gefährlich?“, fragte Kai besorgt.
Ich schüttelte einmal langsam den Kopf.
„Näin, solange es nua ein paa sind, nich. Aba ich muss mich schonen. Und vo allem den Bauch wam halden, damid de Snubfen nich noch schlimma wird.“
„Na dann ist es jetzt Zeit, dass du einen Schluck Tee nimmst“, sprach Kai entschlossen.
Ich angelte nach dem Eimer Kamillentee, führte ihn zum Maul und kippte den Inhalt in den Rachen.
„Halt, da war doch noch der Kamillensack drin und alles auf einmal ist doch viel zu heiß“, rief Kai.
„Zu heis? Fü mich? Besdimmd nich. Ech ben ein Feendache. Und der Gamillendee im Leinensagg kommd auf nadülichen Weg wieda aus. Was glaubssu wie das es, wenn man einen Idda in Üsdung veslingd“, gab ich leicht grinsend zurück.
„Scherzkeks“, meinte Kai trocken.
„Hä-hä“, machte ich benebelt, „heude bedinge ich mich, bis ich dei Gamille habe.“
„Oh-je“, Kai zog eine Augenbraue skeptisch nach oben, „bis eben dachte ich noch, du übertreibst was deine Krankheit anbelangt. Aber an deinen Witzen merkt man, dass es dich wirklich erwischt hat.“
Ich gluckste noch eine kleine Weile herum. Bei Drachenschnupfen konnten durchaus leichte Deliriumschübe auftreten. Doch irgendwann ließ das kurzfristig aufgekeimte Hochgefühl wieder nach und ich starrte stumpfsinnig vor mich hin.
„Was würde denn passieren, wenn dir alle Schuppen ausfallen?“, setzte Kai erneut an.
„Hm?“, machte ich und hob meinen Blick.
„Na, was geschieht dann mit dir? Kannst du zum Beispiel keine magischen Sphären mehr machen?“
Ich nickte.
„Ja, unde anderem. Aba das Poblem send nich die fehlendän Schubben, sonden die fehlendä Magie“, erklärte ich angestrengt. „Wenn die Magie bei einäm Feendachen einmal kombledd weg es, kommd se nich meh wieda. Deshalb wollde ech ja eina Binzessin auben. Aba da ben ech nich meh dazugegommen, de Snubfen wa snella.“
„Ich verstehe zwar nicht, wie der Raub einer Prinzessin dir deine Magie wieder zurückgeben kann“, sagte Kai. „Aber vielleicht können wir Schneewittchen um Hilfe bitten. Die würde sich bestimmt von dir rauben lassen.“
„Leida daf de Aub nich gefägd sein“, antwortete ich.
„Gefegt?“
„Gefägd…“, wiederholte ich gepresst und suchte zugleich nach dem altmodischen Wort. „Vogedeuschd.“
„Ach so, du meinst die Situation darf nicht gestellt sein.“
„Genau, genau“, betonte ich das eben Gesagte und schüttelte mich einmal. Trotz des heißen Tees wurde mir kühler. Ich versuchte mich, diesmal absichtlich, tiefer in mein Goldnest zu graben.
„Und gibt es nicht noch eine andere Möglichkeit, wie du deine Magieenergie wieder auffüllen kannst?“
„Vesiedenä“, grummelte ich aus meinem Goldhaufen. Nur mein Kopf und mein Schwanz ragten noch aus den Münzen hervor. „Zum Beisbiel neue Juwälän besogen oda ein Bad in eina magisen Schadzquelle. Aba d-d-das es mia zuzeid a-alles zu ansdengd.“
Ich hatte begonnen, mit den Zähnen zu klappern.
„Ist dir kalt? Soll ich eine Decke holen?“, fragte Kai.
„N-n-nain, a-ab-a de-den Sal fü-ü mei-ein-en Swans.“
Kai sah sich in der Höhle um.
„Wo ist der denn? Ach da drüben, auf deinem Sessel liegt er ja.“
Kai holte den zweiten Schal und wickelte ihn sorgsam um meinen Schwanz.
„Ist es etwas besser?“, fragte sie dann.
„Ed-w-w-was“, antwortete ich.
„Hattest du nicht mal dieses magische Getränk von dem fahrenden Zauberer? Das, wo dir so heiß von wurde und du förmlich geglüht hast.“
„Du-u meinds den Glüh-hüwein?“
„Genau.“
„Es alle“, erwiderte ich und schnaufte tief durch.
„Na“, sagte Kai. „es scheint auch so zu gehen. Du wirst schon viel ruhiger und bibberst auch nicht mehr so. Ich kann dir noch einen heißen Tee machen.“
„Hm-mh.“
Mir wurde immer wärmer unter meinem Gold. Die beruhigende Wirkung, die das edle Metall auf uns Drachen hat, hüllte mich wortwörtlich ein. Ich schloss für einige Momente selig die Augen und öffnete eines erst wieder, als ich erneut Kamillentee roch. Kai hatte mir einen weiteren Eimer zubereitet und setzte sich zurück auf ihren Hocker.
„Wollen wir was zusammen machen?“, fragte sie.
Ich schaute sie ungläubig mit dem geöffneten Auge an.
„Ech glaube, ech möchde das nichd“, sagte ich dann. „Ech ben ganng.“
„Ja das weiß ich“, antwortete Kai geduldig, „Ich meinte ja auch nichts wildes, sondern etwas, womit du dich vom Kranksein ablenken kannst. Zum Beispiel können wir Fabelwesen-Memory spielen.“
Ich prustete einmal laut und hustete zwei, drei Rauchwölkchen.
„Näin, ech gann mech nech gonzendieen“, sagte ich dann. Und aufs Verlieren hatte ich in diesem Zustand erst recht keine Lust. Aber das behielt ich für mich.
„Okay, wie sieht es mit dem Zauberspiegel aus. Wollen wir ein bisschen gucken?“
„Nä“, ich schüttelte kurz die Schnauze. „Mag nech.“
„Hm“, machte Kai und sah sich in meiner Höhle um. „Ah“, sagte sie, als ihr Blick über dem Kamin hängengeblieben war. Sie ging hinüber, griff etwas und kam zurück.
„Ech wiel geinen Anis-Achenbudser“, meinte ich mäkelnd und zog meine Schnauze zurück.
„Wer sagt denn, dass ich den geholt habe?“, fragte Kai etwas erstaunt.
„Hasd du nech?“, fragte ich argwöhnisch.
„Hab ich nicht“, antwortete Kai. „Ich hab eines deiner Bücher geholt. Ich dachte, vielleicht lese ich dir einfach was vor. Von einem tapferen Drachen.“
Ich spitzte meine Ohrröhren und öffnete auch noch das zweite Auge.
„Das glingt gud. Ja, ogeh“, sagte ich und rückte meinen Kopf ganz nah an Kai heran, um auch wirklich jedes Wort mitzubekommen. Kai tätschelte mir die Nüstern, schlug dann das Buch auf und begann „Die wahre Geschichte vom heldenhaften Drachen Fafnir und dem hinterhältigen Prinzen Siegfried“ zu lesen.