Wenn Monster Hunter Rise euer erstes Spiel der Reihe sein sollte, werdet ihr wahrscheinlich nicht verstehen, warum das klobige Kampfsystem und das auf den ersten Blick viel zu verwirrende Craftingmenü einsteigerfreundlicher sein soll. Eure ersten Kämpfe werden enttäuschend sein, euer Timing katastrophal und die Steuerung überladen. Vermutlich werdet ihr sogar Probleme haben, die erste Mission überhaupt zu starten, denn der vermeintliche Stadtausgang ist nur eine unsichtbare Levelgrenze, die euch keine weiteren Optionen gibt. Stattdessen müsst ihr eure Missionen bei eurer Auftraggeberin starten. Erst dann könnt ihr euch in die Wildnis aufmachen, und das bitte mit gefülltem Magen, denn ohne stärkende Mahlzeit geht ihr sehr bald auf dem Zahnfleisch. Zu viel auf einmal? Ok, dann nochmal von Anfang an ...
Die besten Freunde des Menschen
Zu Beginn des Spiels erstellen wir uns eine*n Monsterjäger*in, die wir leicht an unsere Wünsche anpassen können. Doch damit nicht genug. Wie bereits in Monster Hunter World erstellen wir uns einen Paliko. Unser tierischer Katzenbegleiter ist ein loyaler und unverzichtbarer Mitstreiter, dem wir auf unseren Expeditionen unterschiedliche Rollen zuweisen können. So hilft er uns dabei, Materialien aufzuspüren und zu sammeln oder unterstützt uns im Kampf auf verschiedene Art und Weise. Wer es bevorzugt, ohne menschliche Mitstreiter zu kämpfen, wird die Ablenkung des Monsters durch unseren Paliko zu schätzen wissen, insbesondere dann, wenn wir uns heilen oder die stumpf gewordene Waffe wieder einmal schärfen müssen. Als neuestes Mitglied unserer Party erstellen wir uns einen Palamute (ein Wortspiel auf die nordische Schlitten-Hunderasse der Malamutes). Dieser freundliche Begleiter unterstützt uns nicht nur im Kampf, sondern dient uns auch als Reittier.
Die Handlung von Monster Hunter Rise ist im Vergleich zu Monster Hunter World eher hintergründig. Als Nachwuchs der örtlichen Monsterjägergilde des japanisch angehauchten Dorfes Kamura, haben wir es uns endlich verdient, Jagdexpeditionen anzunehmen. Gerade als wir unsere Beförderung feiern, erreicht unseren Anführer die Schreckensnachricht, dass etliche Monster Kurs auf das Dorf nehmen. Eine Randale droht und die letzte große Randale vor 50 Jahren hätte beinahe das Dorf ausgelöscht. Es geht um Leben und Tod. Naja, zumindest theoretisch, denn die Bewohner von Kamura scheinen nur wenig besorgt und sind eher damit beschäftigt, unser Frischfleisch mit Dutzenden Tutorials an das neue Jägerleben zu gewöhnen. Also ran an den Monsterspeck.
Die Wahl des Bestecks
Wer nicht genau weiß, welche Waffe für den eigenen Spielstil am geeignetsten ist, kann seine Fähigkeiten im Trainingsgelände austesten. Zur Verfügung stehen uns 14 Waffentypen mit gänzlich unterschiedlicher Handhabung. Mit den großen Waffen, wie der Axt oder dem Großschwert, teilen wir auf einen Schlag viel Schaden aus, müssen aber auch damit klarkommen, dass wir danach erstmal unsere Ausdauer erneuern müssen und bei besonders flinken Monstern als Anfänger oft daneben hauen. Mit leichten Waffen, wie der Doppelklinge, teilen wir zwar pro Schlag weniger Schaden aus, treffen aber viel öfter. Leider müssen wir dazu besonders nah an das Monster heran. Wer lieber auf Distanz bleibt, nutzt die Gewehrlanze oder den Bogen. Zu den eher taktischen Waffen zählt die Insektengleve, mit der wir einen Käfer auf bestimmte Körperteile des Monsters hetzen, indem wir sie markieren. Der Käfer fliegt nun auf die markierte Stelle und gibt dem Monster einen Malus. Anschließend gehen wir selbst mit dem Stab in den Nahkampf. Aprops Käfer: Ein besonderes Merkmal der Gleve in Monster Hunter World war die Möglichkeit, sich in die Luft katapultieren zu können und auf dem Rücken des Monsters zu landen, wo wir reitend großen Schaden anrichten konnten. Auch in Monster Hunter Rise ist dies wieder möglich, doch benötigen wir neuerdings nicht mehr ausschließlich die Gleve dafür. Als wohl auffälligste Neuerung der Fortbewegung nutzen wir jetzt Seilkäfer. Diese erstaunlich kräftigen Insekten schweben vor uns in der Luft, sodass wir uns an ihnen vorbei katapultieren können. Dazu visieren wir eine Richtung an und schießen uns dann durch die Luft. Standardmäßig haben wir zwei davon im Repertoire. Nach Benutzung müssen wir sie allerdings erst einmal wieder aufladen lassen, sodass wir nicht unendlich lange durch die Luft schweben können. Immerhin können wir temporär noch einen dritten Seilkäfer einsammeln. Um eine Schlucht zu überqueren oder einen höher gelegenen Ort zu erreichen, reicht es aber. An bestimmten Orten befestigen wir dauerhaft große Seilkäfer mit denen wir weitere Distanzen zurücklegen können.
Tod von oben
Wie bereits erwähnt können wir die Seilkäfer aber auch im Kampf nutzen, was Dank der neuen Angriffsmanöver der jeweiligen Waffen auch taktisch genutzt werden kann. Nutzen wir die Doppelklingen entscheiden wir uns z. B. zwischen einer verheerenden Bodenattacke oder einer Seilkäferattacke, mit denen wir die großen Monster besser auf Augenhöhe verletzen können. Ein wenig erinnert diese Aktion an die Jäger aus Attack on Titan.
Gerieten wir in Monster Hunter World in einen Revierkrieg zwischen zwei Monstern, blieb uns oftmals nichts anderes übrig, als uns mit Abstand aus den Streitigkeiten herauszuhalten. Dann hatten wir im Idealfall Zeit gespart und im schlimmsten Fall gleich ein weiteres noch stärkeres Monster im Nacken. Monster Hunter Rise erlaubt uns mit dem neuen Reitfeature, an diesem Revierkampf teilzunehmen. Ist ein Monster ausreichend geschwächt, können wir uns auf seinen Rücken schwingen und damit das andere Monster angreifen. Nach ein paar Angriffen stehen uns sogar noch stärkere Angriffe zur Verfügung. Zusammen mit drei weiteren Mitspielern ergeben sich dadurch spektakuläre Kämpfe, wenn ein Teil der Jäger das Monster festnagelt, um es bewegungsunfähig zu machen.
Jagdgesellschaft
Natürlich sind die Jagdmissionen nicht ohne Bedingungen. Zum einen sitzt uns stets ein Zeitlimit im Nacken, das, je stärker das Monster ist, auch mal knapp werden kann. Zum anderen bleiben uns zum Erlegen nur drei Versuche, die wir uns im Coop auch noch teilen müssen. Zum Glück passt sich der Schwierigkeitsgrad der Anzahl der Jäger an. Die Missionen für Solo- und Mehrspielermissionen sind im Gegensatz zu MHW voneinander getrennt. Während wir die Missionen im Dorf alleine bestreiten müssen, starten wir die Coopgefechte in der Versammlungsstätte. Leider können wir keine gezielten Aufträge anwählen. Entweder man verabredet sich mit Freunden zu einem bestimmten Auftrag oder wird in ein beliebiges Gefecht geworfen, für das man möglicherweise nicht richtig vorbereitet ist. Vorbildlich ist der lokale Mehrspielermodus für den man keine Nintendo-Online-Mitgliedschaft braucht. Allerdings benötigt jeder Spieler noch immer eine eigene Switch samt Spiel.
Randale!
Die anfangs erwähnte Randale lässt nicht lange auf sich warten. Das Dorf wird von Monstern angegriffen und wir bilden die letzte Verteidigungslinie. Doch mit unseren Handwaffen wäre die Verteidigung recht müßig. Also bauen wir Fallen sowie Geschosse und platzieren Dorfbewohner an ihnen. Schließlich übernehmen wir selbst ein solches Geschoss. Die Monster halten nur wenige Treffer aus, dafür besteht die Randale aus mehreren Wellen, an deren Ende besonders starke Monster auftauchen, die, wenn wir nicht aufpassen, einfach durchmarschieren und unsere Fallen ignorieren. Alleine sind die Randalen etwas hektisch, da wohl kein Dorfbewohner weiß, was er tun soll, wenn wir nicht alles organisieren. Im Mehrspielermodus machen die Randalen um ein vielfaches mehr Spaß, da wir die Rollen aufteilen können. Natürlich bleibt es nicht nur bei einer Randale. Je weiter wir im Spiel kommen, desto schwerer werden die Monster.
An dieser Stelle sei Einsteigern gesagt, dass man ein Monster-Hunter-Spiel nicht einfach durchspielt. Nicht wenige Monster-Hunter-Enthusiasten haben mehrere hundert Stunden Spielzeit auf dem Konto. Um die einzigartigen Rüstungen und Waffen im Design der jeweiligen Monster bauen und aufrüsten zu können, müssen Monstermissionen etliche Male wiederholt werden. Zwischendurch nehmen wir immer wieder Nebenaufträge an, um neue Ressourcen zu farmen. Dazu zählen Mineralien, Pflanzen, Knochenreste, Insekten und Kleintiere, aus denen wir entweder manuell oder automatisch überlebenswichtige Werkzeuge und Ausrüstung bauen können. Damit das nicht zu müßig wird, können wir auch zusätzliche Palikos und Palamutes anheuern und auf die Suche schicken. Diese bleiben dann für ein paar Missionen weg und kommen schließlich mit einer vollen Ladung neuer Materialien an. Vergesst außerdem niemals, euch vor Missionen zu stärken. In der Kantine erstellen wir uns ein Menü aus drei Komponenten, die uns für die kommende Mission einen Bonus geben und unsere Ausdauer erhöhen.
Beeindruckende Technik
Grafisch zählt Monster Hunter Rise zu den schönsten Spielen auf der Switch. Zwar erreicht es nicht die Pracht von Monster Hunter World, dennoch läuft es meistens butterweich und ohne Frame-Rate-Einbrüche sowohl im Handheld- als auch im Docked-Modus. Die weitläufigen Areale bieten viel Platz für Kämpfe und jede Menge zu entdecken. Als störend empfinden wir nur die zahlreichen angedeuteten Höhleneingänge, die offenbar als Spawnpunkte für Gegner gelten sollen. Wer diese betreten will, läuft vor eine großzügig angelegte unsichtbare Levelgrenze, was die Immersion leicht beeinträchtigt. Dem Entdeckerdrang tut dies jedoch keinen Abbruch.
Durch die Seilkäfer erreichen wir auch hohe Orte. Generell ist Rise sehr vertikal aufgebaut. Damit wir nicht den Großteil des Spiels mit Klettern verbringen, können wir auf dem Rücken unseres Palamutes auch flink an den Gewächsen vertikaler Hänge hochflitzen. Um ein entflohenes Monster wiederzufinden, müssen wir jetzt übrigens keine Spuren mehr lesen. Ist die Karte einmal komplett aufgedeckt, wird die Position unseres gesuchten Monsters auf ihr angezeigt. Das mag einigen alteingesessenen Jägern sauer aufstoßen, zumal es sich auch nicht abschalten lässt, sorgt aber auch für einen flüssigeren Spielablauf. Für Handheldpuristen könnte die Schriftgröße etwas schwerer zu lesen sein. Auch die abstrakten Monstersymbole auf der Minimap sorgten anfangs für Verwirrung, sodass wir auch mal versehentlich das falsche Monster jagten.