Enthüllungsjournalist müsste man sein: Immer den nächsten Skandal im Auge, immer auf der Suche nach der nächsten heißen Spur. Und dann deckt man ein Geheimnis auf, was die Welt erstaunen lässt. Spannung, Aufregung, Gefahr – denkste. Lemmy Lokowitsch, seines Zeichens ein ebensolcher Schreibtischsensationsjäger, hat ein Problem. Ihm fehlt genau das, was in seinem Beruf am wichtigsten ist: Eine Story.
Die Geschichte wurde für den Phantastikpreis SERAPH 2022 nominiert und wir schauen uns mal näher an, was sie so mitbringt.
Die Story der Story
Der in Hornstadt lebende Enthüllungsjournalist Lemmy Lokowitsch steht kurz davor von seiner Chefin rausgeschmissen zu werden. Seit Wochen hat er keine Story abgeliefert und wenn er das nicht bis zum nächsten Zwimond tut, wird er auf alle Fälle geliefert sein. Zum Glück tritt Sid, Militärärztin und Ehefrau seiner Schwester, mit einer Bitte an Lemmy heran. Er soll herausfinden, wieso einige einfache Rebellen im Krisengebiet Kari plötzlich modernste Waffentechnik besitzen. Schnell erkennt Lemmy, dass der große Waffenkonzern Thertes etwas damit zu tun hat und die Skandalstory scheint zuerst gesichert. Doch nach weiteren Recherchen, die zufällig die streng geheime Syrikon-Akte zu Tage fördern, landet der Sensationsreporter scheinbar in einer Sackgasse und der so dringend benötigte Artikel rückt in unerreichbare Ferne.
Doch damit nicht genug. Clayda Asprion, Mitarbeiterin bei der Indridana-Hilfsorganisation, möchte Lemmys Schnüfflerkünste ebenfalls in Anspruch nehmen. Er soll sie begleiten und herausfinden, warum immer mehr Indris aus Senabri‘il verschwinden. Obwohl Lemmy zuerst ablehnt, besinnt er sich eines besseren und macht sich mit Clayda zusammen auf den Weg nach Senabri‘il, denn dort arbeitet irgendwo Thertes an seinem Syrikon-Projekt.
Fantasy- oder Detektivgeschichte?
Die Geschichte ist aus der Sichtweise des Journalisten Lemmy Lokowitsch geschrieben und soll so das bekannte Ermittler-Detektiv-Schnüffler-Gefühl unterstreichen. Weitere archetypische Merkmale sind, dass Lokowitsch ständig ein Glas Whiskey in der Hand hat, und wenn er das nicht hat, will er es haben. Daher müsste er mindestens Spiegeltrinker sein und eigentlich hin und wieder stärkere Entzugserscheinungen zeigen, was er aber, bis auf sein Sehnen nach Whiskey und obligatorischen Kopfschmerzen, nicht hat. Ein anderes Element ist, dass Lemmy, Clayda und einige andere Personen viel rauchen. Klischees wollen bedient werden.
Und auch was den Fall anbelangt, den Lemmy lösen soll, hat man es thematisch mit zwei eher bekannten Motiven zu tun. Zum einen ist da eine Waffenfirma, die das Werkzeug der Apokalypse entwickelt. Zum anderen geht es um eine Gruppe, für die sich kaum jemand interessiert und deren Leid daher keine Beachtung findet. Die Indris sind die indigene Bevölkerung des Landes Senabri‘il und Parallelen zu den realen Indios im mittelamerikanischen Dschungel mehr als augenscheinlich.
Echte Fantasyelemente sind hingegen weniger zu finden. Phantasienamen, ein paar spitze „Elfenohren“ und das sogenannte Syranid, was u.a. dafür sorgt, dass manche Lebewesen etwas zaubern können, machen schon den Großteil des Phantastischen aus. So handelt es sich also eher um eine Detektivgeschichte mit vereinzelten Fantasyanklängen.
Fazit:
Das meint Ann
Lemmy Lokowitsch – Das Syrikon-Projekt bringt ein paar nette Aspekte mit.
Homosexualität ist ein selbstverständlicher Bestandteil der Geschichte und auch die Triggerwarnung am Ende des Buches, auf die am Anfang hingewiesen wird, ist ein Zeichen für den derzeitigen Wandel in der Romanlandschaft.
Der Erzählstil ist frech und frisch. Es kommt eine lockere Atmosphäre auf, die sehr schön immer wieder mit Umgebungsbeschreibungen ergänzt wird, was gefällt. Etwas merkwürdig sind zwar die ständigen Erwähnungen der Kleider- und Fingernagelfarbe von Clayda, aber wenn man als Enthüllungsjournalist Interesse an Mode und Stil hat, warum nicht. Auch verwunderlich sind die teilweise extrem kurzen Kapitel. Nun gut, die Geschichte ist in sich abgeschlossen und mit 273 Seiten in Zeiten der niemals enden wollenden Epenserien daher eine angenehme Abwechslung. Aber man hätte schon beruhigt hier und da zwei Kapitel zu einem zusammenfassen können. Das hätte weder Leser und Leserin überfordert, noch der Handlung einen Abbruch getan.
Ein bisschen eigenartig ist auch, wieso das Wort „Elfen“ in der Welt von Lemmy Lokowitsch als Beleidigung dient. Vor allem, da in der zusammengefassten Einleitung auf der Rückseite des Buches sogar das Wort „Elfenrechtlerin“ benutzt wird. Clayda würde sich selbst so nicht bezeichnen.
Was hingegen beim Lesen stört, sind die häufigen Klammereinschübe, die zugleich auch kursiviert sind. Mit Klammern im Prosatext sollte man zurückhaltend umgehen, da sie einen beim Lesen durchaus aus der Szenerie holen können. Die Inhalte der Klammern hätte man in den meisten Fällen problemlos in den normalen Fließtext einfügen können.
Auch bleibt die Geschichte, bei allen freundlichen Details, doch vorhersehbar und an der Oberfläche. Gut, auch hier sollte man beachten, dass die Absicht, eine kurze Geschichte zu schreiben eben nicht viel Raum für eine tiefe Charakterentwicklung lässt. Eine Fortsetzung, welche am Ende offen angedeutet wird, gäbe dann die Möglichkeit, Lemmy’s Charaktertiefe auszuloten und damit beim Leser, bei der Leserin eine stärkere Bindung zur Hauptfigur aufzubauen. Aber in dieser Geschichte rutscht man eben eher über die Situationen hinweg, was schade ist.
Trotzdem eignet sich die Geschichte ganz gut für zwischendurch und ist eine Abwechslung, wenn man auf Ermittlergeschichten steht.
Das Produkt wurde kostenlos für die Besprechung zur Verfügung gestellt.
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Zauberwelten-Online.de