Insgesamt 208.000 Besucher tummelten sich vom 23.–26. März 2017 auf dem Messegelände, das sich die Leipziger Buchmesse mit der Manga-Comic-Con teilte. 2.493 Aussteller aus 43 Ländern präsentierten sich an diesem Wochenende, darunter viele Verlage phantastischer Literatur und bekannte Zeichner der Manga-Szene. Doch eines der Highlights waren wieder die vielen kreativen Kostüme der zahlreichen Cosplayer – auch wenn das wohl nicht jeder so sah.
Jetzt wollten wir eigentlich ein paar Zeilen über die Eindrücke von der parallel zur Leipziger Buchmesse stattfindenden Manga-Comic-Con 2017 schreiben, aber vorher muss das hier raus: Im SWR beklagt Carsten Otte die zahlreichen Cosplayer, da ihre Anwesenheit ein Hohn auf die ernsthaften Themen der Messe sei. Zudem würden „minderjährige Cosplayer Gefallen an pornographischen Posen finden“, ohne dass jemand einschreitet. Dass er die typische Kussmund-Pose als pornografisch bezeichnet, sagt zunächst viel über den Autor, aber wenig über das Problem. Im Rahmen der Con fand zu diesem Thema übrigens ein Workshop mit dem Titel „Vortrag zur sexuellen Belästigung und Photorechten von Cosplayern“ statt, aber dies ist Herrn Otte offenbar entgangen. Sein Beitrag gipfelt in einer Verbotsforderung des „Messefasching“, denn „selbst wenn Verboten etwas Autoritäres anhaftet, sollten die Kostümorgien endlich von der Messe verbannt werden.“
Quelle: Leipziger Buchmesse
Ist klar. Über (Presse-)Freiheit und die Widersprüche moderner Demokratien diskutiert es sich natürlich viel angenehmer, wenn man die Freiheit anderer einschränkt. Der elitäre Dünkel dieses Betrags wird umso alberner, wenn man sich vor Augen hält, dass die „nackten Hasen und grimmigen Ritter“ der Manga-Comic-Con durch ihren Eintritt auch den „ernsthaften“ Teil der Messe mitfinanzieren. Es ist der ewiggleiche und über die Jahre nur leicht variierte Vorwurf: Wie kann man es wagen, sich in der Öffentlichkeit zu seinem phantastischen Hobby – sei es nun Cosplay, Manga, Larp oder Rollenspiel – zu bekennen?
Die Manga-Comic-Con 2017
War sonst noch was? Ach ja, die Con. In diesem Jahr teilte sich die gutbesuchte Convention in einen Haupt- und mehrere Nebenbereiche auf: In Halle 1 präsentierten zahlreiche Aussteller die Neuheiten im Comic-, Anime- und Mangabereich. An den Verkaufsständen konnten sich die Besucher mit allerlei Merch, Kostümzubehör und natürlich japanischen Süßigkeiten eindecken.
Dies ist auch ein Kritikpunkt an der Messe: Die Veranstaltung wirkte stellenweise wie ein großer Basar. Etwas weniger Verkauf und etwas mehr Ausstellung wäre schön gewesen. Zum Rahmenprogramm gehörten zahlreiche Signierstunden, Workshops, Konzerte sowie der Leipziger Cosplay-Wettbewerb. A propos Cosplay: Auch in diesem Jahr waren die Cosplayer das eigentliche Convention-Highlight, denn die mit viel Liebe zum Detail gestalteten Kostüme entschädigten für die vollen Gänge und die (übliche) schlechte Luft. Die „erwachseneren“ Graphic Novels wurden in die ansonsten von politischen Themen und Verlagen dominierte Halle 5 ausgelagert. Abgerundet wurde die Veranstaltung durch ein nonstop Anime-Kino.
Phantastische Bücher
Wer hingegen Fantasy ganz ohne Bilder, dafür mit umso mehr Buchstaben suchte, konnte in Halle 2 schier Stunden verbringen. Rund um die Fantasy-Leseinsel, die vielen bekannten, aber auch aufstrebenden Autoren eine Bühne bot, sammelten sich die zahlreichen kleineren Verlage des phantastischen Genres. Gemeinsam präsentierten sie eine weite Bandbreite zwischen klassischer High Fantasy mit Drachen und Elfe bis hin zu Aliens im Weltall oder Urban Fantasy, die nicht immer nur in New York oder London spielen muss, sondern den Trend zu heimischen Örtlichkeiten weiter ausbaut.
Bei so viel Auswahl war es natürlich leicht, den Überblick zu verlieren, das wussten die Verleger genauso gut, wie es die Besucher schnell am eigenen Leib erfuhren. Deshalb muss an dieser Stelle Der phantastische Reiseführer 2017 lobend erwähnt werden, der in Zusammenarbeit der Verlage Acabus, Edition Roter Drache, el Gato, Laysandra Books, Amrûn, Torsten Low, MAIN Verlag, Wölfchen Verlag und Der Schwarze Ritter entstand. Dort findet sich nicht nur ein übersichtlicher Lageplan der Fantasy-Verlage in Halle 2 samt Verlagsvorstellung, sondern auch viele Hinweise auf Gewinnspiele, interessante Neuerscheinungen und die ein oder andere Leseprobe. Selbst an ausreichend Platz für Notizen wurde gedacht. Das kleine Büchlein lag gratis bei allen kooperierenden Verlagen aus und war eine ganz großartige Idee, die es hoffentlich auch 2018 wieder geben wird.
Aber nicht nur Verlage waren mit einem Stand vertreten, auch immer mehr Selfpublisher sind auf der Leipziger Buchmesse zu finden. Allein oder im Zusammenschluss präsentieren sie sich und ihre Romane mit einem eigenen Stand, unterhalten sich mit begeisterten Lesern und verraten das ein oder andere über ihre zukünftigen Schreibpläne. So plauderten Sigrid Kraft oder Matthias Teut über ihre aktuellen High Fantasy-Reihen in Halle 2, während man sich in Halle 5 am Autoren-Gemeinschaftsstand gleich mit mehreren Autoren über die aktuellen Trends beim Selfpublishing unterhalten konnte, oder auch einfach nur ihre Lesungen auf der Leseinsel genoss.
Aber nicht nur die Hallen 1 und 2 waren für Phantastikfreunde interessant. Wie erwähnt, bot Halle 5 einer Menge Selfpublishern Unterschlupf und auch queere Verlage wie dead soft oder der oben erwähnte MAIN Verlag waren dort zu finden, die ebenfalls ein breites Spektrum an Fantasy-Romanen zu bieten haben, die dazu noch durch ihre Diversität bestechen. Aber auch Halle 3 war mehr als nur interessant. Zum einen waren dort die Künstler untergebracht, die ihre Zeichnungen nicht in Form von Mangas oder Graphic Novels herausbringen. Viele phantastische und vor allem auch düstere Motive gab es zu entdecken, wobei die melancholischen Roboter-Radierungen von Anna Käse besonders hervorstachen und manche sogar einen sanften Steam Punk-Anstrich haben. Und auch den Papierverzierer-Verlag mit seinem breiten Angebot an Fantasy-Literatur hatte es nach Halle 3 verschlagen, gleich neben Droemer Knaur, bei denen mit Markus Heitz wohl einer der bekanntesten Autoren der deutschsprachigen Fantasy-Szene veröffentlicht. Der war selbstverständlich auch auf der Buchmesse vertreten, um aus seinem neuen Roman Des Teufels Gebetbuch zu lesen und viele Buchseiten zu signieren. Die Schlange der Wartenden reichte lang genug in den Gang hinein, um in den ein oder anderen neuerworbenen Schatz der Buchmesse hineinzulesen.
SERAPH 2017
Zum sechsten Mal hat die unabhängige Expertenjury aus Lektoren, Verlegern, Journalisten und Autoren der Phantastische Akademie aus über 100 Einsendungen die besten Werke ausgewählt und auf der Leipziger Buchmesse den SERAPH vergeben. In der Kategorie „Bestes Buch“ gewann Katharina Seck mit ihrem Roman Die silberne Königin. Als „Bestes Debüt“ setzte sich Julia Langes Irrlichtfeuer durch. Seit 2012 vergibt der Verein den Literaturpreis für Phantastik in enger Kooperation mit der Leipziger Buchmesse. Nach der Preisverleihung lud die Phantastische Akademie zum „Großen Fantasy-Leseabend“ ins Leipziger Theaterhaus Schille ein. Hier präsentierten sich die frisch prämierten Preisträger und stellten ihre Werke dem Publikum vor.
Ein paar Worte zum Schluss
Was bleibt noch zu sagen? Leipzig war anstrengend, vor allem am Samstag rappelvoll und nichts für Menschen, die gern das bisschen extra an Sauerstoff in ihrer Atemluft haben. Aber es war vor allem bunt, fröhlich, diskutierfreudig und unglaublich herzlich. Wer sich an den vielen kleinen Ständen die Zeit nahm, nicht nur die Cover und Klappentexte zu studieren, sondern das direkte Gespräch mit Autoren, Zeichnern und Verlegern der phantastischen Verlage suchte, fühlte sich schnell wie bei einem Treffen alter Freunde. Selten kann man der anderen Seite hinter den Buchdeckeln so distanzlos begegnen und ganz ohne Standesdünkel oder sonstige Allüren plaudern.
Auch wenn viele phantastische Aussteller an wenigen Orten gebündelt waren, so konnte doch, wer die Augen offen hielt, fast überall das Phantastische entdecken, das sich in allen Gängen in Leipzig verborgen hatte. Und damit sind ausnahmsweise nicht die kostümierten Kriegerinnen und lebensgroßen Pandas mit „Free hugs!“-Schild gemeint, sondern die kleinen Details, die verraten, dass unser aller liebstes Hobby doch schon längst die graue Wirklichkeit durchwoben hat. Kaum ein Stand, der Postkarten im Angebot hatte, wo sich nicht auch Fabelwesen als Motive tummelten. Drachen waren auch bei zeitgenössischen Literaturverlagen eine gern gesehenes Deko-Objekt und die ein oder andere phantastische Geschichte schaffte es auch, mitten zwischen Reiseromanen und Besprechungen des politischen Zeitgeschehens ausgestellt zu werden. Ganz einfach, weil sie trotz (oder gerade wegen?) Zauberei und Märchenwesen zu überzeugen wusste. Und bei den Kinderbüchern braucht es Fantasy ohnehin nicht als abgrenzende Genrebezeichnung, denn wo es vor allem um die Fantasie geht, da dürfen auch Tiere sprechen, Mädchen zum Schwert greifen oder Jungs mit ihrem Ork-Papa eine neue Wohnhöhle suchen.
Die nächste Leipziger Buchmesse samt Manga-Comic-Con findet übrigens vom 15.–18. März 2018 statt. Wir freuen uns jetzt schon auf ein Wiedersehen – natürlich samt „Messefasching“. Ohne wäre es einfach nicht die LBM.
Das Produkt wurde kostenlos für die Besprechung zur Verfügung gestellt.
In drei Kategorien wurden deutsche Fantasy-Autoren während der Messe auf der Fantasy-Leseinsel ausgezeichnet und vom zahlreichen Publikum ordentlich beklatscht und gefeiert.
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