Kingdom Hearts begann im Jahr 2002 als eine überraschende Zusammenarbeit zwischen Square Enix und Disney. Die Final Fantasy-Serie war gerade auf ihrem Höhepunkt und hatte innerhalb kürzester Zeit den JRPG-Thron an sich gerissen. Diese Charaktere nun in Kombination mit den unterschiedlichen Disneywelten zu sehen, war praktisch ein Erfolgsgarant. Die Verkäufe gaben den beiden Studios Recht und so kam nicht nur ein Nachfolger auf den Markt, sondern auch eine scheinbar unzählbare Menge an Spin-Offs, die auf unterschiedlichen Plattformen erschienen. Leider wurde die Handlung dadurch um einiges komplizierter und so entschied sich Square Enix, vor dem finalen Teil noch einmal alle Ableger auf eine Disk zu pressen (Kingdom Hearts HD 1.5 & 2.5 Remix) und mit Kingdom Hearts HD 2.8 Final Chapter Prologue einen letzten vorbereitenden Teil zu veröffentlichen. Nun ist er endlich erschienen: der lang ersehnte dritte Teil. Kingdom Hearts 3 soll die Dark Seeker-Saga abschließen und alle losen Enden zu einem großen Finale verschnüren.
Die sechs kurzen Videos, die man sich noch vor Beginn des Spiels anschauen kann, erinnern an die wichtigsten Geschehnisse der vergangenen Teile. Für einen Neueinsteiger sind sie eher verwirrend, sodass sie tatsächlich nur als Gedächtnisauffrischung für Fans funktionieren. Doch sollte man ein solch komplexes Universum ohnehin nicht mit dem letzten Teil beginnen. Also bewerten wir das Spiel aus der Sicht eines Spielers, der mit den Vorgängern vertraut ist.
Willkommen in Disneyworld
Die Ausgangslage ist sehr undramatisch. Riku und Mickey machen sich auf die Suche nach Aqua, die seit zehn Jahren im Reich der Dunkelheit gefangen ist (siehe Kingdom Hearts 0.2 Birth by Sleep – A fragmentary passage). Hauptprotagonist Sora hat nach der letzten Konfrontation mit Xehanort fast alle seine Kräfte verloren. Nun wird er von Meister Yen Sid (dem Zauberer aus dem Fantasia-Kurzfilm Der Zauberlehrling) losgeschickt, um in den verschiedenen Disney-Welten die Kraft des Erwachens neu zu erlernen. Denn schließlich schlummern in Soras Herz noch weitere Persönlichkeiten, die wir aus vergangenen Spielen kennen.
Damit werden wir in die weite Welt entlassen. Mit dem Gummischiff besuchen wir neue Schauplätze aus den Disney-Universen, die diesmal zum großen Teil aus dem Hause Pixar stammen. Dank der neuen Spiele-Engine sehen die Welten ihren Filmvorlagen nun zum Verwechseln ähnlich. Die erzählerische Qualität schwankt dabei stark. In einigen Welten wie Toy Story oder San Fransokyo (bekannt aus Baymax) spielen wir komplett neue Abenteuer, die sehr viel Spass machen. In anderen Welten wie Corona (Rapunzel) oder Arendelle (Die Eiskönigin) sind wir Teil der Filmerzählung. Doch gerade das zerstört einiges an Atmosphäre. So sind wir in diesen Welten oftmals alleine unterwegs und kämpfen abseits der Filmhandlung. Bestimmte Storywendungen der Vorlage ergeben keinen Sinn, wenn man den Film nicht gesehen hat und nicht weiß, was sich derweil anderswo abspielte.
Letztlich dienen die Disney-Welten als Einführung der zwielichtigen Antagonisten. In jeder dieser Welten treibt ein anderes Mitglied der ehemaligen Organisation 13 sein Unwesen. Einen nennenswerten Eindruck machen sie aber nur in den Welten, in denen gänzlich neue Abenteuer geschrieben wurden. Zusammengefasst fühlen sich die Disney-Welten für die Haupthandlung von Kingdom Hearts 3 wie ein Fremdkörper an und haben kaum Anknüpfungspunkte zum eigentlichen Showdown gegen Xehanort.
Trotz einiger erzählerischer Mankos ist Kingdom Hearts 3 bei Weitem keine Enttäuschung. Die einzelnen Disney-Welten sind teilweise gigantisch und bieten jenseits der Hauptstory jede Menge Nebenbeschäftigungen. Schauplätze wie die Karibik bieten ein komplettes Inselparadies, das wir per Schiff bereisen und nach Schätzen absuchen können. Assassin's Creed Black Flag lässt grüßen.
Teilweise übertreibt es Square Enix aber auch mit den Minispielen. So müssen wir uns unter anderem dreimal durch ein nerviges Puzzle im Hundertmorgenwald (Winnie Pooh) quälen. Zudem muss jedes einzelne Kochrezept von Chefkoch Remy (aus Disneys Ratatouille) durch ein Minispiel nachgekocht werden. Da viele Ressourcen nicht kaufbar sind, hilft bei einem Scheitern nur das Neuladen des Spielstandes, was gerne einmal drei Minuten dauern kann, oder erneutes Farmen der seltenen Ingredienzen.
Der Schlüssel zum Sieg
Der eigentliche Spielablauf wird allerdings zum Glück wieder mit den bekannten Schlüsselschwertern ausgefochten. Die Echtzeitschlachten spielen sich sehr dynamisch. Jedes Schwert hat mindestens eine Verwandlung, die wir durch Kombos aufladen. Darüber hinaus gibt es wieder zahlreiche Partnerattacken mit Donald, Goofy und auch den jeweiligen Helden der Disney-Welten.
Neu hinzu gekommen sind die Themenpark-Attraktionen. Mit diesen beschwören wir typische Themenpark-Vehikel wie ein schaukelndes Piratenschiff, flitzende Teetassen oder ein Karussell, das den Gegnern ordentlich Schaden zufügt. Die Wahl des Vehikels wird vom Spiel vorgeschrieben und manchmal passen sie überhaupt nicht zur Umgebung, sodass sie letztlich gar keinen Schaden anrichten, wenn sie z.B. Bodenschaden verursachen, aber der ganze Himmel voller Fluggegner ist (Wolkenkratzer in San Fransokyo). Wer nicht ungeduldig alle Konfrontationen überspringt, ist jedoch stets ausreichend gelevelt um bei den Bossgegnern nicht zu schwach zu sein. Mit den Schätzen und Zutaten können wir die Schlüsselschwerter aufrüsten. Wer nicht genug von den Herausforderungen bekommen kann, kann das Aufleveln deaktivieren, sodass man immer auf Level 1 bleibt. Ein zusätzlicher neuer Schwierigkeitsgrad soll übrigens bald nachgereicht werden. Im Vergleich mit den anderen Teilen ist Kingdom Hearts 3 leichter als seine Vorläufer.
Eine weitere Neuerung haben die Gummischiff-Missionen erhalten. Der Raum zwischen den Disney-Welten ist nun eine offene Welt mit versteckten Geheimnissen und optionalen Herausforderungen. Für Gegnerkonfrontationen wird ein separater Kampfbildschirm geladen, in dem wir nach altbekannter Bullethell-Tradition zahlreiche Gegner ausschalten und ihren Geschossen ausweichen. Das Erkunden der Welten motiviert und bietet viele freischaltbare Items. Das Gummischiff-Level steigern wir durch das Einsammeln der überall herumfliegenden Splitter und durch Gefechte mit Gegnern. Einige Bossgegner sind besonders knifflig und bieten bessere Belohnungen, wie Blaupausen für mächtige Schiffe. Je nach Bewertung der Schlacht erhalten wir bessere Waffenteile für unser Gummischiff. Das Schiff können wir wie in den Vorgängern wieder selbst bauen. Wer darauf keine Lust hat, kann fertige Schiffe kaufen. Ganz ignorieren sollte man das Aufleveln innerhalb der Gummischiff-Sequenzen nicht, da wir vor der Ankunft in verschiedenen Disney-Welten mit großen Bossgegnern konfrontiert werden. Diese sind allerdings im Gegensatz zu den optionalen Bossen sehr leicht zu besiegen.
Geschichtenerzählen für Ungeduldige
Als letzter Teil der Saga hat Kingdom Hearts 3 eine kolossale Aufgabe vor sich. Die Handlungsstränge der vorangegangenen Teile müssen zu einem logischen Ende verknüpft werden. Figuren wie die für die Handlung irreleventen Final Fantasy-Charaktere spielen im letzten Teil bereits keine Rolle mehr. Verschollene Charaktere wollen zurückgeholt werden und die älter gewordenen Figuren wie Sora, Riku und Kairi müssen verantwortungsvolle Entscheidungen treffen. Um so verwirrender ist es, dass ausgerechnet Kairi eine so untergeordnete Rolle spielt, dass sie bis auf das Ende völlig im Hintergrund bleibt. Dass sie im ersten Teil noch einen großen Platz in Soras Herzen hatte, kommt hier kaum zur Geltung.
Die Erzählung nimmt schließlich erst im großen Finale Fahrt auf. Und dann ist es auch schon vorbei. Allerdings gibt es genügend Hinweise, dass das Kingdom Hearts-Universum auch in Zukunft weitere Geschichten auf Lager haben wird.
Technisch ist Kingdom Hearts 3 perfekt. Die Grafik zaubert Umgebungen, die den Originalen zum Verwechseln ähnlich sehen. Die spektakulären Kämpfe machen viel Spaß. Der Soundtrack bietet (bis auf das furchtbar unpassende Intro-Lied von Skrillex) viele epische und verträumte Ohrwürmer, die man sich gerne wieder anhört. Die englische Sprachausgabe wurde von hochkarätigen Hollywood-Schauspielern eingesprochen. Für junge Spieler, die des Englischen nicht mächtig sind, gibt es deutsche Untertitel.
Fazit:
Kingdom Hearts 3 ist ein optischer Leckerbissen. Erzählerisch versucht Square Enix, die Saga in ein episches Finale münden zu lassen. Allerdings verbringen wir die meiste Zeit davon in wunderschönen Disney-Welten abseits der Haupthandlung. Zudem erleben wir diese in manchen Fällen (Die Eiskönigin, Rapunzel) so passiv, dass wir essenzielle Plot-Twists gar nicht verstehen, sofern wir nicht die Filme gesehen haben, da wir zum gegebenen Zeitpunkt der Handlung nicht anwesend sind.
Die Welten sind mit optionalen Herausforderungen vollgestopft und bieten auch nach Abschluss der Handlung noch jede Menge Spiel fürs Geld. Ob die überwältigende Anzahl der Minispiele allerdings über die knappe Haupthandlung hinweg tröstet, muss jeder Spieler für sich selbst entscheiden. Für Fans der Serie ist Kingdom Hearts 3 ein Muss. Die Spitze des Siegertreppchens muss KH3 in puncto Erzählung allerdings an seinen Vorgänger Kingdom Hearts 2 abtreten.
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Zauberwelten-Online.de