Takayuki Yagami hat sich in Tokyo mit dem Freispruch eines mutmaßlichen Mörders einen Namen als Anwalt gemacht. Doch kurz nach dem Freispruch muss Yagami erfahren, dass sein Klient einen neuen Mord begangen hat. Nicht nur sein Ruf, sondern auch seine Gutgläubigkeit machen ihm schwer zu schaffen. Er quittiert den Dienst als Anwalt und verdient sich nun seine Brötchen als Privatdetektiv.
Zwischen den Fronten
Dass er die Yakuza nicht per se als Feinde betrachtet, liegt an seinem Mentor, der ihm die Anwaltsausbildung finanziert hat und ein hohes Mitglied des lokalen Tojo-Clans ist. Natürlich war dies nicht ohne Eigennutz geschehen, doch in Kamurocho ticken die Uhren anders und so erledigt Yagami noch immer Geldeintreibermissionen für den Tojo-Clan, um sich in seiner nun weniger lukrativen, aber dafür gefährlicheren Berufung über Wasser zu halten.
Doch sein Leben als Detektiv gewinnt plötzlich an Fahrt, als ein wichtiges Mitglied des Tojo-Clans wegen Mordes verdächtigt wird und seine ehemalige Anwaltskanzlei Yagami darum bittet, Beweise für dessen Unschuld zu liefern. Mit einem mulmigen Gefühl erneut den Falschen zu helfen, macht er sich auf die Suche nach den Beweisen. Letztlich kommt Yagami aber einer weitaus größeren Verschwörung auf die Spur, die nicht nur ihn, sondern auch seine Freunde in Gefahr bringt.
Tiger und Kranich
Für Yakuza-Veteranen ist Judgment nicht nur ein Lückenfüller, der bis zum nächsten offiziellen Ableger beschäftigen soll. Die Handlung, Inszenierung und das Gameplay stehen der Originalserie in nichts nach und finden den perfekten Mittelweg zwischen Bekanntem und Neuem. Bekannt ist neben dem Schauplatz und etablierten Yakuza-Clans auch der Martial-Arts-Anteil. Yagami ist nicht so schwer wie Kazuma, aber dafür agiler und ausdauernder. In den Straßenkämpfen treten wir wieder erneut gegen aggressive Mobs aus Schlägern, und Yakuza an. Dabei schalten wir zwischen zwei Kampfstilen hin und her. Während der Kampfstil Kranich eher für schwache, aber zahlreiche Gegner gedacht ist, haut der Kampfstil Tiger umso härter zu, verteilt aber dafür weniger Flächenschaden. Der Tiger-Stil eignet sich daher besonders gut für Bosse. Und die bringen dieses Mal eine besondere Gefahr mit sich. Besonders starke Angriffe mit Nahkampfwaffen hinterlassen nämlich bleibenden Schaden, der unsere Energieleiste reduziert. Die bleibt solange gekürzt, bis wir einen Arzt aufgesucht, oder ein Erste-Hilfe-Paket benutzt haben. Um ihnen auszuweichen, hilft kein Blocken. Stattdessen können wir die Umgebung nutzen und z. B. über Wandsprünge ausweichen. Die Ausweichmanöver sowie neue Moves kaufen wir uns von Erfahrungspunkten, die wir durch Missionen und Straßenkämpfe erhalten.
Ermittlungsarbeit
Doch als Detektiv prügelt sich Yagami nicht ausschließlich durch die Straßen. Judgment führt einige sehr interessante neue Elemente ein, die uns helfen sollen, unsere Fälle zu lösen. Dazu zählt zum Beispiel das Untersuchen von Tatorten. In der Ich-Perspektive untersuchen wir abgegrenzte Orte, um Hinweise zu finden. Damit diese begehbaren "Wimmelbilder" nicht zu langatmig werden, empfiehlt es sich, früh in einen Skill zu investieren, der den Controller vibrieren lässt, sobald wir uns einem Hinweis nähern.
Hin und wieder stellen wir anderen Personen nach. Um nicht aufzufliegen, verstecken wir uns dabei innerhalb leuchtender Felder, wenn die Zielpersonen sich nach Verfolgern umschauen. Versäumen wir dies, füllt sich ein Alarmbalken, der sich erst wieder leert, wenn wir uns in die blauen Felder begeben. Ist der Balken ganz voll, müssen wir von vorne beginnen. Schließlich gibt es aber auch noch actiongeladene Verfolgungsjagden, in denen wir unseren Zielen hinterherlaufen. Im Gegensatz zu Kazuma haben wir dafür immer genug Ausdauer. Damit wir bei der Action den Verfolger im Blick behalten, läuft Yagami automatisch in die richtige Richtung. Lediglich bei Hindernissen müssen wir blitzschnell reagieren und rechtzeitig den richtigen Button drücken. Stolpern wir zu oft, entflieht uns das Ziel. In manchen Situationen hat dies nicht so präzise funktioniert, da Yagami auch manchmal stolpert, ohne dass wir eine Taste drücken konnten.
Auch die Dialoge haben nun mehr Bedeutung. Die Yakuza-Reihe war schon immer für seine komplexen Geschichten bekannt. Doch nun sollten wir das Geschehen im Auge behalten und gut zuhören, wenn wir die volle Punktzahl abstauben wollen. Dazu zählt es, bei Befragungen die richtigen Fragen zu stellen, oder bei Gerichtsverhandlungen rechtzeitig die korrekten Beweise zu liefern. Vermasseln wir das, passiert allerdings praktisch nichts. Yagami zieht dann lediglich seine Behauptung zurück, um einen neuen Versuch zu starten. So entgehen uns zwar Bonuserfahrungspunkte, diese können wir uns jedoch später in Nebenmissionen oder Straßenkämpfen wiederholen. Judgment bietet übrigens endlich wieder eine englische Sprachausgabe. Für traditionelle Yakuza-Fans sind aber auch die japanische Sprachausgabe sowie die passenden deutschen Untertitel vorhanden.
Ein Stadtteil und seine Bewohner
Was Kazuma konnte, kann Yagami schon lange. So amüsieren wir uns in der Innenstadt von Tokyos Rotlichtviertel mit allerlei Nebenbeschäftigungen. Abseits der Missionen können wir in Sega-Spielhallen jede Menge Arcadeklassiker spielen oder an Gesellschaftspielen wie Dart, Mahjong, Baseball und Blackjack teilnehmen. Einen besonderen Stellenwert übernimmt Yagamis Drohne. Die benutzen wir nicht nur, um höherliegende Tatorte auszuspionieren, sondern auch für Drohnenrennen. Die Ersatzteile finden wir überall in der Stadt. Mit den richtigen Blaupausen, die wir erst fotografieren müssen, bauen wir schließlich schnellere, wendigere und robustere Drohnen.
In den Nebenmissionen schließen wir neue Freundschaften, indem wir Leuten in der Not helfen. Allerdings ist Yagami noch immer ein Privatdetektiv und so kommt es, dass wir interessante Nebenmissionen als solcher lösen müssen. Während wir dafür lediglich auch immer wieder die oben genannten Spielmechaniken nutzen, unterhalten die Nebenaufträge durch ihre amüsanten und sympathischen Nebencharaktere und bringen darüber hinaus weitere Erfahrungspunkte.
Schauplatz Kamurocho hat nach sieben Yakuza-Teilen einen eigenständigen Charakter, der sich ebenso gewandelt hat wie seine Bewohner. Tatsächlich spielt sich Judgment ähnlich wie die Yakuza-Teile und versprüht mit seinem symphatischen japanischen Charme eine gelungene Mischung zwischen atmosphärischer Seifenoper und Martial-Arts-Thriller. Die neuen Elemente und der Perspektivenwechsel vermitteln frischen Wind. Neuling Yagami steht aber noch immer im Schatten des Drachen von Dojima. Ein spannendes Debut hat er dennoch hingelegt. Wer weiß, ob sich die beiden in einem zukünftigen Ableger nicht doch einmal begegnen. Ein brandneuer Yakuza-Teil samt neuem Hauptcharakter steht für das kommende Jahr ebenfalls in den Startlöchern.