Eine Gesellschaft, deren Ordnung sich von Grund auf geändert hat: Seitdem bekannt ist, dass alle Frauen der Magie fähig sind, kontrollieren Hexen die Geschicke der Macht. Dass sie nicht minder grausam sein können als ihre männlichen Pendants, muss auch die ambitionierte junge Hexe Helena feststellen, als sie zwischen die Fronten zweier Ideale gerät.
Europa im Jahre 1466: Um das Ende der mörderischen Inquisitionen herbeizurufen, greift der bis dato geheime Rat der Hexen zu einer drastischen Maßnahme. Sie enthüllen der Öffentlichkeit ein Geheimnis, welches das damalige Weltbild in seinen Grundfesten erschüttert: Jede Frau kann zaubern! Mit ihren neu entdeckten Fähigkeiten etablieren die Hexen eine neue Gesellschaft, in der sich alles um Magie und die ominöse „Goldene Frau“ dreht. Ihr zu dienen und den Status Quo zu halten, dies ist das Ziel der Schwesternschaft. Verräter werden hart bestraft, fähige Hexen können hoch aufsteigen. Das sorgt für Neid und Missgunst unter den Hexen und fiese Intrigen werden gesponnen. Auch die talentierte Junghexe Helena muss das feststellen. Als sie ihren Bruder, der zu den Rebellen überläuft, nicht an die weisen Frauen verrät, dreht ihr eine Kameradin einen Strick aus ihrer Geschwisterliebe: Helena wird des Verrats bezichtigt und flieht. Direkt läuft sie den Rebellen in die Arme und muss schon bald feststellen, dass es mehr gibt als nur das schwarz-weiße Macht-Denken um die „Goldene Frau“. Als in ihr dann noch Gefühle für einen der Rebellenführer erwachen, gerät ihr Entschluss, die Truppe zu verraten und ihre Ehre wiederherzustellen, vollends in Schwanken.
Eine Geschichte des Konflikts
Hexenherz: Eisiger Zorn gestaltet sich auf mehreren Ebenen als eine Geschichte des Konflikts: Der ewige Geschlechterkampf zwischen Mann und Frau zieht sich ebenso als Leitmotiv durch das Buch wie Helenas innerer Zerrissenheit zwischen Treue und Moral. Hochachtung ist Monika Loerchner dabei vor allem für die Monologe und inneren Gespräche Helenas zu zollen, die das ganze Buch hindurch immer wieder ihre Gefühle und Einstellungen reflektiert und dem Leser damit auf eine immens emotionale Weise die Zerrissenheit der systemtreuen Frau darstellt, die langsam die tiefen Risse in ihrer Gesellschaft erkennt. Auch diese Umgebung mit ihren gesellschaftlichen Regeln und Normen stellt sie mit einer solchen Selbstverständlichkeit dar, dass man sich (trotz des auf mich im ersten Moment ungewöhnlich wirkenden Habitus der Hexen) in keinem Moment über diese neue Welt wundert, sondern sie das ganze Buch hinweg als gegeben und logisch hinnehmen kann. Angesichts dieser Vielfalt und detaillierten Darstellung von Helenas Charakter und der fein gezeichneten Welt der Hexen wirken einige Nebenfiguren jedoch oft schwer nachvollziehbar. Ihre Beweggründe werden nicht immer deutlich, dadurch wirken sie in ihren Handlungen bisweilen sprunghaft und willkürlich. Glücklicherweise fällt dieser Umstand nicht allzu sehr ins Gewicht, lässt die Autorin dafür nämlich zu oft Helenas Sichtweise und Interpretationen der Reaktionen ihrer Mitmenschen im Fokus stehen.
Ein Roman zum Nachdenken
Hexenherz: Eisiger Zorn reiht sich damit nahtlos in die Reihe großer Dystopie-Romane wie Die Tribute von Panem oder Die Bestimmung ein. Monika Loerchner schafft mit ihrer Hexen-Gesellschaft einen schlüssigen Gegenentwurf zum jahrhundertealten Patriarchat, der diesem an Grausamkeit und Engstirnigkeit in nichts nachsteht, und bringt den Leser mehr als einmal zum Nachdenken über klassische Geschlechterrollen und deren Relevanz für ein harmonisches Miteinander. Unerbittlich, intelligent und bis zum Schluss nervenaufreibend und überraschend – ein tolles Buch, an dem vor allem Liebhaber oben genannter Werke große Freude haben werden.
Hexenherz: Eisiger Zorn
Monika Loerchner
(ACABUS, 2017)
440 Seiten, Taschenbuch
ISBN: 978-3862824564
Webseite: acabus
Dieser Artikel ist erschienen bei:
Zauberwelten-Online.de