Ein Wort vorab: Diese Rezension geht davon aus, dass du HeroQuest kennst und daran interessiert bist, es mit jüngeren Kindern zu spielen als mit Teenagern. Laut Hersteller eignet sich das Spiel ab 14 Jahren, aber wir haben es bereits mit Grundschulkindern gespielt.
HeroQuest bietet meiner Ansicht nach Eltern die Möglichkeit, jüngere Kinder in die Welt der High Fantasy einzuführen und gleichzeitig den Klassiker aus Kindheit und Jugend zu spielen. Diese Rezension richtet sich also primär an Eltern, die sich die Fragen stellen könnten: Ist HeroQuest heute noch zeitgemäß? Und wie schlägt sich die Neuauflage im Vergleich zu den Erinnerungen an die Version aus der eigenen Kindheit? Wer eine detaillierte Übersicht der Unterschiede zur Neuauflage und allgemeine Hintergrundsinformationen zum Spiel sucht, findet unter Links verlässliche Blogs und Websiten.
Spielmechaniken und Inhalt
HeroQuest ist ein klassisches Dungeon-Crawler-Brettspiel, das sich durch einfache Regeln und klare Zielsetzungen auszeichnet. Ohne sich lange Vorzubereiten, kann man dank der simplen Regeln starten. 1 Spielleiter*in übernimmt den Dungeon und 1 bis 4 Spieler*innen schlüpfen in die Rollen von Helden wie Barbar, Zwerg, Zauberer oder Elfe und erkunden Verliese, kämpfen gegen Monster und suchen nach Schätzen. Die Sessions dauern gut eine Stunde, sodass es für einen kurzweiligen Abend perfekt geeignet ist.
Die Regeln sind zum größten Teil gleich geblieben, lediglich werden Fallen nicht direkt aufgedeckt, sondern ihr Standort angezeigt, und es ist möglich über sie zu springen und sie zu entschärfen.
Zu Beginn verteilen die Spielenden lediglich die Charakterkarten unter sich aus, notieren die grundlegenden Werte mit Bleistift und legen das leere Spielbrett auf den Tisch. Die Neuauflage bringt eine Companion-App, die den Einstieg in HeroQuest immens erleichtert. Die 1 GB große Software führt die Spieler*innen Schritt für Schritt durch das Abenteuer. Sie zeigt, wo welche Gebäudeteile, Monster und Helden gelegt werden müssen, gibt Erklärungen zum Würfeln und zum Bedienen der App, übernimmt die Steuerung der Gegner, zeigt Ereignisse an und gibt Hinweise während im Hintergrund eine angenehme Dark Ambient Musik läuft. Das Übernehmen der Spielleiterfunktionen durch die App hat nicht nur den Vorteil, wenn man selbst ungern Regeln liest und einfach starten möchte, sondern auch, wenn man mit ungeduldigen Mitspieler*innen am Tisch sitzt, die zwischendurch mit Getränken und Snacks versorgt werden möchten.
Ablauf
Die Spieler*innen bewegen ihre Charaktere durch das Verlies des schurkischen Magiers Zargon, untersuchen Räume und kämpfen gegen Monster. Kämpfe werden durch beiliegende Würfel entschieden, und die Ergebnisse sowie Schadenspunkte werden zusätzlich in die App eingegeben, die automatisch berechnet, ob ein Gegner besiegt wurde. Dabei greift die App kurz: Sie trackt dabei nicht, wie viele Aktionen eine Figur ausführt und wann die nächste dran ist, was den Eltern die Verantwortung überlässt, Fairness und Zugkontrolle sicherzustellen. Ansonsten läuft das Spiel mit der App flüssig und man kann in die Atmosphäre und Story eintauchen.
Spielzeit und Gruppe
Eine typische Quest dauert laut Hersteller 60 bis 90 Minuten. Mit jüngeren Kindern kann die Dauer jedoch deutlich kürzer ausfallen, vor allem, wenn komplexere Spielelemente wie Artefakte oder das Suchen nach Schätzen zunächst weggelassen werden. Beim ersten Abenteuer benötigten wir beispielsweise nur 20 Minuten, da wir uns auf das Erkunden und Kämpfen konzentrierten. Das genügt auch und ist machbar.
HeroQuest eignet sich auch für Familien, die gerne Schulfreund*innen einladen, da das Spiel wie oben beschrieben in ungeübten Gruppen schnell zugänglich ist. Es bietet eine Gelegenheit, Kinder spielerisch miteinander in Kontakt zu bringen, gerade in der dunklen Jahreszeit, wenn Aktivitäten im Freien weniger möglich sind. Darüber hinaus dient es als toller Einstieg ins Tabletop und Pen & Paper.
Pädagogischer Mehrwert
HeroQuest kann über reines Spielen hinaus gesehen werden: Die englische Sprachausgabe der App kann für Kinder eine Gelegenheit sein, neue Vokabeln zu lernen oder ihre Sprachfähigkeiten zu verbessern. Alternativ kann man den Ton ausschalten und die Texte auf Deutsch vorlesen lassen, was eine Übung im Vorlesen ist. Folgefragen in die Runde trainieren das Text-Verständnis wie bei einer Lektürearbeit in der Schule. Zusätzlich fördert das Spiel mathematisches Denken, da Würfelergebnisse addiert werden müssen. Aus eigener Erfahrung kann ich sagen, dass das Addieren von Schadenspunkten mein Kopfrechnen verbessert hat. Das ist kein Einzelfall, denn die wissenschaflichte Untersuchung von Spielen und Rollenspielen im Bereich der Game Studies hat in den letzten Jahrzehnten nachgewiesen, dass unterschiedliche Fertigkeiten durch analoge und digitale Spiele gefördert und gestärkt werden.
Gestaltung und Atmosphäre
Die Neuauflage von HeroQuest bleibt der ursprünglichen Version aus den 1980er-Jahren treu. Die Miniaturen sind detailliert und stabil, die Kartonage ist fest, und die Spielpläne sind hochwertig gedruckt. Die Plastikfiguren werden bereits ausgestanzt geliefert, sodass Ausschneiden und Entgräten entfallen – ein deutlicher Vorteil gegenüber manchen anderen Spielen.
Die App trägt maßgeblich zur Atmosphäre bei: Sie bietet passende Hintergrundmusik und Soundeffekte, die während des Spiels für eine immersive Stimmung sorgen.
Visuelle Gestaltung
Die Gestaltung ist insgesamt klassisch gehalten, was für viele Eltern nostalgisch wirken dürfte. Allerdings zeigt sich hier auch ein Schwachpunkt: Von den vier spielbaren Charakteren ist nur einer weiblich. Dieser Mangel an Diversität wirkt in der heutigen Zeit veraltet und könnte vor allem für Mädchen, die sich stärker identifizieren möchten, enttäuschend sein. Dank der 3D Figuren und der Möbel fühlt man auch heute noch die damals bahnbrechende Wirkung, die HeroQuest hatte. Als erstes kommerzielles Brettspiel tauschte es Tokens und Marker gegen dreidimensionale Gegenstände und Figuren aus.
Erweiterte Immersion
Für Eltern, die das Spielerlebnis noch intensiver gestalten möchten, ergeben sich zahlreiche Möglichkeiten aus der Larp- oder P&P-Karriere. Die Kinder können ihre Charaktere selbst benennen und diese in eigene Geschichten einbinden. Für eine intensivere Spielerfahrung könnten Eltern sogar Hintergrundgeschichten für die Held*innen erzählen, sodass die Figuren lebendiger wirken. Eine einfache Ergänzung wäre, die Kinder dazu anzuregen, Szenen aus dem Spiel zu zeichnen oder sich eigene Geschichten auszudenken – ein Ansatz, der sowohl Kreativität als auch die Verbindung zum Spiel fördert.
Ein Spieleabend mit Kindern profitiert zudem von Dekoration, wie z. B. einen virtuellen Kamin auf dem Fernseher oder Tücher, die das Wohnzimmer in eine Höhle verwandeln, während LED-Kerzen flackern. Eltern können zudem selbst einfache Gewandungen anlegen oder die Kinder dazu ermuntern, Kostüme zu tragen, um die Fantasie noch weiter zu beflügeln. Gerne angenommen werden passende Snacks, wie man sie etwa in den Kochbüchern von Zauberfeder findet. Heldenmahl offeriert Rezepte aus Dungeons & Dragons.
Sind Tabletop-Spieler*innen im Haus, können die Spielfiguren angemalt werden. Schließlich kann der Boxinhalt als Material für eigene Geschichten dienen oder mit klassischen Pen and Paper Systemen kombiniert werden, wie den kindgerechten Äventyr beispielsweise.
Wer nach einem Spiel für die dunkle Jahreszeit sucht, das Teamwork, Strategie und Fantasie fördert, findet mit HeroQuest eine lohnenswerte Investition.
Das Produkt wurde kostenlos für die Besprechung zur Verfügung gestellt.