Hermit - Ein Froschbarbar schlägt zu – Der Schrei der Schmättterlinge
Sword and Sorcery hat viele Gesichter. Aber so eines hatte es bestimmt noch nicht. Im Schrei der Schmättterlinge schicken Illustrator Daniel Bechthold und Autorin Ina Elbracht einen Frosch mit Hörnerhelm auf eine epische Quest. Das Ergebnis ist trotz humoristischer Einlagen um einiges ernster als erwartet. Dank starker Zeichnungen und klug verzahnter Handlung liefert Hermit eine Sword & Sorcery Erfahrung auf Höhe der Zeit.
In Raupenpelz gekleidet und mit gehörntem Helm auf dem Kopf, zieht Hermit der Froschbarbar durch die Ländereien Treborias. Als käuflicher Söldner hat der Palusier schon so einiges erlebt. Nichts schlägt aber wohl den Auftrag, den ihm die verführerische Götteranbeterin Kassandra gegeben hat. Gemeinsam mit dem Axolotling Lauch und dem Roboter 08/13 soll er eine ominöse goldene Scheibe bergen. Das allein ist schon außergewöhnlich genug, kommt Gold doch nicht natürlich auf Treboria vor und zieht üblicherweise nur die gefürchteten Goldriecher an. Allerdings soll sich zeigen, dass diese ominöse Scheibe sogar etwas mit den sagenumwobenen Schmättterlingen zu tun hat. Auf mehreren Zeitebenen erzählt Der Schrei der Schmättterlinge eine Geschichte, die droht ganz Treboria umzukrempeln und zumindest Hermit zu einem anderen Menschen – Verzeihung: Frosch – machen soll und hält uns dabei bis zu den letzten Zeilen in Atem.
Dramatis Personae: Roboter 08/13, Froschbarbar Hermit und Axolotling Lauch
Dasselbe in Grün?
Die Konstellation dürfte recht seltsam anmuten. Ein Frosch? Axolotling? Und dann auch noch ein Roboter? Die Welt Treboria hält so einige ungewohnte Ansätze für uns bereit, die sich tatsächlich nicht immer so einfach auflösen lassen. Wir müssen einfach akzeptieren, dass hier anthropomorphisierte Wesen gemeinsam mit Robotern über einen von drei (oder etwa doch nicht?!) Sonnen erstrahlten Planeten wandeln. Das macht uns das Buch aber durchaus leicht. Dadurch, dass die biologischen Eigenschaften der Geschöpfe genutzt werden, um die Eigenart der Gattungen herauszuarbeiten, ergeben sich ungewöhnliche, aber plausible Kreaturen. Und diese werden von der beeindruckenden Schreibkunst Elbrachts so selbstverständlich und lebendig in Szene gesetzt, dass wir die Annahmen beim Lesen kaum noch hinterfragen. Das Ergebnis ist ein erwachsenes Leseerlebnis mit gelegentlichen humoristischen Einlagen und Charakteren, mit denen wir mitfühlen. Egal ob Frosch oder nicht.
Treboria ist eine phantastische Welt im wahrsten Sinne des Wortes
Überhaupt. Egal ob Zeichnungen, Handlung oder Flair. Hermit ist ein würdiger Vertreter des durchaus etwas angestaubten Genres. Am beeindruckendsten ist jedoch, dass sich das Buch frisch liest. Bei aller Genretreue werden Klischees rearrangiert und gebrochen. So gibt es etwa die erwartbare Liebeskonstellation, die durchaus auch offen sexuell dargestellt wird. Dabei ist der weibliche Part aber trotz klarem Fokus auf den männlichen Hauptcharakter mehr als nur Lustobjekt. Durch die starken Götteranbeterinnen und insgesamt selbstbewussten Charaktere findet sogar eine weitreichende Umdeutung von Geschlechterrollen statt, die so manche Stereotype in der wohlverdienten Mottenkiste belässt. Solche Brüche allein machen indes noch kein gutes Buch. Dafür, dass sich die Heldenreise frisch liest, sorgt auch Elbrachts durchweg treffsicherer Stil. Sie versteht es die Charaktere facettenreich und lebendig zu schildern. Action, Humor und nachdenkliche Passagen wechseln sich perfekt arrangiert ab. Das ihr das stilsicher in einem für sie eher ungewohnten Nischengenre gelingt, ist umso beeindruckender.Wieder einmal beweist Elbracht mühelos, dass sie zu den stärksten Stimmen der deutschsprachigen Indie-Phantastik gezählt werden kann.
Auch eine gehörige Portion Action gehört dazu
Text trifft Bild
Das die Schöpfer*innen des Epos ein gutes Team sind, konnte das Duo bereits in Klunga und Pentimenti zeigen. Hermit ist indes vielleicht noch ein bisschen mehr Gemeinschaftsarbeit als die anderen Projekte. Ursprünglich eine fixe Idee von Bechthold, war Elbracht von den ersten Charakterskizzen an begeistert und hat sich ins für sie bisher unbekannte Terrain der Sword & Sorcery Phantastik gewagt. Seitdem arbeiteten die beiden intensiv am Froschbarbaren, dem die Kölnerin ihre schriftstellerische Stimme verleiht. In seinen zum Genre passenden Tuscheillustrationen präsentiert uns der erfahrene Coverartist Bechthold (er zeichnet u.a. für Kanonenfieber) einen dynamischen, aber auch mal nachdenklichen Froschhelden in all seinen Facetten. Noch beeindruckender als diese Szenen sind die oft doppelseitigen Großillustrationen, die Landschaften oder ganze Armeen in Szene setzen. Auch wenn mir der Stil gelegentlich etwas zu unruhig ist, setzen die über 50(!) Illustrationen die Stimmung und geben Hermit einen ordentlichen Anteil “Metal”. Und der passt ja bekanntlich perfekt zu Sword & Sorcery.
Eine der beeindruckenden doppelseitigen Illustrationen
Text und Bild greifen durch diese enge Zusammenarbeit im Buch eng ineinander, was sich auch in einem nicht nur für Self-Publishing-Verhältnisse besonders aufwändigen Layout ausdrückt, das Alexander Schmalz gesetzt hat. Ergebnis ist ein Buch, dem man nicht anmerkt, dass kein Verlag dahinter steht, sondern ein begeistertes Team. Das muss auch für das Korrektorat gelten, dem kein Fehlerkäfer durchgekrabbelt ist. Zumindest mir ist kein einziger Fehler aufgefallen. Das ist nicht nur im Selbstverlag eine echte Seltenheit!
Mehr als ein Buch
Hermit ist indes mehr als “nur” ein reich illustriertes Buch. Noch bevor die erste Zeile geschrieben war, lächelte uns sein Konterfei in Zeichnungen auf Social Media und gar auf Tassen entgegen. Und nicht nur das: Dem Frosch ist ein ganzes Stoner Rock Album gewidmet, das sich perfekt als Begleitmusik zur Lektüre eignet. Daran zeigt sich Bechtholds Hintergrund in der Musikszene, das ihm erlaubt hat, ein echt hochwertiges Album für das doch recht kleine Projekt zu gewinnen. Und wem das noch nicht reicht, der kann einen Blick in den kleinen Hermitalmanach werfen, der vielleicht einen Vorgeschmack auf etwas mehr Weltenbau liefert.
Es kann mitunter auch düsterer werden
Mit anderen Worten: Hermit und seine Welt ist auf mehr ausgelegt als ein Roman, wenngleich dieser problemlos für sich stehen kann. Wenn es eine Eintagsfliege wäre, sie wäre fett und sättigend. Es wird jedoch spannend zu sehen sein, was wir noch alles auf Treboria erleben werden.
Fazit:
Meine Begeisterung dürfte deutlich geworden sein und muss natürlich nicht ansteckend sein. Ob die ungewohnte Mischung aus Frosch und Schwert zündet, ist sicher wie immer vom Geschmack abhängig. In jedem Fall liegt hier jedoch ein handwerklich außergewöhnlich hochwertiges und enorm liebevoll gemachtes Buch vor. Nicht nur wegen der ungewöhnlichen Charaktere ist es ein Buch, das es so ganz bestimmt kein zweites Mal gibt. Wer sich auf etwas andere Fantasy einlassen kann, wird hier voll und ganz fündig werden. Treboria ist immer einen Leseabend wert!
Das Produkt wurde kostenlos für die Besprechung zur Verfügung gestellt.
Dieser Artikel ist erschienen bei: Zauberwelten-Online.de
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