
Der Fluch der Zeit. – Urlaub in Pakyrion
In ihrem zweigeteilten neuen Werk des "Fluches der Zeit" entführen uns Steffen Kempf und Astrid Wolpers in die sagenumwobene Welt Pakyrions, in welcher die Protagonist*Innen einem alten Fluch auf den Grund gehen, bei Kämpfen mit Riesenspinnen und allerlei anderen Bösewichten gefordert werden, oder aber ganz unverhofft die Liebe entdecken.
Das namensgebende Dorf Pakyrion ist der fiktive Ort, den die Protagonist*innen anstreben, um dort ein gemütliches Larp-Wochenende zu verbringen. Doch bei der ausgespielten Anreise ins Dorf zieht dichter Nebel auf. Kurz darauf scheint aus dem Spiel bitterer Ernst geworden zu sein, als die Wunden, die ein Wolf schlägt, realer wirken, als sie sollten. So stellt sich schnell die Frage, ob noch alles in seinen geregelten Bahnen verläuft, oder etwas ganz anderes gerade dabei ist, die Fäden zu ziehen …
Aufbau des Werkes
Der Fluch der Zeit wurde von den Autor*innen auf zwei Bände aufgeteilt. Im ersten Band ist weitgehend die Ankunft in Pakyrion beschrieben, ebenso werden dessen Bewohner vorgestellt, damit die Leser*Innen sich ein gutes Bild des Ortes vor ihrem geistigen Auge malen können. Die drei Hauptcharaktere (Caro, Maik und Samuel) erhalten erste Nebenquests und der Beginn der großen Hauptquests wird geschildert. Am Anfang steht die Ankunft in der "diesseitigen" Welt, in der man mehr über das für das Larp-Event eingerichtete Dorf Pakyrion erfährt. Dort melden sich die Spieler*innen an und werden vorgefertigten Gruppen zugeteilt.
Im zweiten Band spitzen sich die Ereignisse und Abenteuer rasant zu, sodass man bereits nach den ersten Seiten ahnt, dass man auf ein fulminantes Ende zusteuert. Dieser Teil des Werkes spielt komplett in Pakyrion, mit einigen Exkurs-Kapiteln in die reale Welt, die dem Werk eine Tiefe verleihen, welche ich im ersten Band etwas vermisst habe. In diesen werden den Leser*innen das erste Mal die Konsequenzen der "in-game" verbrachten Zeit und die Ummünzung der im in dem Dorf vergangenen Tage und Wochen auf die wirkliche Welt stärker vor Augen geführt. Mit diesen simpel eingefügten Kapiteln gelang es Kempf und Wolpers, mich im zweiten Band stärker zu fesseln, da ich mehr Empathie für die Helden aufbaute, und mir erhoffte, dass sie bald wieder nach Hause zurückkehren können.
Das Abenteuer beginnt...
Am Anfang des ersten Buches erwartet die Leser*innen ein kurzes Kapitel zu jedem der drei Hauptcharaktere. In diesem verstehen es die beiden Autor*innen, ein klares Bild der jeweiligen Persönlichkeit zu zeichnen. Wir erfahren mehr über die Hintergründe, die Gefühlswelten sowie Träume und Wünsche von Caro, Maik und Samuel. Dies ist insofern von großer Relevanz, da sich diese auf die jeweiligen Entscheidungen auswirken, welche die Charaktere im späteren Verlauf des Werkes treffen. Ebenso erhalten wir Informationen, in die Rolle welcher (Spiel)Charaktere die jeweilige Person schlüpfen wird. Caroline schlüpft in die Rolle der Bardin Charma, Samuel in die Rolle des Kriegers Pandroklus und Maik in jene des Magiers Laralon.
Da Samuel erst kurzfristig einen Platz im LARP-Event bekommen hat, wird ihm die Ehre zuteil, als einzig erfahrener Rollenspieler mit Caro und Maik zusammen zu starten. Auf die Kennenlernsequenz folgt die vermeintlich kurze Rückreise in Richtung des Dorfes, in welcher alle Spielenden mit dem eigenen Charakter vertraut werden sollem. Diese wird jedoch von unerwartetem Nebel unterbrochen. Den darauf folgenden Großteil des ersten Buches machen die Abenteuer und Quests aus, die in Pakyrion erlebt werden – allen voran das Rätsel um den Fluch der Zeit. Die Bewohner des Dorfes werden in Interaktionen und Dialogen genauer ausgeführt, sodass deren Gefühle, Antriebe und Handlungsarten verstanden werden können.
Die Kapitel sind aus der Sicht der einzelnen Charaktere verfasst. Das einzige Wesen, das im Buch in kleinen Zwischenkapiteln neben der Heldengruppe Monologe hält, trägt den Namen Elrik. Diese Kreatur, die augenscheinlich für die Vorgänge um die Heldengruppe verantwortlich ist, wird nicht beschrieben. Hierdurch wird die Fantasie der Leser*innen angeregt, worum es sich hierbei handeln könnte und welche die größeren Geschehnisse sind, die hinter den Ereignissen stehen.
Anfangs glauben Caro, Maik und Samuel, dass sie sich in einer Art virtuellen Realität befinden, ein offensichtlich geheimes und brandneues Projekt der Veranstalter des Larp-Wochenendes. So ploppen nach jedem Kampf und jeder kleineren Errungenschaft virtuelle Charakterbögen vor ihnen auf, mit welchen die eigenen Werte gesteigert werden können. Meiner Meinung nach dauerte es im Werk zu lange, bis die ProtagonistInnen verstehen, dass es sich offensichtlich nicht um eine virtuelle Welt, sondern eine alternative Welt handelt. Dieses Sicht wird den Großteil des ersten und zweiten Bandes beibehalten, auch wenn sich die Charaktere manchmal gegen diese Idee stemmen.
Fazit:
Die Aufmachung des Werkes, eine Kampfsequenz im Fantasystil, sprach mich gleich an. Die Widmung, die auf die erste Seite gedruckt ist, lädt dazu ein, die ersten Seiten nach Erhalt der Literatur zu lesen. Einzig die großgedruckten Texte störten mich, das Buch hätte mit kleinerer Schrift, weniger Zeilenabstand und Seiteneinrückungen auf einen Band reduziert werden können.
Als Rollenspieler wird schnell offensichtlich, dass das Dorf, in und um welches die Quests stattfinden, als Sprungbrett in die große Welt dient, die in den weiteren Bänden der Geschichte erkundet werden wird. Durch die Einfügungen des Wesens Elrik wird den LeserInnen signalisiert, dass eine riesige Welt von den AutorInnen entworfene Welt auf sie wartet, die außerhalb des Dorfes liegt. Ich fand diese subtile Art des "Lust-Erweckens" auf Mehr wundervoll.
Die Idee der Geschichte an sich war für mich eine fabelhafte Verbindung von Larp und Pen&Paper, die erfrischend neu wirkt. Einzig das bereits erwähnte Festklammern und "Ablehnen des gesunden Menschenverstandes" (im Bezug auf die Realität) über lange Strecken des Fluches der Zeit war (für mich persönlich) etwas unverständlich. Dies hätte durchaus gekürzt werden können, vor allem da die Charaktere, sobald sie ihr Umfeld vollständig begriffen haben, ihr Handeln ändern.
Alles in allem ist Aufbruch nach Pakyrion allen Larp- und Rollenspiel-Fans ans Herz zu legen. Die Easter-Eggs, die im Werk versteckt wurden, sind durchwegs amüsant, manche fand ich erst beim erneuten Lesen der Bände. Die Charaktere sind in allen Facetten beschrieben und stecken voller Leben, sodass man sich gut einfühlen kann. Das Werk liest sich sehr leicht und flüssig, was es zu einer angenehmen Abendlektüre macht.
Auf jeden Fall bin ich schon gespannt, wer oder was Elrik ist und wie es mit den Abenteurern weiter geht - und ob Samuel seine Verlobung noch retten kann.
Information!
Der Fluch der Zeit wurde inzwischen mit Tolino Media selbst noch einmal neu veröffentlicht und zu einem Buch zusammen gefasst. Daher hat die Zauberwelten-Online-Redaktion das Cover sowie die ISBN und weitere Angaben auf Wunsch der Autor*innen ersetzt.
Dieser Artikel ist erschienen bei: Zauberwelten-Online.de

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