Fictional Reality – Ist das Leben wirklich real?
Alexandra hat nach dem tödlichen Autounfall ihrer Familie unerklärliche Gedächtnislücken, die sie zunächst durch den erlebten Verlust und ihre Trauer erklären will. Als sich jedoch seltsame Vorfälle häufen, Geschehnisse rückwirkend verändern und Alexandra sich immer mehr fremdbestimmt fühlt, hegt sie einen schrecklichen Verdacht …
Der Tod von Alexandras Familie – ihren Eltern und zwei Geschwistern – lastet schwer auf der 17jährigen. Zurückgezogen verbrachte sie einen Monat in ihrem Elternhaus, woran sie sich später jedoch nicht erinnern kann. Nicht einmal die Beerdigung taucht überhaupt in ihrer Erinnerung auf. Als die büchervernarrte Alexandra zu ihrer Tante zieht und sich das junge Mädchen zwischen Trauer und gezwungener Normalität bewegt, fühlt sie sich wie ferngesteuert, ohne Macht, das Geschehen zu beeinflussen.
Auch in der Schule, wo sie auf ihre Freunde trifft, wirkt die Welt einfach nicht richtig – als ob ein Autor vergessen hätte, die Situationen schlüssig und folgerichtig auszuarbeiten. Halt findet Alexandra in dieser verwirrenden Zeit, die von Alpträumen und panischer Angst vor Autos geprägt ist, nur bei ihrem Freund Liam, für den sie starke Gefühle entwickelt. Doch auch hier scheinen kleine Ungenauigkeiten aufzukommen, dessen ist sich Alexandra sicher. Wird sie dahinterkommen, wer oder was ihr Leben durcheinanderbringt?
Trauerbewältigung mit Fantasy
In die Geschichte von Fictional Reality taucht der Leser vom ersten Moment an sofort hinein, wenn er mit der Protagonistin den letzten Tag in der Familiengemeinschaft erlebt und somit Teil der überschwänglichen Trauer wird, die Alexandra nahezu den gesamten Roman begleitet. Sehr flüssig und dabei gefühlvoll geschrieben, wird das Thema des Kummers in der Story aufgegriffen, ehe die Thematik langsam von „Reality“ zu „Fictional Reality“ übergeht. Dennoch bleiben der Seelenschmerz und die Verzweiflung ein zentrales Thema, zu dem sich schrittweise die Fantasy-Ebene dazugesellt.
Ähnlich wie in einer Detektivgeschichte versucht Alexandra nämlich, dem Mysterium vorsichtig auf den Grund zu gehen, von dem sie glaubt, dass es ihr Leben in ungewollte Bahnen lenkt. Jedoch nehmen diese gut durchdachten und spannenden Sequenzen erst zu einem späteren Zeitpunkt der Geschichte mehr Raum ein und sind zum Teil nur bruchstückhaft mit der Storyline verknüpft, sodass der Ablauf etwas ins Stottern gerät und bisweilen eine Stagnation im Geschehen einkehrt.
Trotzdem gelingt der Autorin mit dem Vermischen dieser zwei unterschiedlichen Thematiken eine ungewöhnliche Story-Idee, die dem Leser einen so ganz anderen Blick auf die Realität beschert. Besonders die vielfach eingebrachten Gedankengänge von Alexandra sind dabei treibende Kraft auf der verzweifelten Suche nach Realität und Selbstbestimmung im eigenen Leben, was ebenso symbolische wie auch praktisch-handlungsbezogene Aspekte des Romans gleichzeitig in sich vereint.
Fazit
Sowohl durch den angenehmen und lockeren Schreibstil als auch durch die ungewöhnliche Kopplung der Story-Aspekte zu einem runden Romanbild hat Christin C. Mittlers Buch Fictional Reality eine einprägsame Wirkung auf den Leser. Trotzdem hätte die Verknüpfung der beiden zentralen Angelpunkte – Fiktion und Realität – meiner Meinung nach mehr Potential gehabt, das in diesem Maße nicht in den Roman eingeflossen ist und sich erst zum Finale der Story in angemessener Größe zeigt.
Der Roman um Alexandra ist eine Geschichte, zu der man als Leser schnell Zugang findet, obwohl die Erwartungshaltung anhand der Beschreibung eine andere ist. Das Buch nutzt weniger phantastische Elemente, als man bei der vorgestellten Story-Line eigentlich erwartet. Dennoch schmälert dies nicht das Leseerlebnis, denn Fictional Reality schafft es, Familienunglück, Trauer und Verlust als treibende Handlungsstränge einzusetzen, die mit einem kleinen Beiwerk an Fantasy gewürzt werden.
Dieser Artikel ist erschienen bei: Zauberwelten-Online.de
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