Der bekannte Stickerhersteller Panini hat einen Schwung Escape- bzw. Rätselgames rausgebracht. Mit Baker Street – Das Vermächtnis von Sherlock Holmes sollen Fans des wohl berühmtesten Detektivs aller Zeiten angesprochen werden und das funktioniert auch. Allein beim Titel des Spieles juckt es Hobby-Verbrecherjäger in den Rätselfingern und hohe Erwartungen werden geweckt. Ja klar wollen wir Sherlock bei der Lösung seines Falls unterstützen, denn schließlich steckt in jedem von uns ein kleiner Dr. Watson! Und der oberflächliche, erste Eindruck ist auch ein toller… bis wir anfangen möchten zu spielen.
Doch bevor wir näher an den Unglücksfall herantreten, lassen wir zuerst Sherlock Holmes selbst einleitend zu Wort kommen. In Form eines Briefes, der in der Anleitung ganz hinten abgedruckt ist, erklärt er uns in gewohnt spezieller Manier, worum genau es geht und weshalb wir diejenigen welchen sind, die helfen sollen.
„Werte Amateurdetektive,…
…Scotland Yard hat mich kontaktiert, um im Mordfall von Shirley Hawkes zu ermitteln, einer Londonerin, die auf mysteriöse Weise umgebracht wurde. Doch seit einigen Jahren habe ich mich aufs Land zurückgezogen, um meinen Ruhestand zu genießen, außerdem ist es absolut unerlässlich für mich, meine Abhandlung über Bienenzucht zu beenden, an der ich arbeite. Daher habe ich beschlossen, Ihnen diese Ermittlung anzuvertrauen, damit Sie Ihre Fähigkeiten unter Beweis stellen können. Das Verbrechen wurde in der City of Westminster begangen…“
Sherlock erzählt dann noch ein bisschen hier und da etwas und erklärt am Ende seines Briefes, dass die Belohnung für diejenigen, die den Mördern finden, sein Büro in der Bakerstreet ist. So weit, so gut.
Anleitung und Rätselhinweise – Die zwei größten Probleme
Wie gesagt macht das Spiel auf den ersten Blick einen sehr guten Eindruck. Der untere Teil der kleinen Schachtelbox wird überraschenderweise zur Kartenunterlage, das Material ist hochwertig. Und ja, zuerst freuen wir uns über die erstaunlich kleine und kurze Anleitung. Doch die Freude schwindet schnell, als wir die Anleitung lesen. Denn obwohl wenig drin steht, versteht man nicht, wie das Spiel gespielt werden soll. Ja klar sollen Rätsel gelöst werden, und dann gibt es eben Hinweise, so schwer kann das eigentlich nicht sein. Daher lesen wir nochmal… und sind verwirrt.
Aber so schnell lässt man sich als langjähriger Spieler und Regelbuchleser nicht ins Bockshorn jagen. Und erst recht nicht von so einer kurzen Anleitung. Aus Erfahrung weiß man: Bei einem Probespiel verschwinden die Fragezeichen. Aber - denkste! Hier nicht.
Obwohl es nicht viel zu tun gibt, weiß man nicht wirklich, wie man vorgehen soll. Die Struktur des Spiels ist nicht klar. Das liegt daran, dass man nicht genau weiß, wie man mit den Hinweisen, die den Kern des Spiels ausmachen, umgehen soll. An dieser Stelle ist ein Punkt ganz wichtig zu wissen: Die Hinweise können entweder Zwischenhinweise sein, die zu weiteren Hinweisen führen. Oder es sind Finalhinweise, die man zur Identifizierung des Mörders auf dem Poster benötigt. Der Unterschied ist visuell auf den Karten nicht gekennzeichnet. Aus Erfahrung kann aber gesagt werden, dass die Finalhinweise meist immer an einem der folgenden Schlüsselfakten im Text zu erkennen sind: Brille ja / nein, Schmuckstück ja/ nein, Raucher ja/ nein, Spazierstock = älterer Mensch, Mann /Frau, Gift ja/ nein, etc.
Sieht eigentlich gut aus... man sollte sich nur überlegen,
ob man Baker Street auch spielen möchte
Hat man das Rätsel der Spielsystematik geknackt, kommt man zum zweiten großen Problem: Die eigentlichen Rätsel und Zwischenhinweise sind teilweise sehr schwer bzw. man muss manchmal weit hergeholt um die Ecke denken. Eigentlich sollte man schon einschlägige Rätselerfahrung haben, für absolute Anfänger sind die Fragen bzw. „Aufgaben“ zu schwierig. Ist auch nur ein Zwischen- oder Finalhinweis falsch, kann man den Täter vom mitgelieferten Poster, das insgesamt 36 Verdächtige zeigt, nicht identifizieren. Für totale Rätselnerds mag das amüsant sein, für den durchschnittlichen Rätselfreund ist das nicht unbedingt etwas. Und es macht auch keinen Spaß mehr, wenn man schon gefrustet ist, weil man zuvor das Spiel selbst enträtseln musste.
Das meint Ann
Mit „Baker Street – Das Vermächtnis von Sherlock Holmes“ hat sich Panini leider keinen Gefallen getan. Obwohl Idee, Aufmachung und der eigentlich einfache Aufbau gut sind, überwiegt der Frust.
Zum einen liegt das an der schlechten Anleitung. Es ist natürlich schön, wenn ein Spiel simpel gehalten wird, aber es darf nicht ungenau beschrieben sein. Hier hätten etwas mehr Text und Umfang der Mini-Anleitung gut getan.
Zum anderen sind die Rätsel teilweise unverständlich bzw. die Hinweise irreführend. Zwar kann man sich hilfesuchend an die Internetseite wenden, auf der kleine und große Tipps sowie Auflösung stehen, doch sind diese Tipps oft keine allzu große Hilfe und die Lösungslogiken lassen einen manchmal nur mit dem Kopf schütteln. Und selbst wenn man alle vier richtigen finalen Hinweise zusammen hat, ist das noch lange keine Garantie dafür, dass man die richtige schuldige Person auf dem Poster findet. Außerdem ist unklar, von welchen 50 Schuldigen der Werbetext auf der Pappschachtel spricht. Wir zählen nur 36 Personen auf dem Poster.
Ganz wichtig: Will man Baker Street tatsächlich spielen, bloß nicht mit einem eigenen Spiel anfangen. Man sollte zuerst das Beispielspiel nachlegen, das in der Erklärung kurz vor Schluss genannt ist, um überhaupt eine Chance zu haben.
Ob der Wettkampfmodus gegen ein anderes Team Sinn macht ist fraglich. Eigentlich ist man froh, wenn man sich gegen das Spiel, den eigentlichen Gegner, zusammentun kann. Gegen ein anderes Team zu spielen, ist bestimmt noch holpriger.
Übrigens ist das Spiel nicht bis (fast) zur Unendlichkeit spielbar, wie auf der Schachtel vollmundig versprochen wird. Da übertreibt der Hersteller. Natürlich kann man die Grundrätsel immer wieder neu kombinieren und bei den ersten Partien mag das interessant sein, weil man die Antworten noch nicht kennt. Aber mit der Zeit merkt man sich die jeweiligen Hinweise, die Partien werden kürzer. Das Spiel wird nach einigen Runden schon beinahe zum Memory. Die Frage ist nur, ob man Lust hat, diese Runden zu spielen.
Was ebenfalls sehr schade ist, ist dass keine zusammenhängende Geschichte entsteht. Am Ende hat man einfach nur eine lose Bruchstücksammlung von Sätzen vorliegen. Es gibt keine echte Erklärung, warum Shirley von der jeweiligen Person umgebracht wurde. Und an sich versteht man auch nicht, warum Shirley den Zorn von 36 Personen auf sich gezogen hat. Was hat diese Frau der Welt nur angetan, dass so viele Menschen ihren Tod wollen? Wir werden es nie erfahren.
Aber wir verstehen jetzt, warum Sherlock Holmes keine Lust auf diesen Fall hat. Wir haben nämlich auch keine mehr und wenden uns mit Freuden ebenfalls eher der Bienenzucht oder einer Abhandlung darüber zu. Dass Shirleys Mörder unerkannt bleiben werden ist traurig, die Bürobelohnung ist uns mittlerweile schnuppe. Aber an diesen Rätselbrötchen wollen wir uns in der Bakerstreet lieber nicht mehr die Finger verbrennen. Dieses Escape-Game hat uns in die Flucht geschlagen.
Das Produkt wurde kostenlos für die Besprechung zur Verfügung gestellt.
Dieser Artikel ist erschienen bei:
Zauberwelten-Online.de