Der österreichische Autor Erik R. Andara hat zunächst durch zahlreiche Kurzgeschichten, 2019 dann durch sein Romandebüt Im Garten Numen Reden von sich gemacht. Jetzt ist sein neuster Roman, Die Erloschenen, erschienen und bietet ein ungewöhnliches und tiefsinniges Horrorerlebnis.
Ein mysteriöses Phänomen sucht die Menschheit heim: Seitdem ein Kraftwerk errichtet wurde, das kosmische Schwingungen in Energie umwandelt, scheint die Erde mit einem schwarzen Loch verbunden zu sein. In unregelmäßigen Abständen besuchen die Toten die Menschen und reiten sie, ergreifen kurzzeitig Besitz von ihnen und zwingen ihnen ihren Willen auf. Victor Neithardt ist im Wien dieser befremdlichen Zukunft Sozialarbeiter – seine Aufgabe ist es nicht nur, den Menschen auf der Straße zu helfen, sondern auch die von den Toten Besessenen, die sogenannten Erloschenen, zu finden und zu beschützen, bis ihre Körper ihnen wieder selbst gehören. Als er jedoch eines Tages von einem kleinen Jungen angesprochen wird, den der Geist von Victors verstorbenen Freundin Daniela beherrscht, wird er in rätselhafte Vorgänge verwickelt, durch die er das Wesen einer aus den Fugen geratenen Welt ergründet.
Rätselhafte Verstrickungen in einer erschreckend realistischen Dystopie
Die Erloschenen ist ein ungewöhnlicher Roman, der seine Leser*innen gruseln und mitfiebert lässt, zum Grübeln bringt und am Ende mehr Fragen aufwirft, als er beantwortet, aber dennoch rund wirkt. Die Handlung liegt irgendwo zwischen Thriller und Mystery, mit einem guten Einschlag kosmischen Horrors und Elementen aus der nordischen Mythologie und dem Buddhismus. Schon allein diese Beschreibung zeigt, dass die Welt von Die Erloschenen nicht einfach zu fassen ist – was es umso spannender macht, Andaras stimmigen und gut recherchierten World Building zu folgen. Besonders erschreckend ist es, wie realistisch und düster das Wien dieser befremdlichen Zukunftsvision erscheint.
Langsames Erzähltempo und psychologische Charakterzeichnung
Die Handlung erlebt man ausschließlich aus der Perspektive des Protagonisten Victor Neithardt, der seinerseits die Zusammenhänge und seine Rolle in dem Weltgeschehen zu ergründen versucht. Andaras intensive, psychologische Charakterzeichnung mit einem starken Fokus auf die Gedanken- und Gefühlswelt des Protagonist*innen kennen wir schon aus Im Garten Numen, im Gegensatz zu seinem Romandebut ist das Erzähltempo in Die Erloschenen sehr langsam. Obwohl Victor aus nachvollziehbaren Gründen einen eher mürrischen Eindruck hinterlässt, wird er als Protagonist gut greifbar. Er reagiert menschlich, verzweifelt und verwirrt und hat mit der eigenen Schuld zu kämpfen, lässt jedoch nie locker, wenn er der Lösung all dieser Rätsel ein Stück näherkommt. Begleitet wird er dabei zeitweise von der taffen und impulsiven Polizistin Sinibaldi sowie dem freundlichen aber geheimnisvollen Gentleman Eudolf, die beide selbst einiges zu verbergen haben. Die Geschichte und die Motive dieser beiden Figuren wird nur bruchstückhaft beleuchtet, sodass man sich als Leser*in wünscht, ihnen wiederzubegegnen.
Wer Im Garten Numen gelesen hat, wird hier das ein oder andere mit Freude wiedererkennen. Vor allem ein paar Antagonisten tauchen hier wieder auf oder lassen sich zumindest in bestimmten Motiven wiedererkennen. Das macht Hoffnung darauf, dass Andara sich einen spannenden und ungewöhnlichen Erzählkosmos strickt.
Fazit
Es ist schwierig, ein abschließendes Urteil über Die Erloschenen zu fällen. Wer ein unverbrauchtes World Buliding und eine sehr psychologische Geschichte genießen möchte, die mit Themen wie Schuld und der Frage nach dem eigenen Sinn spielt, ist mit Die Erloschenen gut beraten. Man muss sich allerdings auch auf die langsame Erzählweise und ungewöhnliche, mysterienbehaftete Welt einlassen können. Der Roman ist sicherlich nichts für diejenigen, die ein kurzweiliges und leichtes Gruselerlebnis erwarten.
Die Erloschenen ist aktuell per E-Mail an luxfactum@hotmail.com erhältlich, wird in Zukunft aber auch regulär über den Handel zu beziehen sein.
Das Produkt wurde kostenlos für die Besprechung zur Verfügung gestellt.
Dieser Artikel ist erschienen bei:
Zauberwelten-Online.de