Literatur

EXODUS #48 – K.I. und Kunst

Alle halbe Jahre erscheint mit EXODUS ein deutsches Science-Fiction-Urgestein. Jede Ausgabe präsentiert neue Kurzgeschichten, Illustrationen und Kunstwerke, Gedichte und gelegentliche Essays. Aufgrund seiner regelmäßigen Erscheinungsweise bewegt sich das Magazin stets am Puls der Zeit – und ist daher in den aktuellen Ausgaben insbesondere vom Thema Künstliche Intelligenz geprägt. Dieses Mal setzt sich das Thema sogar in der Vorstellung des Künstlers Lothar Bauer fort.

Bevor wir uns den jeweiligen Erzählungen widmen, müssen wir jedoch den Elefanten im Raum thematisieren: Digital-Künstler Lothar Bauer hat schon häufig für EXODUS illustriert; auch ist diese Galerie nicht seine erste im Magazin. Mehrfach wurde er für den Kurd-Laßwitz-Preis nominiert, hat ihn 2018 sogar mit nach Hause nehmen dürfen. Doch direkt auf dem Cover von Ausgabe #48 schiebt er EXODUS ein Plagiat unter. Darauf wurde das Herausgeberteam, bestehend aus René Moreau, Heinz Wipperfürth und Hans Jürgen Kugler, erst nach Veröffentlichung durch den beklauten Künstler Alexander Preuss hingewiesen. Auf deren Nachfrage zur Situation hat Lothar Bauer sich in keiner Weise geäußert; eine weitere Zusammenarbeit zwischen Zeitschrift und Künstler wird es somit verständlicherweise nicht mehr geben.

EXODUS entwickelt sich

Delikat an der Situation ist natürlich nicht nur das Plagiat an sich, sondern daß es ausgerechnet in dem Zusammenhang von Kunst entsteht, die auch mit K.I. experimentiert – einer Technologie, die bekanntermaßen gegen das Urheberrecht Kulturschaffender verstößt. Mit dieser Problematik setzt sich auch das Editorial von EXODUS #48 ebenso wie der Begleittext der Galerie auseinander. Die Reaktion auf den Plagiatsvorfall erfolgte zügig und mit klarem Statement auf der EXODUS-Website. Ebenso das Fazit, was die Herausgeber ziehen: „Der Vorfall ist nun ein Grund mehr für uns, in unserer weiteren Zusammenarbeit mit Künstlern und Autoren auf noch größere Transparenz und Offenheit zu achten.“ So zeigen Moreau, Wipperfürth und Kugler klare Kante.

Begrüßenswert ist auch, dass EXODUS sich inzwischen an den Punkt vorgearbeitet hat, dass die Zeitschrift nicht mehr ausschließlich auf die Kostendeckung hinarbeiten muss. Den Beitragenden kann ab sofort ein Seitenhonorar gezahlt werden kann. Somit geht EXODUS den wichtigen Schritt, Kulturschaffenden nicht nur eine Bühne zu bieten, sondern sie auch finanziell zu fördern.

Die Erzählungen

Doch kommen wir zum Eigentlichen: den Geschichten der Ausgabe. Diese sind wie immer äußerst unterschiedlich, ebenso wie die sie begleitenden Illustrationen. Christian Endres erbaut in „Wichtig ist nur, was die Leute glauben“ eine dystopische, actiongeladene Welt, gebeutelt vom Klimawandel und Kapitalismus. Dagegen reist Wolf Welling in „Der Zähler und der Monolith“ in die Tiefen des Weltraums, wo ein Mann mit Zählzwängen das Verschwinden einer Kolonie untersuchen soll. In Roland Grohs „Geisterbahn“ lassen medizinischen Fortschritte uns hinterfragen, was es eigentlich bedeutet, Mensch zu sein. „Das weiße Zelt“ von Michael Schneiberg entfüht uns dagegen in die apokalyptische Lebensrealität, wo eine Krankheit nach und nach die Menschheit auslöscht. Yvonne Tunnat zeigt uns in „Besuch für die Astronautin“ das Leben einer ehemaligen Astronautin im Pflegeheim. Uwe Hermann entwirft in „Ein Stückchen Erinnerung“ einen Astronauten, hilflos und mit fast leerem Sauerstofftank durch den Weltraum treibend. Maria Orlovskaya ermöglicht es ihren Figuren in „Slide Machine“, in ein vermeintlich besseres Paralleluniversum überzutreten, wenn sie mit ihrem Leben unglücklich sind. Dagegen erzählt „37er und 42er“ von Olaf Lahayne, wie Menschen eher in ihre eigene Genetik eingreifen, um sich an den Klimawandel anzupassen, als ihm ehrlich entgegenzuwirken. Scipio Rodenbüchers „Wann treffen wir wieder zusamm’?“ ist eine abstrakte Geschichte über eine Menschheit, die ihre gesamte Realitätswahrnehmung von Künstlicher Intelligenz bestimmen lässt. Mit der Micro-Story „11 Sekunden“ präsentiert Volker Dornemann den fiktiven Werbespot einer Dating-App für K.I.-basierte Geräte. „Grün“ von Christian Hornstein rückt eine Gruppe gutmeinender Klimakämpfer in den Vordergrund, die zwar die Welt retten möchten, aber ob ihrer großen Pläne und Hoffnungen sich selbst immer wieder im Weg stehen. Uwe Posts „Die drei Stigmata des lila Panda“ wird erzählt aus der Sicht eines therapeutischen K.I.-Kuscheltiers, das glaubt, seinen Therapie-Auftrag erfüllt zu haben und nun ziellos durch die dreckigen Straßen der Großstadt wandert. Den Abschluss bildet Marie Meier mit „Noah, der Hammer und der Gott in der Maschine“, in der ein Raumschiff gleich der Arche Noah durch das All fliegt, um kolonisierbare Planeten zu finden.

Im Vergleich zu vergangenen EXODUS-Ausgaben bietet Nr. 48 solide, aber doch eher mittelmäßige Erzählungen. Wirklich hervorstechen tun wenige davon, u.a. Posts „Die drei Stigmata des lila Panda“ und Schneibergs „Das weiße Zelt“. Die meisten anderen Geschichten wirken eher blass – oder gar problematisch.

Etwas merkwürdig ist beispielsweise, dass gleich mehrere Erzählungen der aktuellen Ausgabe recht normative Menschenbilder entwerfen. Das ‚Happy End‘ von „Der Zähler und der Monolith“ besteht darin, dass der Protagonist ‚endlich‘ keinen Zählzwang mehr hat – obwohl er zuvor nicht sonderlich unzufrieden damit wirkte. „Geisterbahn“ trifft Werturteile darüber, welche Körper ‚normal‘ und ‚schön‘ sind, und welche ähnlich einer Freakshow dem Spektakel begeisterter Gaffer dienen.

Fazit:

EXODUS #48 tut sich an vielen Ecken schwer. Die Erzählungen bewegen sich auf niedrigerem Niveau als gewohnt, sind stellenweise sogar ärgerlich. Auch das Kunst-Plagiat hinterlässt natürlich zunächst einen bitteren Beigeschmack. Doch beides zeigt eher, auf welch hohem Level sich die Zeitschrift in der Regel bewegt. Wir dürfen gespannt bleiben, was uns die nächsten Ausgaben bescheren!

Das Produkt wurde kostenlos für die Besprechung zur Verfügung gestellt.

Dieser Artikel ist erschienen bei: Zauberwelten-Online.de

EXODUS #48 - K.I. und Kunst

Bewertung

3

Positiv

Negativ

Rahel Schmitz

Autor

Ob Literatur, Film/TV, Games oder Rollenspiel - Ra...

Weiterführende Links zu "EXODUS #48":

Ausgabe #48 bei EXODUS

Kommentare

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