Das Spiel selbst ist als Prequel zum ersten Spiel Divine Divinity aus dem Jahr 2002 zu sehen. Man muss die Vorgänger aber nicht kennen, um der Geschichte folgen zu können.
CSI Rivellon und die Jagd nach dem verlorenen Faden
Mit zwei selbst erstellbaren Charakteren, bei denen wir aus einer Vielzahl von Klassen wählen können, werden wir in die Welt von Rivellon gesetzt. Ein Schiff hat uns bis an die Küste gebracht und wir müssen selbst zusehen, dass wir an den Orkschiffen vorbei in die Stadt Cyseal gelangen. Unsere Aufgabe ist es, einen Mordfall aufzuklären. Aber dies gestaltet sich etwas komplizierter als erwartet. Der Tatort ist versperrt, der Hauptmann duldet nur widerwillig unsere Einmischung in die Ermittlungen und das Dorf hat bereits eine Schuldige gefunden, die es am liebsten sofort lynchen würde. Auch unser geheimnisvoller Auftraggeber Arhu vermutet, dass etwas Größeres dahinter steckt. Etwas, dass auch die plötzlichen Angriffe der Orks und die andauernden Angriffe der Untoten erklären könnte. Und wir sollen trotz aller Widrigkeiten weiter ermitteln.
Doch wir wären keine Rollenspieler, wenn wir nicht auch jede erdenkliche Nebenquest auf unserem Weg mitnehmen würden. Damit wir nicht stur durch die Welt rennen und ausschließlich NPCs mit Ausrufezeichen über dem Kopf ansprechen und womöglich noch den Text ungeduldig wegklicken, gibt es erst gar keine Ausrufezeichen. Wer ungeduldig ist, der sollte besser die Finger von Divinity lassen.
In Cyseal hat wirklich jeder etwas zu sagen. Einfache Dorfbewohner beantworten unsere Fragen und helfen uns bei der Suche nach Questzielen, Dorfbewohner mit Namen haben fast immer eine Nebenquest parat. Die kann relativ schnell vorbei sein oder sich auch über mehrere Stunden strecken. Wer bestimmte Fähigkeiten hat, kommt sogar manchmal an versteckte Questsreihen. So konnte meine Hexe mit Tieren kommunizieren und aktivierte dadurch eine versteckte Nebenquest mit Katzen. Die Zahl der Nebenquests ist hoch und dennoch sind sie nicht generisch, sondern unterhalten mit sehr humoristischen Dialogen. Da macht es Spaß zu lesen und dank der Enhanced Edition hat nun jeder einzelne Nebencharakter eingesprochene Dialoge. Diese sind zwar nur in Englisch, aber deutsche Untertitel sind möglich.
Die Art und Weise auf die ihr antwortet, legt fest, ob ihr eher pragmatisch und kalt oder romantisch und einfühlsam seid. Das hat später Auswirkungen auf Antwortoptionen. Erlaubt ihr der KI einen freien Willen, antworten eure zwei Figuren ihrem Charakter entsprechend (und streiten sich auch gern einmal). Wer das Rededuell dann gewinnt, entscheidet das Stein-Schere-Papier-Prinzip. Auf diese Weise könnt ihr auch NPCs von eurer Meinung überzeugen. Das kann aber auch nach hinten losgehen, da die Rede-Duelle zufällig ausgewürfelt werden.
Gemeinsam sind wir stark, alleine sind wir … in der anderen Bildschirmhälfte
Besonderen Spaß macht die Divinity Original Sin Enhanced Edition vor allem im Mehrspielermodus. Dabei übernimmt jeder Spieler einen der zwei Hauptcharaktere. Es sind nicht zwingend zwei Konsolen notwendig, man spielt kooperativ am selben Bildschirm. Entfernt man sich zu weit von seinem Mitspieler, teilt sich der Bildschirm vertikal. Dadurch kann sich Spieler 1 in einem völlig anderen Gebiet aufhalten und eine separate Questreihe erfüllen – oder aber auch einen versteckten Eingang suchen, um einen kniffligen Boss zu flankieren, während Spieler 2 den Boss in Schach hält. Dabei ist Teamwork unbedingt vonnöten, denn nur durch die ergänzenden Talente kommen wir weiter.
In den Kämpfen schaltet Divinity in einen rundenstrategischen Kampfmodus. Jede Figur hat eine begrenzte Anzahl von Aktionspunkten zur Verfügung, die man weise einsetzen sollte. Die Spezialattacken haben einen Cool Down und brauchen zudem bestimmte Waffen, um überhaupt nutzbar zu sein. Hier zeigen sich die variantenreichen Kombinationsmöglichkeiten der Talente. Ist beispielsweise der Weg durch eine Giftwolke versperrt, können wir diese anzünden und dabei gleich die sich darin befindenden Gegner vernichten. Danach steht zwar die Umgebung in Brand, kann aber mit einem Wasserzauber oder einer Wasserbombe gelöscht werden. Kräftigere Naturen können sogar gleich ein Wasserfass werfen. Sind dann noch immer Gegner am Leben, können wir die Pfütze unter Strom setzen. Wer Umgebungselemente sinnvoll nutzt, kann trotz eines niedrigen Levels großen Schaden anrichten.
Damit man seine Fähigkeiten besser nutzen kann, sollte man weitere Spielfiguren anheuern. Diese tragen allerdings nicht viel zur Hauptgeschichte bei. Sie sind auswechselbar und daher lediglich eine spielerische Hilfe im Kampf. Durch die neuen Dialoge sind sie aber eine nette Begleitung auf unserer Reise durch Rivellon und haben nun auch viel mehr Persönlichkeit.
Der Schwierigkeitsgrad ist einstellbar von angenehm leicht bis bockschwer und kann auf Wunsch sogar mit aktivem Permadeath-Modus gespielt werden. Allerdings ist es bei einem Spiel diesen Umfangs sehr ärgerlich, kurz vorm Ende seinen Spielstand zu verlieren. Wer die Geschichte genießen will, sollte diesen Modus daher beim ersten Durchlauf nicht aktivieren. Trotzdem sei Rundenstrategie-Neulingen geraten, sich dieses Spiel näher anzusehen, da das zuschaltbare Tutorial eingängig ist und das Spiel allein durch seine Quick- und Autosavefunktion Fehler verzeiht. Wer sich übrigens mit niedrigen Charakterwerten in ein fortgeschrittenes Gebiet wagt, wird vorher gewarnt. Frustmomente werden somit verhindert. Regelmäßiges Speichern ist aber dennoch empfohlen.
Die Kleptomanie der Sprachwütigen
Auch wenn Divinity Original Sin in seiner Enhanced Edition viele nützliche Features erhalten hat, findet man doch noch ein paar kleine Makel. So ist es unnötig kompliziert, wenn man eine bestimmte Person ansprechen will. Die zahlreichen kontextsensitiven Elemente springen im Halbsekundentakt hin und her. Besonders in Städten müssen wir höllisch aufpassen, dass wir nicht versehentlich irgendwas stehlen. Auch unsere Gruppe sucht des öfteren den Dialog mit unserem Anführer. Hier sehen wir übrigens die einzigen Ausrufezeichen im Spiel. Will man nun mit ihnen sprechen, muss man heranzoomen, um die richtige Person zu wählen.
Ein weiterer Makel ist das Inventar. Da jeder Charakter ein eigenes Inventar besitzt, sammeln wir oftmals Ausrüstung für die falsche Person ein. Durchforstet man das Inventar, um einen passenden Dolch für seinen Schurken zu finden, kann es sein, dass einer der drei anderen diesen Dolch besitzt. Um Gegenstände zu tauschen, müssen wir den Charakter erst über das Gruppenmenü wechseln, sein Inventar anwählen und den gewünschten Gegenstand an die entsprechende Person weitergeben – und danach wieder den Charakter wechseln, um den Dolch anzulegen. Da hätte es sich durchaus angeboten, ein Sammelinventar zu aktivieren, solange die Gruppe durch das Gruppenmenü verbunden ist.
Schade ist auch, dass es zu unserem Charakter kein passendes Profilbild zu geben scheint. Ein Screenshot unserer Figur hätte dieses Problem schnell gelöst.
Fazit
Wie bereits erwähnt, ist Divinity Original Sin: Enhanced Edition kein Spiel für ungeduldige Gemüter. Anstatt Epik findet man humorvolle Unterhaltung mit vielen Nebengeschichten und unglaublich vielen Details. Wer ein unterhaltsames Abenteuer mit kniffligen rundenbasierten Schlachten und einem eher gemächlichem Spieltempo einem hektischen Action RPG bevorzugt, dem sei Divinity wärmstens empfohlen.
Divinity Original Sin: Enhanced Edition
Plattformen: PC, PS4, XBox One
(Larian Studios / Focus HomeInteractive)
Webseite: Divinity Original Sin:Enhanced Edition
Das Produkt wurde kostenlos für die Besprechung zur Verfügung gestellt.