Im Kino und Theater gibt es sie ständig: Neuinterpretationen, die dem jeweiligen Zeitgeist entsprechen sollen. Zeitgleich ertönt auch immer ein Raunen im Publikum, denn jede Neuinterpretation stößt unweigerlich auf Unverständnis derer, die sich an eine etablierte Interpretation gewöhnt haben. Der neue dunkelhaarige Dante mit seiner rebellischen Einstellung stand im Kontrast zum jugendlichen Dante des dritten Teils und machte ihn für Kenner eher unsympathisch. Die gotische Architektur wich einem abstrakten Cyberpunk-Look und die Fürsten der Hölle wurden zu korrupten Politikern und Propaganda verbreitenden Moderatoren. Hätte DMC ohne seine Vorgänger für sich gestanden, hätte es zweifellos mehr Zuspruch gefunden, denn schlecht war es keineswegs. Doch als Capcom sich entschied seine bestehende Marke, samt Animeserie, für ungültig zu erklären, verlor diese für viele Fans ihre Seele.
Es ist das Jahr 2019. Wir sind zurück und spielen Devil May Cry 5 ... Im alten Universum, mit unserem beliebten weißhaarigen Dante, dessen Vater Sparda einst den Dämonenkönig Mundus in die Unterwelt verbannte und eine sterbliche Frau heiratete. Ebenso dabei ist der aus dem vierten Teil bekannte Nachwuchsdämonenjäger Nero und ein mysteriöser Neuzugang namens V.
Kämpfen mit Stil
Das Gameplay bleibt unverändert. Wir schnetzeln uns so spektakulär wie möglich durch lineare Levelabschnitte und besiegen unzählige Dämonenhorden. Dabei versuchen wir den Combozähler und unsere Bewertung durch möglichst unterschiedliche Attacken in die Höhe zu treiben. Nur die besten Spieler erhalten in jedem Level ein S-Ranking ohne einen Gegentreffer zu kassieren.
Doch diese Features hatte auch der verschmähte 2013er Reboot. Fans der Ursprungsserie freuen sich aber über die Fortführung der alten Zeitlinie, in der nun sogar Charaktere der Animeserie, wie Ziehtochter Patty Lowell und Auftraggeber J.D. Morrison, ihren Auftritt haben.
Ein paar Jahre sind seit dem vierten Teil ins Land gezogen. Dante, Nero, V und die beiden Damen Trish und Lady, die aus dem ersten und dritten Teil bekannt sind, machen sich auf, um den Großdämon Orizen sprichwörtlich von seinem Thron zu stoßen. Dieser hat in der Stadt Redgrave City einen gigantischen Baum wachsen lassen, der alles Lebendige um sich herum mit tödlichen Tentakeln verschlingt. Doch die fünf Krieger werden von Orizen mit Leichtigkeit außer Gefecht gesetzt. Nun bleibt nur der Rückzug und die Stadt Redgrave City ist mit all seinen Bürgern dem Untergang geweiht.
Drei Kämpfer, drei Kampfstile
Erst einen Monat später wagt Nero mit seiner Mechanikerin Niko einen neuen Anlauf, Orizen zu besiegen. Nero hat seinen aus dem vierten Teil bekannten Dämonenarm verloren, doch mit der Hilfe von Nikos Erfindungsreichtum kann er nun Armprothesen nutzen, die ihm bestimmte Spezialfähigkeiten verleihen. Allerdings muss Nero diese jedesmal sprengen, um sie auszuwechseln, was ihren Nutzen stark einschränkt und sie zu bloßen Verbrauchsgegenständen macht. Doch sein anderer Arm funktioniert noch einwandfrei und so ist Nero auch ohne Armimplantat ein brandgefährlicher Kämpfer, der sich nach kurzer Zeit intuitiv steuern lässt.
In einigen Missionen übernehmen wir den mysteriösen V, der selbst zu schwach ist, um aktiv zu kämpfen. Stattdessen lässt er drei Dämonen für sich kämpfen: einen Panther, einen Dämonenvogel und einen Golem. Letzterer kann allerdings nur gerufen werden, wenn die Devil-Trigger-Leiste voll ist. Dies kann V unter anderem dadurch erreichen, dass er aus einem Buch zitiert. Sind die Gegner geschwächt, werden sie weiß. Das ist das Signal für V, ihnen den Gnadenstoß zu versetzen. Tun wir das bei vielen Gegnern hintereinander, ohne getroffen zu werden, erreichen wir innerhalb kürzester Zeit den SSS-Rank (Smokin' Sexy Style), was die V-Level zu den einfachsten macht. Allerdings bedarf es einiger Eingewöhnungszeit, die drei sehr unterschiedlichen Kämpfer perfekt zu beherrschen.
Das merken wir spätestens, wenn wir Veteran Dante endlich steuern dürfen. Mit maximal vier Fernkampfwaffen und vier Nahkampfwaffen schalten wir zusätzlich noch zwischen vier Angriffsstilen hin und her. Wer hier einen SSS-Rank erreichen will, muss seine Angriffsmuster variieren und oft durchschalten.
Schwerer geht immer
Erledigte Gegner hinterlassen rote Kugeln, mit denen wir uns neue Moves kaufen können. Diese müssen sich die drei Recken allerdings teilen. Um unsere Energieleiste zu verlängern, müssen wir die Level genauer unter die Lupe nehmen. Immer wieder entdeckt man so geheime Bereiche und Herausforderungslevel, bei denen wir uns Erweiterungen verdienen können. Devil May Cry wäre kein Original, wenn es nicht unzählige Schwierigkeitsgrade bieten würde. Wer nur der Story folgen möchte, wählt den Schwierigkeitsgrad "Mensch" und schaltet die Combos auf automatisch. Dann spielt sich das Spiel nahezu von selbst. Allerdings merken wir schnell, dass die Geschichte von Devil May Cry 5 nicht zu seiner größten Stärke zählt. Die zu Beginn auf ernst getrimmte Ausgangslage wird spätestens in der Sekunde ins Lächerliche gezogen, in der Niko und Nero mit ihrem Kleinbus in einer perfekt choreographierten Zeitlupensequenz durch die Gegnerhorden donnern und am Ende wieder auf allen vier Rädern landen, als wäre Gravitation nur eine Richtlinie, an die man sich nicht zwangsläufig halten muss.
Begleitet von coolen Sprüchen, die in vielen Fällen aber nur durch ihren originalen amerikanischen Wortwitz zünden, kommen wir schnell in diese altbekannte Stimmung, die wir aus den alten Teilen kennen, um motiviert den Boden mit unseren Feinden aufzuwischen. Nach dem ersten Durchgang schalten wir neue Schwierigkeitsgrade frei: Dante must Die, Heaven and Hell und schließlich Hell and Hell, in der wir besonders starke Gegner antreffen, die uns mit nur einem Schlag das Lebenslicht ausblasen können. Und spätestens dann ist die Story nur noch zweitrangig.
Im nachträglich hinzugefügten Bloody Palace-Modus überleben wir so lange wie möglich gegen immer stärkere Feindeswellen.
Viele Qualitätsschwankungen
Hat es sich dafür also überhaupt gelohnt, das Reboot zu ignorieren und den alten Canon wieder aus der Versenkung zu holen? Alleine durch die bekannte Geschichte und den Anime bekommt Devil May Cry 5 eine reichhaltige Hintergrundgeschichte, die unseren Helden viel Tiefe verleiht. Ohne diese Hintergrundinfos wäre Devil May Cry 5 sicherlich etwas fade. Neueinsteiger können allerdings sämtliche vergangenen Teile in ihren remasterten Fassungen auf PS4 nachholen. Für alle anderen Hintergrundinfos finden sich auch im Spiel genügend Dokumente, welche die bislang nur aus dem Anime bekannten Charaktere einführen.
Optisch entfaltet DMC5 vor allem in den Cutscenes sein volles Potenzial. Die übertrieben coolen Sequenzen unterhalten durch ihre Albernheit und ihren absurden Fokus auf witzige Details. Ein perfektes Beispiel ist, als Niko sich während einer Fassrolle ihres Busses eine Zigarette anzündet, die zufälligerweise gerade an ihrem Mund vorbei fliegt. Manchmal muss man einfach Prioritäten setzen.
Die Kämpfe laufen flüssig und lassen sich intuitiv und sekundengenau timen. Allerdings leidet das Leveldesign unter seiner erzählerischen Vorgabe. Während wir in den ersten Leveln noch durch die abwechslungsreichen Ruinen von Redgrave City laufen, bestimmen die organischen und monochromen Strukturen des Dämonenbaums das Leveldesign der zweiten Hälfte des Spiels. Hier ändern sich schließlich nur noch Farbnuancen. Im Vergleich zu den gotischen Bauwerken aus den vorherigen Teilen wirkt der fünfte Teil nahezu trist und unspektakulär.
Auch bei den Charakteren verschenkt DMC5 viel Potenzial. Neros Freundin Kyrie aus dem vierten Teil taucht nur noch akustisch aus dem Hintergrund auf und wirkt damit wie ein Charakter aus einer Sitcom, den man nie zu Gesicht bekommt.
Die beiden Damen Lady und Trish sind das ganze Spiel über nur schmuckes Beiwerk und tragen nicht viel zur Erzählung bei. Ihr Selbstzweck als Fanservice wird allerdings durch Zensur ad absurdum geführt. Auf der PS4 wurden einige Szenen durch bildschirmfüllende Lens-Flare-Effekte verdeckt. Lediglich die japanische Version blieb davon unberührt.
Fazit:
Es war definitiv eine gute Idee, den alten Canon wieder fortzuführen. Das Kampfsystem macht süchtig und ist der eigentliche Star des Spiels. Auch wenn die roten Kugeln für die teilweise teuren Upgrades auch durch echtes Geld gekauft werden können, trübt dies nicht den Spielspaß, denn es ist eigentlich überhaupt nicht nötig, den Ingameshop zu benutzen.
Erzählung und Leveldesign hingegen reichen nicht an die Klasse der Vorgänger heran. Devil May Cry 5 lässt hinsichtlich seiner Lore viel Potenzial auf der Strecke. Dabei hätte die Verbindung mit dem Anime und den beiden weiblichen Charakteren Lady und Trish so viele Möglichkeiten bieten können. Spaß macht das Spiel dennoch auf jeden Fall. Da das Ende viel Platz für eine mögliche Fortsetzung lässt, bleibt die Hoffnung auf einen sechsten Teil erhalten.
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