Wer kennt ihn nicht des Pudels Kern? Fantasyautor Markus Heitz greift die Kultgestalt des Mephisto, der sich in Goethes Klassiker im schwarzen Hund befand, erneut auf und bettet sie in eine neue Umgebung. Mit ihr im Mittelpunkt schafft er ein atemberaubendes Paralleluniversum voller Abenteuer und Magie. Im Gegenteil zu seinem letzten Buch, Wedora, in dem er seine Helden in eine fremde Wüstenwelt fernab unserer Welt schickte, geht es für den Leser dieses Mal auf eine Zeitreise in das 19. Jahrhundert und die schillernde Welt der Casinos.
So wirklich hat er sich nie von seiner alten Passion trennen können: Als abgezockter Spieler zu zweifelhaftem Ruhm gekommen, hat Tadeus geschworen, sich nie wieder an einen Spieltisch zu setzen. Stattdessen arbeitet er heute in einem Casino als Security und hält dort seinem Chef unangenehme Gäste vom Hals. So trifft er eines Tages auf die junge Ärztin Hyun Poe, die mit ihrer Geschichte seine Neugierde weckt. Ihr Verlobter wurde ermordet, da er in einem kriminellen Spiel namens „Supérieur“ um Leben und Tod spielte – und verlor. Schon bald schwant Tadeus, dass es sich bei den historischen Spielkarten, die ihrem Besitzer als Eintrittskarte in eine Partie des Spiels „Supérieur“ dienen, mitnichten um bloße Prestige-Objekte handelt und das Spiel nicht nur auf dem Nervenkitzel gelangweilter Reicher beruht. Stattdessen fordern die Karten Blutopfer, sind sie schließlich im wahrsten Sinne ein Werk des Teufels. Eine spannende Jagd um den ganzen Erdball beginnt, auf der Suche nach dem Ursprung der Karten und mit dem Ziel, dem Blutdurst des Spiels ein Ende zu bereiten.
Voodoo-Zauber statt Zwerge und Magier
Anstelle zu fremden Welten entführt Markus Heitz uns damit in eine Welt, die jedoch nicht minder sagenumwoben und mysteriös erscheint: In Des Teufels Gebetbuch begleiten wir Tadeus Boch in die glamourösen Casinos und zu ihren dekadenten Besuchern auf der ganzen Welt. Die Ernüchterung kommt jedoch schnell, denn durch die ernüchterte, desillusionierte Sicht des Ex-Zockers bekommt die Exklusivität der Spielhäuser schnell einen schalen, grellen Beigeschmack. Die bittere Realität folgt auf dem Fuß, begeben sich Hyun und Tadeus doch immer wieder in Extremsituationen. Diese weiß Markus Heitz, der sich in seiner Wortwahl als äußerst wandelbar und situationsangepasst erweist, durch seinen harten, schnellen Schreibstil enorm nah an der Angst und den inneren Zweifeln der Protagonisten und zudem spannungsreich darzustellen. Dies steht in einem scharfen Kontrast zu den Worten, die der Autor für die Schilderungen der Geschehnisse um den Kupferstecher Bastian Kirchner und seine Frau wählt, beschreibt er die Szenen hier doch auf eine Art und Weise, die eher an Werke wie Die Zwerge und das bereits erwähnte Wédora erinnern.
Ein Leckerbissen für Goethe-Fans
Neben dem roten Faden der Geschichte um Tadeus und Hyun schweift Markus Heitz auch immer wieder in die Vergangenheit ab. Woher kommen sie, die mysteriösen Spielkarten? Die Antwort finden wir im 19. Jahrhundert. Der Kupferstecher Bastian begleitet seinen guten Freund Goethe ins Schankhaus und spielt dort mit ihm eine fröhliche Runde Karten. Diese hat er selbst angefertigt, was das Interesse zwielichtiger Gestalten in der Runde weckt. Als Bastian diese höflich abweist, bekommt der junge Mann schon bald Besuch von einem schwarzen Pudel ... Literaturfreunden wird dieser Verweis auf das Meisterwerk des deutschen Dichters besondere Freude bereiten, wirft Markus Heitz doch hier einen recht modernen Blick auf den alten Faust-Stoff. Auch kann es der Großmeister der deutschen Fantasy nicht lassen, seinem recht kriminalistischen Roman an dieser Stelle eine Prise historischer Magie einzuhauchen – so haben weiße Hexen bei der Entstehung der Karten ebenso ihre Finger im Spiel wie der Teufel selbst. Wie eine Spirale dreht sich die Geschichte in Gegenwart und Vergangenheit so im Laufe des Spiels tiefer und tiefer, bis sie schließlich ihren fulminanten Kern erreicht.
Fazit
Des Teufels Gebetbuch erweist sich als Drahtseil, auf dem der Autor immer wieder aufs Neue seine eigene, leichtfüßig anmutende Balance zwischen Kriminalgeschichte und Fantasy, zwischen Historie und Gegenwart und eben auch zwischen abstoßendem Schrecken und unbändiger Faszination findet. Gebündelt werden diese Gegensätze in der Hauptfigur Tadeus, den Markus Heitz als besonders facettenreichen Charakter bis in die tiefsten Ecken seiner Seele ausleuchtet. Ein atemberaubendes Meisterwerk mit Finesse, Charme und Fantastik – Markus Heitz eben.
Des Teufels Gebetbuch
Markus Heitz
(Knaur, 2017)
672 Seiten, Broschiert
ISBN: 978-3426654194
Webseite: Droemer Knaur
Dieser Artikel ist erschienen bei:
Zauberwelten-Online.de