Für Fans von Horrorgames ist The Dark Pictures Anthology inzwischen zu einem kleinen Highlight geworden, das jedes Jahr pünktlich zu Halloween mit einem neuen Leckerbissen aufwartet. Die Spiele der Reihe sind aus spielmechanischer Sicht niedrigschwellig, lassen sich gut gemeinsam mit Freund*innen entweder online oder im Couch-Koop spielen und bieten stets solide, altbekannte und auch altbewährte Gruselmotive. Mit House of Ashes ist der inzwischen dritte Teil der Reihe erschienen. Leider schwächelt das Spiel an vielen Stellen; nicht zuletzt aus technischer Sicht hätten dem Titel zwei oder drei zusätzliche Monate in der Entwicklungs- und Testphase gutgetan.
Irak, 2003: Eine Gruppe von US-Soldat*innen untersucht ein vermeintliches Chemiewaffenlager. Dabei kommt es zum Schusswaffengefecht – bis plötzlich buchstäblich der Boden unter den Füßen der Kämpfenden wegbricht. Tief vergraben unter der Erde finden die amerikanischen und irakischen Überlebenden eine antike, mystische Tempelanlage aus der Zeit Sumers. Auf der Suche nach einem Ausweg aus dem unterirdischen Labyrinth müssen die Charaktere plötzlich feststellen, dass sie von nichtmenschlichen, übermächtigen Kreaturen gejagt werden. Wie viele der Figuren können den Abstieg in die Unterwelt überleben?
Mehr Action, wenig Horror
Eins sei vorab gesagt: Der militärische, historisch reale Kontext der Handlung wird nicht allen Spielenden zusagen. Befehlstreue, Virilität, Heroismus, Schwarz-Weiß-Denken – das sind die Eigenschaften, die die spielbaren Charaktere zu Beginn auszeichnen. Das äußert sich unter anderem in den Plattitüden, die insbesondere die männlichen US-Soldaten alle paar Meter von sich geben. Sicherlich, viele dieser Eigenheiten lassen sich durch Spielentscheidungen beeinflussen. Dennoch ist und bleibt House of Ashes ein Spiel, das inmitten des Irakkriegs von 2003 angesiedelt ist. Daraus ergibt sich auch, dass das Spiel im Vergleich zu den Vorgängertiteln deutlich rasanter und actionlastiger ist. Die Charaktere sind von Anfang an mit Waffen ausgestattet und können damit auch umgehen – da ist es kaum verwunderlich, dass es deutlich mehr Kampfsequenzen im Spiel gibt als in Little Hope oder Man of Medan.
Der Handlung tut dieser Action-Fokus nur bedingt gut. Stellenweise sind die Erzählstrukturen recht wirr, zerstückelt und unzusammenhängend. Es ergibt sich beispielsweise eine krasse Diskrepanz zwischen Spiellogik und Erzählung: Auf der Suche nach einem Ausweg laufen die Charaktere immer tiefer in die Höhlengänge des Labyrinths hinein, anstatt nahe der Oberfläche zu bleiben. Warum die Figuren sich beispielsweise überhaupt von der Einbruchstelle fortbewegen, von der aus sie mittels Helikopter bequem hätten evakuiert werden können (groß genug ist das Einsturzloch!), ist völlig unklar; die Annahme scheint zu sein, dass sich ein Ausweg aus der Anlage finden wird, je tiefer man unter die Erde steigt ... Etwas sorgfältigeres Writing hätte dieses Problem sicherlich behoben.
Auch ist House of Ashes überladen mit typischen Horrormotiven. Auf engstem Raum tummeln sich Anspielungen auf jahrtausendalte Mythen, Vampire, parasitäre Lebensformen, Aliens und Lovecraftschen kosmischen Horror. Eine der großen Stärke der Dark Pictures Anthology ist, dass die Reihe auf wenig überraschende, dabei stets solide und effektvoll eingesetzte Versatzstücke aus der Welt des Horrors zurückgreift: Es geht um verlassene Geisterschiffe, einsame Hütten im Wald, Hexen und so weiter. Auch der neueste Teil der Reihe möchte mithilfe solcher wiedererkennbarer Bausteine punkten. Dadurch, dass aber so zahlreiche Motive verwendet werden, wird die Gesamthandlung wirr und chaotisch.
Das vielleicht größte Potenzial vergibt das Spiel jedoch in puncto Setting. Zwar ist der unterirdische akkadische Tempel hervorragend inszeniert und kreiert schon früh im Game eine tolle, unheimliche Atmosphäre; ebenso verhält es sich mit dem Setting, das die Spielenden gegen Ende der Handlung erwartet, und über das an dieser Stelle nicht zu viel verraten sein soll. Leider werden diese Handlungsorte jedoch zu wenig in das Spielerlebnis an sich eingebunden. Zudem wandern die Spielfiguren über lange Passagen ausschließlich durch düster-monotone, kaum voneinander zu unterscheidende Höhlengänge. Hier hätte definitiv mehr draus gemacht werden können.
Natürlich gibt es auch in diesem Spiel wieder sogenannte „Kursrichtungen“: Gewisse Entscheidungen sind für den Spielverlauf besonders bedeutsam; so können unterschiedliche Kurse zu einem deutlich abgewandelten Spielerlebnis führen. In House of Ashes ist der Wiederspielwert dadurch sehr hoch. Im Vergleich zu den bisherigen Titeln der Reihe bietet das Spiel möglicherweise sogar den breitesten Fächer an Kursrichtungen.
Bekanntes Gameplay mit einigen wichtigen Neuerungen
Das Spielprinzip bleibt mit dem der vorherigen Titel identisch: Die Spielenden steuern fünf Charaktere durch die Tempelanlage. Sie können Entscheidungen treffen, die oftmals die Beziehung zwischen den Figuren beeinflussen und unter Umständen den weiteren Spielverlauf bestimmen. Ein Dialog kann beispielsweise aggressiv oder mitfühlend geführt werden; Figuren können feindliche Kreaturen angreifen oder vor ihnen fliehen. Neben solchen Entscheidungen können Spielende zudem Hinweise wie versteckte Dokumente und Artefakte sammeln, die Aufschluss über die Hintergründe der Spielhandlung geben und somit wiederum zentrale Hilfestellungen in der Entscheidungsfindung sind. Besonders relevant sind dabei sogenannte Vorahnungen: Im Fall von House of Ashes kommen diese in Form von Steintafeln daher, die einen kurzen Blick in die Zukunft ermöglichen. Diese Vorahnungen deuten auf lebenswichtige Entscheidungen und Kursrichtungen oder aber das (tödliche) Resultat einer falschen Entscheidung hin. Gewürzt wird dieses eher ruhige Spielprinzip durch Quick Time Events (QTE), die in Actionsequenzen schnelles Handeln erfordern, und Rhythmusspiele, die den Herzschlag von Figuren simulieren, die unentdeckt bleiben sollen. Charaktere müssen beispielsweise einem Angriff im richtigen Moment ausweichen oder blitzschnell über ein Hindernis springen; dann wieder müssen sie sich vor den Kreaturen verstecken und dabei trotz Panik still ausharren.
Genau diese Quick Time Events und Rhythmusspiele waren immer wieder ein Kritikpunkt der Dark Pictures Anthology. Kamen diese Sequenzen in Man of Medan recht plötzlich und waren somit oft kaum zu bewältigen, wurden die Spielenden in Little Hope recht großzügig vor den jeweiligen QTEs durch ein Symbol vorgewarnt. House of Ashes geht nun den Mittelweg: Spielende können zu Beginn zwischen drei Schwierigkeitsgraden wählen. Auch bietet das Spiel verschiedene Einstellungen in Sachen physischer und visueller Barrierefreiheit: Quick Time Events und Rhythmusspiele lassen sich auf Wunsch stark vereinfachen (bspw. keine Strafe für verspätete Eingaben; es muss nur noch eine einzelne Taste betätigt werden; etc.) und die grafische Darstellung von Texten lässt sich individualisieren.
Eine weitere Neuerung ist, dass das Menü, in dem sich die Übersicht der bisher gefundenen Geheimnisse und Vorhersagen, der eingeschlagenen Kursrichtungen und der Charakterdynamiken nun nicht mehr zu jedem Zeitpunk aufrufen lässt. Dies geht nunmehr nur noch dann, wenn es aufgrund einer Spielentscheidung eine Änderung in einem dieser Einträge gegeben hat. Das ist recht ärgerlich: Wer nicht schnell genug reagiert, muss ohne das Menü auskommen. Dabei ist das ausführliche Studieren der gefundenen Hinweise und das Tüfteln, welche Entscheidung welche Kursrichtung beeinflusst und damit eventuell zu einer vorhergesagten Todessequenz führen kann, Teil des Spielspaßes – Spielspaß, der nun eben nur noch in bestimmen Situationen abrufbar ist.
Die Gemüter dürften sich an der engen, oftmals klaustrophobischen Kameraführung des Spiels spalten. Auf der einen Seite passt diese visuelle Enge zu der Atmosphäre der unterirdischen, teils verschüttenden Gänge und der Hilflosigkeit der Charaktere. Auf der anderen Seite ist die Perspektive öfters auch hinderlich – insbesondere dann, wenn andere Spielfiguren im Weg stehen.
Gravierende Mängel: Bugs, Glitches und andere Spaßdämpfer
Kommt es im Spiel zu rasanter Action, treten immer wieder deutliche Soundprobleme auf. Dann wird die Soundkulisse leider zu einem Knistertütenfest. Auch wird House of Ashes an zahlreichen Stellen von Grafikfehlern geplagt, die zwar den Spielfluss nicht stören, aber dennoch sehr hässlich anzuschauen sind. Zu oft fehlen Objekttexturen oder schweben Gegenstände scheinbar in der Luft. Deutlich problematischer und inakzeptabler sind Ladebugs, die an verschiedenen Stellen auftreten. Beim Laden der verschiedenen Kapitel scheint das Spiel gerne Schwierigkeiten zu haben; zweimal kam es beim Test gar zum Totalabsturz.
Des Weiteren schwächelt das Spiel in puncto Steuerung und KI. Erstere ist äußerst schwerfällig; die Figuren bewegen sich oftmals eher wie bockige, träge Esel als sportliche Soldat*innen. Das wird umso ärgerlicher, wenn aufgrund der schlechten KI, die für die Steuerung der restlichen Charaktere zuständig ist, immer wieder Figuren im Weg stehen und somit die Navigation durch das Höhlenlabyrinth frustrierend schwierig machen.
Verwunderlich ist auch, dass es im Vergleich zu vorherigen Titeln scheinbar keinerlei technischen Fortschritte bei der Animation der Gesichter, Gesten und Mimik gegeben hat. Bewegungen wirken steif, Emotionen lassen sich in Gesichtern kaum wiederfinden und oft starren die Charaktere mit ihren faltenlos-teigigen Visagen fast schon unheimlich durch die Gegend. Während die Handlungsorte visuell detailreich und überzeugend gestaltet sind, wirkt die Animation der Spielfiguren im direkten Vergleich nahezu rückschrittlich.
In all diesen Punkten merkt man, dass House of Ashes vor dem Release noch zwei oder drei zusätzliche Monate gebraucht hätte. Diese Fehler und Schwächen wären in gründlichen Spieltests früh aufgefallen und hätten sich vor der Veröffentlichung in weiten Teilen beheben lassen können. Stattdessen veröffentlicht Bandai Namco nun geduldig einen Patch nach dem anderen, um die diversen technischen Probleme des Games glattzubügeln. Das mag ein aktueller Trend in der Spieleindustrie sein; akzeptabel ist das aber nicht.
Das Gesamtpaket: Spielmodi und Bonusmaterial
Ähnlich wie die bisherigen Einträge in The Dark Pictures Anthology ist auch House of Ashes mit drei verschiedenen Spielmodi versehen. Es kann entweder allein oder gemeinsam mit Freund*innen gespielt werden. Für letzteres gibt es sowohl die Möglichkeit des Couch-Koops, bei dem der Controller herumgereicht wird, als auch die Option des gemeinsamen Online-Spielens. Im Couch-Koop – auch „Filmabend“ genannt – erleben alle Mitspielenden das Gesamtgeschehen, wenn auch nur immer eine Person das momentane Geschehen steuert. Im Online-Modus können dagegen mehrere Personen gleichzeitig spielen und somit auch bestimmte Szenen aus verschiedenen Perspektiven erleben – ohne zu wissen, was die anderen Mitspielenden derzeit tun. Man merkt House of Ashes an, dass insbesondere auf diesen Spielmodus der Fokus gelegt wurde; die jeweiligen Spielsequenzen einzelner Charaktere sind teils so kurz und ohne erkennbaren Handlungsbogen, dass beim alleinigen Spielen oder beim Couch-Koop schnell deutlich wird, dass diese Sequenzen eigentlich für das simultane, getrennte Online-Erlebnis gedacht sind.
Natürlich kommt auch House of Ashes wieder mit einigem Bonusmaterial daher. Dazu zählen sowohl Interviews mit Schauspielerin Ashley Tisdale, die im Motion-Capture-Verfahren den Charakter Rachel mimte, sowie einem der „Monster Maker“ des Entwicklungsteams. Wer zudem genügend Geheimnisse im Spiel gefunden hat, erhält Zugriff auf zwei weitere Boni, die einen tieferen Einblick in die Spielwelt ermöglichen. Doch damit nicht genug: Wer noch tiefer in die unterirdische Welt des Spiels eintauchen möchte, kann online die „Caelus Files“ aufrufen, eine ARG-Website, die ähnlich einer militärischen Datenbank im Windows-XP-Look der frühen 2000er-Jahre gestaltet ist.
Hinweis
Das Spiel lag zum Testzeitpunkt in Version 1.03 für die PlayStation 4 vor. Das Spiel hatte mit mehreren Bugs und Glitches zu kämpfen, die laut Bandai Namco in kommenden Patches behoben werden sollen.
House of Ashes ist für folgende Plattformen verfügbar: PS4, PS5, XBox One, XBox Series X|S und PC.
Fazit:
House of Ashes ist möglicherweise der bisher schwächste Titel der Dark Pictures Anthology. Die Handlung ist wirr und überladen und das Spiel wirkte zum Releasezeitpunkt aufgrund zahlreicher Bugs und Glitches unfertig. Diese Technikprobleme müssen noch in kommenden Patches behoben werden. Für alle, die bisher Spaß an den Spielen der Anthologie-Reihe hatten, ist das Game aber dennoch empfehlenswert. Das bekannte Spielprinzip der Dark Pictures Anthology bleibt erhalten und wird Gruselfans erneut für 1-2 Abende gut unterhalten.
Das Produkt wurde kostenlos für die Besprechung zur Verfügung gestellt.
Dieser Artikel ist erschienen bei:
Zauberwelten-Online.de