Zauberwelten Online: Der Bandname eures Quartetts bedeutet einfach vier und stammt aus dem Althochdeutschen. Warum habt ihr gerade diese historische Sprache als Inspiration für die Namensgebung ausgewählt?
Björn Kaidel: Wir haben sehr lange nach einem Namen gesucht, der griffig und passend ist. Irgendwann hatte unser Sänger Rick einen Geistesblitz und schlug Fior vor. Das war aber eher ein Zufallsfund – mit Althochdeutsch beschäftigten wir uns sonst kaum.
ZWO: Liest man in den Biografien der Bandmitglieder, wird sehr schnell klar, dass ihr versierte Musiker mit Leib und Seele seid. Was hat euch zu den teils seltenen Instrumenten geführt und was fasziniert euch besonders am Folk?
Björn: Wir haben uns alle bei Festivals wie dem Festival-Mediaval in den Klang von Nyckelharpa, Drehleier und Dudelsack verliebt. Zuerst kam die Faszination für die Instrumente und darüber haben wir den Folk für uns entdeckt.
Regina Kunkel: Folk ist gelebte Musik, hat viele Gesichter, kann arrangiert, aber auch ganz flexibel und frei sein – das fasziniert uns. Folk kann auf der Bühne erklingen oder zu Hause im Freundeskreis. Jeder und jede kann ein Teil davon sein und sich bei Jamsessions dazusetzen.
ZWO: Ihr beschäftigt euch gerne mit den Liedern und Überlieferungen aus der deutschen Geschichte, nachdem ihr euch zuerst beim Folk anderer Länder umgesehen habt, und wollt ihnen frischen Wind einhauchen. Wie geht ihr das an? Was macht eure Musik aus?
Björn: Wir werden immer wieder von befreundeten Folk-Musiker*innen aus dem Ausland gefragt: Can you play a tune from Germany for us? Lange Zeit hatten wir keine gute Antwort darauf, also entschlossen wir uns, auf die Suche danach zu gehen.
Wir spielen viele Stücke aus dem 17. bis 19. Jahrhundert, gehen unvoreingenommen an sie heran und bringen sie durch frische Arrangements zu neuem Leben. Natürlich stark beeinflusst von anderen Musiktraditionen, aber auch mit unserer ganz eigenen Handschrift. Die Auswahl, was wir spielen wollen, erfolgt ganz demokratisch: Jemand von uns stolpert über ein schönes Stück oder schreibt eine Melodie und bringt sie zur Probe mit. Wenn alle es spannend finden, fangen wir an, mit der Melodie herumzuspielen und zu arrangieren.
ZWO: Euer neues Album, das brandaktuell erschienen ist, trägt passenderweise den Titel Manuskript. Wie kam es dazu?
Regina: Unsere Hauptquellen sind Manuskripte aus dem 17. bis 19. Jahrhundert aus dem deutschsprachigen Raum. Damals haben viele (Dorf-)Musiker*innen kleine Bücher verfasst, in denen sie die Hits ihrer Zeit aufschrieben. Meistens ist unbekannt, wer ein Stück komponiert hat. Diese Manuskripte liegen oftmals in Archiven und Museen und hüten wahre Schätze an Melodien. Sie gehörten damals vermutlich zum Alltag und wurden auf Festen, zum Tanz oder zu Hause gespielt. Der geographische Ursprung ist uns dabei nicht allzu wichtig. Es ist einfach wunderbare Musik. Leider weiß man nicht wirklich, wie genau sie damals gespielt wurde … daher können wir nicht von uns behaupten, historisch korrekt zu sein, aber das ist auch gar nicht unser Ziel.
ZWO: Habt ihr einen Lieblingsautor, -schriftsteller oder -barden, dessen Werke ihr besonders gerne bearbeitet? Was fasziniert euch an ihm oder ihr oder der entsprechenden Epoche?
Björn: Eine unserer liebsten Quellen ist die Tanzmusiksammlung der Familie Dahlhoff aus dem 18. Jahrhundert. Sie besteht aus zehn Bänden mit über 700 verschiedenen Stücken und gehört zu einer der größten Sammlungen traditioneller Musik in Europa. Die Wiederentdeckung geschah über Umwege: Man fand in einem schwedischen Archiv Hinweise auf diese Sammlung und konnte sie in der Berliner Staatsbibliothek ausfindig machen.
Regina: Was uns daran fasziniert, ist zu sehen, wie Musik schon immer über Grenzen gereist ist. Viele der Stücke daraus findet man auch in französischen, schwedischen, dänischen oder englischen Handschriften. Die Sammlung ist übrigens digitalisiert worden und steht im Netz frei zur Verfügung. Wer also wie wir Lust hat zu stöbern, wird darin fündig werden, garantiert!
ZWO: Die Namen der Songs auf dem Album klingen nach einer Mischung aus Literatur (Herr Ribbeck) und kurzen Impressionen, Schnappschüssen einer Reise (Bestensee Bahnhof). Was verbindet eure Songauswahl auf dem Album? Welche Geschichten wollt ihr dem Publikum erzählen?
Björn: Unser Album steht ganz im Zeichen seines Titels: Wie die Dorfmusiker*innen in ihren Büchlein damals haben wir unsere Lieblingslieder, eigene Kompositionen und Gedichtvertonungen zusammengestellt. Ein gutes Beispiel ist Verstohlen geht der Mond auf. Hier haben wir ein altes Volkslied aus dem 19. Jahrhundert mit einer Tanzmelodie aus dem 18. Jahrhundert verwoben und so arrangiert, dass es ordentlich abgeht! This song slaps!, sagte vor Kurzem ein amerikanischer Freund zu uns, Dieser Song haut rein! – und genau das war unser Ziel.
ZWO: Ihr tretet dieses Jahr bei uns zum ersten Mal beim Festival Mediaval in Selb auf und seid dort für den FM-Award in der Kategorie Spielmann nominiert. Worauf freut ihr euch am meisten und was kann das Publikum von euch erwarten?
Regina: Das Festival-Mediaval bietet immer für jeden Musikgeschmack Leckerbissen, und wir wissen, dass das Publikum hier einen sehr guten Geschmack hat. Wir selbst waren immer gern zu Besuch und freuen uns jetzt riesig, uns hier präsentieren zu dürfen. Wir wollen Euch zeigen, dass traditionelle Musik richtig groovig und fetzig sein kann! Fans von Irish Folk und schwedischer Musik kommen bei uns genauso auf ihre Kosten wie Liebhaber*innen von Mittelalterklängen!