Literatur

Below the deep – Ein dreifach Immersives Leseerlebnis

Constantin, Chef eines Entwicklerstudios für Computerspiele, traut seinen Ohren nicht. Nach seiner sechsmonatigen Abwesenheit wird er damit konfrontiert, dass sein Team statt auf Kriegsspiele (MMWarGs) jetzt auf Real Adventure Play Experience setzt. Über einen Zugang direkt in den Schädel taucht der CEO in einer Demo ganz in die Alpha-Version des neuen Erlebnisses ein ...

Ich bin auf Felix Woitkowski aufmerksam geworden, weil er an den mittlerweile drei Bänden des Teams Feuerernte mitgewirkt hat. Hier haben sich seine Geschichten zunehmend gesteigert und mir einen Autor präsentiert, der in der Lage ist, plastische Welten und Charaktere zu erschaffen und daher auf meinem Sonar ist. Below the deep – Tief unten ist bei Whitetrain erschienen, einem Imprint, das, wie die bei Blitz erschienene Feuerernte-Reihe, von Maschinist Tobias Reckermann koordiniert wird. Dieser hat sich in den letzten Jahren unter dem Label "Whitetrain-Underground" um die Veröffentlichung und teilweise Übersetzung kleinerer, meist unkonventioneller Chapbooks und Kurzgeschichten aus dem Bereich der weirden Phantastik verdient gemacht. Tief unten ist streng genommen nicht in dieser Underground-Reihe erschienen, passt aber mit seiner überschaubaren Länge und seinem etwas eigenwilligen Ansatz gut hinein.

Hinab! Hinab!

Wie bereits angedeutet, dreht sich Below the deep die meiste Zeit um das Spielerleben von Constantin. Dieser findet sich in der Kajüte eines altertümlichen Schiffes wieder. Begleitet von einem ständig Tee trinkenden Piratenkapitän und den bedrohlich-bewaffneten mysteriösen “Schlaksigen” wird er mit zwei Mitspielern in eine niemandslandartige Watteinöde verschifft, um dort in ein geheimnisvolles Gewölbe hinabzusteigen. Der Auftrag: “Erkunden, ausmessen, berichten”.

So unklar der Auftrag auch ist, den dreien bleibt nichts übrig als abzusteigen und das Beste aus den zwei Stunden zu machen, bevor die Flut zurückkehrt. Ein Zeitdruck, der zu einigen dramatischen Situationen führt und Milliarden erwirtschaften soll ...

Immersion!

Erik R. Andara schrieb über das Buch seines befreundeten Autorenkollegen: „Eintauchen in das Erlebnis heißt Woitkowski ...“. Und damit spricht er ein ganz zentrales Motiv an: Immersion. Grob definiert bedeutet Immersion im literarischen, aber auch im (Rollen-)Spielkontext das Eintauchen in eine Geschichte. Durch die intensive, meist detaillierte Beschreibung, vergessen wir im besten Fall das Drumherum und verlieren uns in der phantastischen Welt eines Buchs, Films oder Spiels. Und das ist in der Tat eine der Stärken von Woitkowskis Schreibstil. Er schafft es, uns durch umfangreichen, aber nicht ermüdende Beschreibungen in seine Welt(en) hineinzuziehen. Gleichzeitig ist Immersion hier in doppelter Hinsicht auch das Thema des erwähnten Computerspiels. Dessen Verkaufsargument scheint zu sein, dass die Grenzen zwischen Spiel und Realität verschwimmen. Real Adventure Play Experience eben. Unser Protagonist ist sich tatsächlich nicht mehr bewusst, dass er sich in einer Simulation befindet und nicht sein reales Leben auf dem Spiel steht. Als dritter Aspekt ist die Immersion im übertragenen Sinne sogar das Thema des Spiels. Geht es doch ganz um den ab- (und später natürlich auch auf-) stieg in ein mystisches Unterwassergewölbe.

Diese dreifache Immersion ist ein geschickter Kniff der Geschichte, die diese Stärke jedoch leider nicht voll ausspielen kann. Zu früh (eigentlich sofort) wissen wir, dass es sich um ein Spiel handelt. Und das, was uns als angedeutete Geheimnisse immer wieder in die Lektüre zieht, wird am Ende allzu simpel aufgelöst. Letztlich fehlt die zusätzliche Ebene, die das Buch herausstechen lassen würde. Das kann auch die nicht ganz neue, aber durchaus reizvolle Idee, das Spiel zum Romanstoff zu machen, nicht wettmachen. Ähnlich, wie in einem LitRPG-Roman, verfolgen wir hier im Grunde die Handlungen einer Spielfigur. Diese Ebene tritt aber (ganz immersiv) schnell in den Hintergrund und kommt nur durch vereinzelte Glitches wieder in den Text zurück. Irgendwie wollen Spiel und Realität im Buch nicht so recht zusammenpassen. Dadurch verschenkt das Buch sein Potential.

Und das ist schade! Neben der Immersion zeichnet Woitkowski durchaus interessante Charaktere und deutet eine Welt an, die man noch viel genauer erkunden möchte. Durch technische und sprachliche Anachronismen erzeugt er ein Spannungsfeld, das mehr verspricht als ausgeschöpft wird. Die Handlung selbst kann über weite Strecken durch hohe Spannung und intensive Szenen überzeugen.

Fazit:

Die in dieser Rezension deutlich gewordene Kritik soll jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass Below the deep insgesamt ein gelungenes Buch auf hohem Niveau ist. Woitkowski gelingt es, eine immersive und spannende Erzählung zu präsentieren, die nur hinter ihren eigenen Versprechungen zurückbleibt. Insofern bestätigt sich wieder einmal, dass Woitkowski ein Autor ist, den Freund*innen der dunklen Phantastik dringend im Blick behalten sollten.

Und das ist übrigens auch der Grund, warum ich mir gerade sein E/Meth in der Edition Dunkel Gestirn ansehe. aber davon ein anderes Mal ...

Das Produkt wurde kostenlos für die Besprechung zur Verfügung gestellt.

Dieser Artikel ist erschienen bei: Zauberwelten-Online.de

Below the deep - Ein dreifach Immersives Leseerlebnis

Andreas Giesbert

Autor

Andreas begeistert sich für Rollenspiele, Spielbüc...

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