In einem losen Fantasy-Setting ermöglicht uns das Kartenspiel Duelists genau so ein Duell nachzuerleben. Wir verkörpern Charaktere, die sich nicht aufs Blut, aber für den Ruhm und Stolz bekämpfen. Dabei steht genaues Beobachten des Gegenübers und ein gewisses Maß an Planung im Mittelpunkt. Duelists will ein Duell nicht nur abbilden, sondern selber eines sein. Dazu setzt es auf schnelle und unkomplizierte Regeln, die durch eine psychologische Komponente und intelligente Verzahnung in Bewegung versetzt werden.
Narthax, Isdra und Harys stehen sich im Kampf gegenüber
Das Getriebe
Die zugrunde liegenden Mechanismen des Spiels sind schnell umrissen, entfalten ihre volle Wirkung aber erst im Zusammenspiel. Denn obwohl das Spiel auf den ersten Blick recht klassisch daher kommt – die Karten beschränken sich auf ein paar Angriffs- und Verteidigungswerte und gelegentliche Sondereffekte – macht das Spiel einiges anders als andere Kartenspiele.
Der Spielablauf ist verblüffend simpel. Wir planen stetig eine Reihe an Kampfmanövern vor, die wir sowohl als Angriffs- als auch Verteidigungskarten nutzen. Setzen wir zu einem vernichtenden Schlag an, wird der keine guten Verteidigungswerte haben, während unsere Defensivhaltung genau das Gegenteil bewirkt. Dabei teilen sich die Angriffe auf 3 Typen auf: Stich-, Schwung- und Hiebangriffe. Die Zuordnung muss man narrativ nicht allzu ernst nehmen, sie sorgt aber für etwas Flexibilität und Abschätzung. Erwarte ich einen mächtigen Stichangriff, versuche ich die passende Verteidigungskarte gegenzuspielen, die genau gegen eben solche Stiche gut aufgestellt ist. Habe ich mich verschätzt und Ist mein aktuelles Manöver defensiv schlecht aufgestellt, darf ich auf das Folgemanöver zurückgreifen, gerate aber durch eine simple Mechanik zunehmend in die Enge.
Das Prinzip allein – jede Karte hat Angriffe eines bestimmten Typus und verschiedene Verteidigungswerte für die drei Angriffsarten – ist nicht bahnbrechend, sorgt aber für erste taktische Entscheidungen. Innovativ wird es jedoch, wenn die Psychologie des Kampfes hinzu kommt. Anstatt dass wir bloß Werte vergleichen, gibt uns ein Angriff eine bestimmte Spanne an möglichen Angriffsintensitäten und einen Schadensbonus an. Als Angreifende wählen wir die Intensität frei aus, indem wir verdeckt einen Würfel auf einen Wert in der angegebenen Spannweite drehen. Unser Gegenüber hat nun abhängig vom passenden Vereidigungswert eine Anzahl an Versuchen, das Ergebnis zu erraten. Wurde der Wert erraten, konnte verteidigt werden, wenn nicht, gibt es Schaden in Höhe der Augenzahl, zuzüglich Schadensbonus. Das Konzept ist nach wenigen Zügen in Fleisch und Blut übergegangen und hält erstaunlich viel Psychologie bereit. Da eine höhere Zahl mehr Schaden verursacht, ist der*die Angreifende Spieler*in motiviert, eine möglichst hohe Zahl vorzulegen. Genau die wird der*die Verteidiger*in aber auch wahrscheinlicher verteidigen. Das Wissen darüber sorgt aber dafür, dass wiederum niedrigere Werte wahrscheinlicher sind, was den Ausweg lässt, vielleicht doch hoch zu setzen? Kurzum: Wir müssen beständig einschätzen, welchen Schaden der Gegenüber zufügen will und wie er uns einschätzt. Das sorgt für ein Spielgefühl, das stark an die Psychologie eines echten Duells erinnert – zumindest so, wie wir es uns aus Spiel, Film und Literatur vorstellen.
Isdra setzt auf schnelle Kombinationen
Tatsächlich ist das Spiel konsequent um diesen Kampfmechanismus konstruiert und gibt sich Mühe, auf unnötigen Ballast zu verzichten. So wird etwa auf eine Lebenspunkteleiste verzichtet und die Buchhaltung geschieht direkt anhand des 30-Karten-Decks. Jeder Schadenspunkt ist eine Karte, die wir aus der Hand oder von unserm Nachziehstapel aus dem Spiel entfernen müssen. Können wir nicht mehr nachziehen, geben wir auf. Auch hier liegt die Kunst im Detail. Da wir Karten auch aus unserer Hand abwerfen können, haben wir Kontrolle darüber, welche Karten wir bereithalten wollen und so limitiert sich durch die Erschöpfung von Karten unser Pool an möglichen Manövern. Gut gespielt werden wir so zwar berechenbarer, aber auch etwas mächtiger, da nur unsere beliebteren Aktionen im Deck bleiben und schneller nachgezogen werden.
Heldenhaft
Um dieses Prinzip schließlich Variantenreicher zu gestalten, kommen individuelle Held*innen-Decks zum Einsatz. Jede*r der Held*innen verfügt über ein ganz eigenes Deck an Karten, das sich nicht nur durch andere Verteilung der Angriffsarten und Kampfwerte auszeichnet, sondern auch durch kurze, griffige Sondereffekte. Die verstärken etwa einen darauffolgenden Angriff, geben Verteidigungsboni, so lange sie offen liegen, oder wollen in bestimmter Reihenfolge gespielt werden. Dem etwas langsamen, aber dafür äußerst starken Nathrax stehen die täuschende Harys und die kombolastige Isdra entgegen. Mit dem ersten Stretchgoal soll Paladin Amadeus das geschlechtliche Gleichgewicht wiederherstellen und darf als einziger erschöpfte Karten regenerieren. Solche recht überschaubaren und schnell verstandenen Sonderregeln führen zu ganz eigenen Kampfstilen der Charaktere, wobei das Team wert darauf gelegt hat, dass jeder Charakter auf mehrere Weisen gespielt werden kann. Ob das gelungen ist, können ein paar Testspiele natürlich nicht belegen, fest steht zumindest, dass jeder Charakter einen anders zum Grübeln bringt und man schnell „noch eine Partie“ spielen will.
Narthax nutzt simple aber mächtige Angriffe
Das ist überhaupt die nächste große Stärke des Spiels. Eine Partie Duelists spielt sich in 15-30 Minuten, was bei meinen Probepartien mit Designer Björn Loesing sogar noch Raum für Erklärungen und Nachfragen ließ. Ein Duell ist schnell gelernt, aufgebaut und gespielt. Genau das Richtige also, wenn die Lust für lange Regelerklärungen fehlt oder man auf die Nachzügler*innen der Rollenspielrunde wartet. Dadurch verspricht das Spiel wirklich auf den Tisch zu kommen und nicht auf dem Stapel ungespielter Spiele zu verstauben.
Dafür dürfte auch das originelle Artwork von Sabri Houchati sorgen, der jeden Charakter individuell gestaltet hat und insgesamt passt alles wunderbar zum Duellthema.
Umfang
Duelists wird wie viele Spiele heutzutage per Crowdfunding finanziert und in der Form, abgesehen von Messen und Cons, voraussichtlich nicht in den Handel gelangen. Die Wahl eines Crowdfundings ist dabei kein bloßes Marketingtool vom jungen Studio KnotHorn, sondern wird ganz im Sinne der Idee genutzt. Mittels des Fundings soll ein leidenschaftlich entwickeltes Spiel in die Produktion gehen können und das stimmige Artwork refinanziert werden. Mit etwas Glück lässt sich außerdem eine Mehrsprachigkeit realisieren. Obwohl von einem deutschsprachigen Team entwickelt, ist Duelists als internationales Produkt auf Englisch konzipiert. Die Regeln werden aber auf Deutsch zur Verfügung gestellt und die kurzen Regeltexte der Karten sind auch mit grundlegenden Englischkenntnissen zu bewältigen oder lassen sich zur Not auswendig lernen.
Positiv fällt dabei auf, dass die Duellierenden nicht in die üblichen Fallen von Crowdfund-Finanzierungen geraten. Das runde Spielkonzept wird nicht unnötig aufgebläht. Zwei weitere Held*innen stehen per Stretchgoal in den Startlöchern und ein Solomodus soll realisiert werden. Es gibt also keine gigantische Kampagne, kein Artbook zum Spiel und auch keine Masse an konzipierten, aber noch nicht realisierten, Erweiterungen. Was angeboten wird ist umfangreich getestet worden und bis auf Produktionsdetails rund und stimmig. Das man nicht mit zahllosen Zusatzcharakteren aufwartet, ist dabei schon fast verwunderlich, böte sich das Konzept doch für zahllose weitere Charaktere an. Sich hier auf wenige und dafür intensiv getestete Held*innen zu beschränken ist ebenso mutig wie konsequent. Duelists will nicht das neue große Kartenspiel für alle werden, sondern eine Nische füllen: Schnelle, anspruchsvolle Kämpfe für Taktikfans auf den Tisch bringen, die sich auch ohne intensives Regelstudium umsetzen lassen.
Harys verzaubert uns mit Täuschungsmanövern
Sucht man klug verzahnte, innovative Spiele und begeistert sich am besten auch noch für taktische zwei Personen Spiele, kann ich Duelists nur empfehlen. Lediglich den Langzeit- und Wiederspielwert kann ich nicht beurteilen. Beim aufgerufenen Preis wäre aber auch ein kürzerer Spaß zu verkraften. Die unterschiedlichen Spielweisen der Charaktere und die sich schon nach wenigen Zügen andeutende taktische Tiefe durch eine intensive Kenntnis der Decks, verspricht jedenfalls auch längeren Spielspaß. Darüber hinaus sehe ich großes Potential, vielleicht doch den einen oder anderen Charakter als Erweiterung herauszubringen. Und sei es nur als Print-On-Demand.
Duelist ist eines der Projekte, von denen ich mir mehr im Crowdfunding wünsche. Anstatt dass Crowdfunding als Vorbestellservice zu zweckentfremden, will das kleine Team hier wirklich sein Herzblutprojekt realisieren. Dabei weiß der angehende Kleinverlag was er tut. Gestaltung und Umfang sind bodenständig gehalten und ermöglichen einen fairen Preis und ein fokussiertes Spielerlebnis.