Selbstverständlich schreibt sich ein ganzes Buch – geschweige denn eine Trilogie – nicht einfach im (Halb)Schlaf, sondern ist darüber hinaus das Ergebnis von harter Arbeit und Durchhaltewillen. Ein Ergebnis, dass sich in Kais Fall absolut sehen lassen kann: Sein Erstlingswerk Die Andral Chroniken bietet eine detailreich ausgearbeitete Welt und gut durchdachte Geschichten – auf bisher insgesamt mehr als 1300 Seiten. Der erste Band (Feuer & Schatten) erschien 2021, der zweite Teil (Sturm & Sand) wurde Anfang 2022 veröffentlicht und das Abschlusswerk steht auch schon in den Startlöchern. Aber worum geht es in diesem Fantasy-Epos?
Die Handlung
Ein Großteil der Handlung wird abwechselnd aus der Sicht von vier sehr unterschiedlichen Personen erzählt. Da ist zum Beispiel Zen, Magierlehrling der Feuergilde. Der muss zu seinem Entsetzen herausfinden, dass an der Spitze seiner Gilde ein finsterer Verrat ausgebrütet wird. Um nicht zum Schweigen gebracht zu werden, bleibt ihm nichts anderes übrig, als zu fliehen. In Ulerion, der Hauptstadt des Königreichs Ilwyss stößt derweil Hauptmann Thóran im Rahmen einer Ermittlung auf ein schreckliches Übel aus alter Zeit, das erneut zur Gefahr zu werden droht und den ganzen Kontinent in Krieg stürzen könnte. Bei seiner Auseinandersetzung mit diesem Gegner und seinen Schergen gerät er in einen Zwiespalt zwischen seiner Pflicht gegenüber der Stadt und seinen familiären Verpflichtungen. Ebenfalls in Ulerion spielt ein weiterer Erzählstrang, der aus der Perspektive eines heruntergekommenen Obdachlosen berichtet. Dieser ist nur als Der Überlebende bekannt und hat trotz seiner Existenz am Rande der Gesellschaft eine wichtige Bedeutung für die Geschehnisse. Und schließlich gibt es als viertes den mächtigen und etwas überheblichen Magier Seido, der auf geheimer Mission für die Wassergilde ist und dabei an seine körperlichen und moralischen Grenzen stößt.
Neben diesen vier Hauptcharakteren treten einige weitere Figuren in Erscheinung, die ihre Perspektive aber jeweils nur für ein einzelnes Kapitel beisteuern. Der Fokus liegt auf den vier Handlungssträngen der Protagonisten, die zunächst unabhängig erscheinen, sich aber im Verlauf der Geschichte als geschickt miteinander verwoben erweisen. Sie laufen mal parallel, mal kreuzen sie sich und auf jeden Fall bauen sie gut aufeinander auf und ergänzen sich.
Auch der Spannungsaufbau ist gelungen. Viele der Kapitel enden mit einem Cliffhanger und wecken beim Leser den dringenden Wunsch nach einer schnellen Fortsetzung der Geschichte des betreffenden Charakters.
Die genaue Struktur der Geschichten ist im Laufe des Schaffensprozesses erst gewachsen. Zunächst hatte Kai versucht, das erste Buch komplett durchzuplanen und Kapitel für Kapitel in Stichworten vorzubereiten. Davon ist er allerdings schnell abgekommen, weil es ihn zu sehr einengte. Mittlerweile plant er nur noch nur die bedeutendsten Eckpunkte der Geschichte und folgt ansonsten seinem Gespür. Seine besten Einfälle entstehen nach eigener Einschätzung aus spontanen Ideen, die ihm während des Schreibens kommen.
Durch die unterschiedlichen Erzählstränge der Protagonisten werden nach und nach immer mehr Informationen über Andral enthüllt. Dieser Ort erscheint so mit jedem neuen Kapitel detailreicher und greifbarer – als ein Ort, der schon lange vor den Ereignissen der Romane existierte und aus vielfältigen Kulturen mit eigenen Geschichten und Konflikten besteht.
Das Worldbuilding
Da ist das in Ränke verstrickte Ilwyss, dessen König sich mit eiserner Faust an die Macht zu klammern sucht. Im Norden liegt das karge und eisige Norgan, dessen Bewohner sich in einem ständigen Überlebenskampf um knappe Ressourcen befinden. Es gibt zurückgezogen lebende Elfen, die ihr heiliges Waldreich gegen jeden Eindringling verteidigen, und stolze Bergstämme, die sowohl Handel mit den Bewohnern des Hügellandes treiben als auch Kämpfe mit ihnen ausfechten. Und schließlich sind da noch die Klans der brutalen Tobor’ákin, bösartige Wesen mit großem Hunger auf Menschenfleisch, die im Süden des Kontinents auf eine Gelegenheit warten, nach Illwyss vorzudringen. Sie alle bilden eine komplexe und doch auch gut nachvollziehbare Welt.
Eine Welt, die man übrigens auf einer großformatigen Karte betrachten kann, die der Printfassung des ersten Bandes als Poster beiliegt. Diese ist nicht nur schön gestaltet, sondern hilft auch dabei, Orte und Reisewege der Protagonisten nachzuvollziehen, um in der verschlungenen Geschichte den Überblick zu behalten.
Mit seinem lebendigen und bildhaften Schreibstil erschafft der Autor eine Geschichte voller vielschichtiger Protagonisten, mit denen man gerne mitfiebert. Neben den vielen spannenden, mitreißenden und manchmal auch traurigen Szenen, kommt an einigen Stellen auch der Humor nicht zu kurz – in wohldosierter Form. Die beiden bisher erschienenen Romane machen jedenfalls sehr neugierig auf den abschließenden dritten Teil.
Feuer & Schatten
Der erste Teil der Andral Chroniken führt tief in die Geschichte des Kontinents Andral und des Königreichs Ilwyss ein und bildet das Fundament der spannenden Trilogie. Die Protagonisten mit ihren unterschiedlichen Eigenschaften, Zielen und Geheimnissen bilden dabei eine interessante Mischung aus Erzählperspektiven, die durch eine abenteuerliche Welt führen.
572 Seiten, Eisermann Verlag, ISBN 978-3961731398
Sturm & Sand
Auch im zweiten Band der Andral Chroniken kommt das Königreich Ilwyss erwartungsgemäß nicht zur Ruhe. Der Süden wird von den wilden Horden von Tobor’ákin bedroht, im Nordosten entfalten sich die Ränke des abtrünnigen Leiters der Feuergilde weiter und auch der Schrecken der Toteninsel im Westen reckt seine gierigen Klauen. Sturm & Sand hält für seine Figuren also jede Menge neue Herausforderungen bereit.
610 Seiten, Eisermann Verlag, ISBN 978-3961731404
Über den Autor
Der 1989 geborene Kai Herrdum hat einen Masterabschluss in Wirtschaftspsychologie und streift sehr gerne durch Fantasy-Welten in all ihren Spielarten – egal ob in Form von Gesellschaftsspielen, Sammelkartenspielen, Videospielen, Filmen oder Serien. Auch die Literatur dieses Genres hat es ihm angetan, wobei er insbesondere den britischen Autor Joe Abercrombie (z.B. Die Klingen-Saga) zu seinen Vorbildern zählt, der mit seinen düsteren Geschichten und dem noch finstereren Humor Kais Geschmack punktgenau trifft.
Mehr Infos gibt es unter kaiherrdum.de.
Dieser Artikel erschien erstmals in der Zauberwelten Frühjahr 2022.